Die Untersuchungshaft nach § 112 StPO: Verteidigung

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Dieser Rechtstipp ist der dritte und letzte Teil der kleinen Reihe zum Thema Untersuchungshaft. In meinem ersten Tipp habe ich die materiell-rechtlichen, im zweiten die prozessualen Voraussetzungen benannt. 

In diesem soll es nun um das Vorgehen gegen einen Haftbefehl gehen und die Frage, wie komme ich aus der Untersuchungshaft heraus. Auch werden kurz Ihre Rechte als Beschuldigter beleuchtet. 

1. Haftprüfung und Haftbeschwerde

Grundsätzlich kann gegen die Untersuchungshaft entweder ein Antrag auf Haftprüfung gestellt werden oder es wird Haftbeschwerde erhoben. 

Sowohl bei der Haftprüfung als auch bei der Haftbeschwerde wird der Beschuldigte oder sein Anwalt beantragen, den Haftbefehl aufzuheben (§ 120 StPO) oder zumindest dessen Vollziehung auszusetzen (§ 116 StPO). Beides kommt dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen des Haftbefehls nicht oder nicht mehr vorliegen, z. B. wenn der Haftgrund weggefallen ist. Hierzu verweise ich nochmals auf meine beiden vorherigen Rechtstipps, in denen ich die Voraussetzungen genannt habe.

Der Antrag auf Haftprüfung ist bei dem Gericht zu stellen, das den Haftbefehl erlassen hat. Hat also der Richter am Amtsgericht den Haftbefehl erlassen, ist der Antrag bei dem Amtsgericht zu stellen. 

Stellt der Anwalt einen solchen Antrag, kann er auch gleichzeitig beantragen, dass über den Antrag mündlich zu verhandeln ist (§ 118 Absatz 1 StPO). Diesem Antrag ist dann zwingend zuzustimmen. 

Die mündliche Verhandlung findet in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Bei dieser mündlichen Verhandlung können bereits einige Tatsachen geprüft werden, welches der Verteidigung eine weitere „Instanz“ eröffnet, um gegen die Anschuldigungen vorzugehen.

Die Haftbeschwerde nach § 304 StPO wird nicht bei dem Gericht eingelegt, die den Haftbefehl erlassen hat, sondern bei dem übergeordneten Gericht. Wenn also das Amtsgericht den Haftbefehl erlassen hat, ist die Haftbeschwerde vor dem Landgericht zu erheben. 

Es wird in der Regel keine mündliche Verhandlung durchgeführt. Nach § 118 Absatz 3 StPO kann sie aber nach Antrag mündlich ablaufen. Die Entscheidung darüber liegt aber im Ermessen des Gerichts. 

Bei der Haftbeschwerde erfolgt in der Regel lediglich die rechtliche Prüfung der Angelegenheit ohne eine Tatsachenprüfung. 

2. Welches ist der richtige Rechtsbehelf?

Diese Frage beantwortet der Jurist wie immer: Es kommt darauf an! 

Die Haftprüfung ist der schnelle Rechtsbehelf, da hier nach § 118 Absatz 5 StPO unverzüglich, spätestens zwei Wochen nach Antragstellung, verhandelt werden muss. Darüber hinaus kann der Antrag auf Haftprüfung mehrmals gestellt werden, während eine Haftbeschwerde grundsätzlich nur einmal eingelegt werden kann. Weiterhin ist es wichtig, ob und inwieweit bereits Tatsachen geprüft werden sollen oder ob in der rechtlichen Bewertung Fehler gemacht worden sind. 

3. Unterschätzte Rechtsbehelfe

Neben diesen beiden im Gesetz genannten Möglichkeiten gibt es noch einige andere Rechtsbehelfe. 

Nach § 120 Absatz 3 StPO ist der Haftbefehl aufzuheben, wenn die Staatsanwaltschaft dies beantragt. Es gibt also auch die Möglichkeit, dass der Verteidiger hier mit der Staatsanwaltschaft direkt in Kontakt tritt und diese davon überzeugt, dass die Voraussetzungen der Untersuchungshaft nicht mehr vorliegen. Dies ermöglicht eine weitere Verteidigungsstrategie, die nochmal etwas schneller funktionieren kann als die Haftprüfung. 

Weiterhin muss nach § 121 Absatz 2 StPO nach 6 Monaten durch das Oberlandesgericht, in Berlin ist es das Kammergericht, geprüft werden, inwieweit ein dringender Tatverdacht und/oder Haftgründe noch bestehen. Kommt das OLG zu der Einschätzung, dass die Voraussetzungen für eine Haft nicht vorliegen, ist der Haftbefehl aufzuheben. Auch kann wegen überlanger Verfahrensdauer ein Haftbefehl aufgehoben werden.

4. Unterschied zwischen Aufhebung und Aussetzung des Haftbefehls

Die rechtlichen Konsequenzen, ob nun der Haftbefehl aufgehoben oder nur ausgesetzt wird, sind auf den ersten Blick nicht sofort klar. In beiden Fällen kommt der Beschuldigte aus der Untersuchungshaft raus! Das ist wohl für viele das Wichtigste.

Bei der Aufhebung des Haftbefehls wird der Haftbefehl für unwirksam erklärt. Er ist sozusagen weg! Es gibt ihn nicht mehr. 

Wenn die Vollziehung des Haftbefehls ausgesetzt wird, wird in der Regel auch immer eine Auflage mit dieser verbunden. So kann z. B. angeordnet werden, dass sich der Beschuldigte in regelmäßigen Abständen bei der Polizei persönlich zu melden hat. Dies kann dann auch mit einer Kaution gepaart werden. Wenn gegen die Auflage verstoßen wird, tritt der Haftbefehl wieder in Kraft und man muss wieder in die Untersuchungshaft. Gegebenenfalls wird dann nach dem Beschuldigten sogar polizeilich gefahndet. Wenn eine Kaution hinterlegt ist, wird diese endgültig einbehalten. 

Wenn Fluchtgefahr im Raum steht, kann der Reisepass einbehalten werden und/oder eine Grenzsperre verhängt werden. 

Dies alles passiert in der Regel nicht, wenn der Haftbefehl aufgehoben wurde.

5. Rechte in der Untersuchungshaft

Während der Untersuchungshaft haben Sie das Recht, als Beschuldigter Post zu empfangen und zu schreiben, sich mit Ihrem Anwalt treffen und Besuch zu empfangen. 

Seit 2010 wird, anders als bei der Vollzugshaft, keine Postkontrolle für Untersuchungshäftlinge vorgenommen. Jedoch kann dies unter bestimmten Umständen von einem Richter angeordnet werden. 

Wer einer Arbeit nachgehen will und kann, darf dies auch während der Untersuchungshaft tun, aber nur, wenn die Haftanstalt ein entsprechendes Angebot hat. Weiterhin besteht kein Anspruch auf Hafturlaub. Dies besteht bei der Strafhaft, aber nicht bei der Untersuchungshaft.

Fazit: Diese kurzen Einblicke in die Grundzüge der Untersuchungshaft sollen lediglich zeigen, was während der juristischen Prüfung und Bearbeitung zu beachten ist. Wenn ein Haftbefehl gegen Sie vorliegt oder dieser bereits vollstreckt wird, sollten Sie umgehend einen Anwalt einschalten. Nur so können Sie feststellen lassen, ob der Haftbefehl und die Untersuchungshaft rechtmäßig sind und ob eine Möglichkeit auf Entlassung besteht. 


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