Die klassischen Ziele einer Strafverteidigung

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Für den in Strafverfahren tätigen Rechtsanwalt gilt es nach durchgeführter Akteneinsichtnahme und eingehender Besprechung der Sach- und Rechtslage mit dem Beschuldigten ein angestrebtes Ziel der Strafverteidigung festzulegen und dann die dazu notwendige Strategie zu entwerfen. Vorgespräche mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft zeigen dann, inwieweit das Gewollte erreichbar erscheint bzw. was dazu notwendig ist.

In den verschiedenen Verfahrensstadien eines Strafverfahrens gibt es Ziele, die regelmäßig das für einen Beschuldigten Gewollte darstellen:

1. Im Ermittlungsverfahren

Hier gilt es, das gegen den Beschuldigten eingeleitete strafrechtliche Ermittlungsverfahren alsbald zur Einstellung zu bekommen. Es gibt mehrere Möglichkeiten einer solchen Einstellung:

Wenn sich kein genügender Anlass für die Erhebung einer Anklage ergibt, ist das Verfahren mangels Tatverdachts einzustellen. Es gilt also dem Staatsanwalt, dem Herren des Ermittlungsverfahrens, zu verdeutlichen, dass die vorliegenden Beweismittel nicht geeignet sind, eine spätere Verurteilung des Beschuldigten zu rechtfertigen (§ 170 Abs. 2 StPO).

Lassen die Ermittlungen die Annahme einer Straftat zu, kann das Verfahren gemäß § 153 StPO wegen Geringfügigkeit eingestellt werden, wenn also die Schuld des Beschuldigten und die Tatfolgen untergeordneter Natur sind. Es handelt sich insoweit um eine Ermessensentscheidung des Staatsanwaltes aus Opportunitätsgründen im Bereich kleinerer und mittlerer Delikte (Vergehen).

Wenn die Tat weitgehend nachweisbar erscheint und die Tatschuld bzw. -folgen nicht nur unerheblich sind, kann eine solche Einstellung wegen Geringfügigkeit von der Erfüllung von Auflagen abhängig gemacht werden, etwa der Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Organisation (§ 153a StPO).

Aus den §§ 153 ff. StPO zu nennen wäre insbesondere noch der § 154 StPO: Sind mehrere Taten begangen worden, kann die „kleinere" solche wegen der „großen" eingestellt werden, weil sie bei einer Bestrafung nicht ins Gewicht fallen würde. Nach dieser Vorschrift kann also ein neues Verfahren wegen einer neuen Tat eingestellt werden, wenn schon eine Verurteilung wegen einer wesentlicheren Tat vorliegt oder zu erwarten ist.

Alle diese Einstellungen haben eins gemein: Sie stellen keine Verurteilung im Rechtssinne dar, so dass auch keine Eintragung im Bundeszentralregister erfolgt. Andererseits gibt es - auch bei der Einstellung mangels Tatverdachts - keinen Erstattungsanspruch im Hinblick auf die angefallenen Verteidigergebühren! Unter Berücksichtigung der Vielzahl der eingeleiteten und wieder eingestellten Verfahren ist dies dem Staat zu teuer. Da kann dann auch eine bestehende Rechtsschutzversicherung - wenn sie nicht aus Kulanzgründen zahlt - nicht helfen, weil die Versichertengemeinschaft diese Kosten mit ihren Beiträgen erst recht nicht erbringen kann.

In den Fällen von angeordneter Untersuchungshaft bzw. Beschlagnahme versteht sich das Ziel von selbst, nämlich für den Beschuldigten zumindest eine Haftverschonung durchzusetzen bzw. etwaig dringend für ein Unternehmen benötigte Arbeitsmittel (Computer mit Dateien) wieder frei zu bekommen.

2. Zwischenverfahren

In diesem Verfahrensabschnitt wird vom Gericht geprüft, ob die vom Staatsanwalt vorgelegte Anklageschrift zugelassen werden kann und das Hauptverfahren zu eröffnen ist. Ziel der Strafverteidigung ist es hier also, dem Gericht gegebenenfalls darzulegen, dass die Beweise keinesfalls ausreichen, eine spätere Verurteilung zu rechtfertigen. Der Vorteil einer Nichteröffnung des Verfahrens (§ 204 StPO) läge neben der Beendigung des Verfahrens darin, dass der Staat in diesem Fall die Kosten und Gebühren des Strafverteidigers zahlen müsste (§ 467 Abs. 1 StPO).

3. Hauptverfahren

Entsprechend der Einstellung des Verfahrens mangels Tatverdachts im Ermittlungsverfahren steht im Hauptverfahren der Freispruch als das klassische Ziel. Auch hier hätte dann der Staat alle Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Freigesprochenen, wie z. B. seine Verteidigerkosten, zu tragen.

Auch die oben dargelegten Einstellmöglichkeiten gemäß §§ 153 ff. StPO gelten hier. Es kann also eine im Ermittlungsverfahren fehlgeschlagene Einstellung noch im Hauptverfahren erreicht werden.

Wenn eine Verurteilung unausweichlich ist, gibt es folgende Ziele:

Bei einer Verurteilung zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen oder einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als drei Monaten wird eine Verurteilung zwar in das Bundeszentralregister eingetragen, ist aber nicht in ein Führungszeugnis aufzunehmen (§ 32 BZRG), wenn keine weitere Verurteilung vorliegt. Da die Vorlage eines solchen Führungszeugnisses gelegentlich z. B. von Arbeitgebern verlangt wird, sind diese Eintragungsgrenzen zu beachten.

Eine weitere Grenze ergibt sich aus § 56 Abs. 2 StGB: Freiheitsstrafen können nur maximal bis zu einer Höhe von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt werden. Dieser Umstand ist im Strafprozess oftmals Gegenstand von Absprachen zwischen den Verfahrensbeteiligten (Geständnis gegen Bewährung).

Eine besondere Rolle spielt § 59 StGB (Geldstrafe „auf Bewährung"): Bei Geldstrafen bis zu 180 Tagessätzen kann das Gericht den Verurteilten lediglich verwarnen und eine Bewährungszeit festsetzen. Wird diese durchgestanden, ist die Geldstrafe nicht zu bezahlen.

In Betäubungsmittelverfahren spielt oftmals § 35 BtMG, die sog. Therapie statt Strafe für Rauschmittelabhängige, eine Rolle (vgl. auch § 64 StGB); in Jugendstrafverfahren die §§ 27, 57 JGG, also das zeitliche Hinausschieben der Frage nach Verhängung einer Jugendstrafe bzw. der Aussetzung der Jugendstrafe zur Bewährung (sog. Vorbewährung).

In Straßenverkehrssachen steht natürlich der Erhalt bzw. die Wiedererlangung der Fahrerlaubnis oder des Führerscheines im Vordergrund, zumal deren (auch nur zeitweiliger) Verlust oftmals Existenz gefährdend sind (§§ 69, 44 StGB).

Ungeachtet dieser nicht abschließenden Aufzählung muss es naturgemäß auch immer weiteres Ziel des Strafverteidigers sein, dem Beschuldigten und seinem persönlichem Umfeld während des Strafverfahrens ein kompetenter Ansprechpartner zu sein.

Rechtsanwalt Bernd Michalski


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