"Dieselgate" - alles auf Null?

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Bei vielen Beteiligten hat das aus Verbrauchersicht lange ersehnte Urteil des EuGH vom 21.03.2023 in dem Mercedes-Verfahren C 100/21 - für positive Reaktionen gesorgt. Zum einen wurde entsprechend der Entscheidung des EuGH vom 08.11.2022 bestätigt, dass es sich bei den in vielen Diesel-Fahrzeugen verbauten "Thermofenstern" (temperaturgesteuerte Abgasreinigung) tatsächlich um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Zum einen - und dieses interessiert die betroffenen Autobesitzer besonders - hat der EuGH nunmehr entschieden, dass die maßgebenden europarechtlichen Vorschriften dem Schutz des Verbrauchers dienen und die Autohersteller bei der Verwendung eines Thermofensters auch schon dann schadensersatzpflichtig sein können, wenn sie bei der Verwendung des Thermofensters "nur" fahrlässig gehandelt haben.

Bisher ging die deutsche Rechtsprechung  überwiegend davon aus, dass in Abgasfällen für die Haftungsbegründung ein vorsätzliches sittenwidriges schädigendes Verhalten des Autoherstellers im Sinne der §§ 826, 31 BGB notwendig sei. An der nicht hinreichend möglichen - oder von den Gerichten oft auch gar nicht erst gewollten - entsprechenden Feststellung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen sind bislang die meisten gegen die Hersteller gerichteten Klagen spätestens in 2. Instanz gescheitert. Oft schon ohne die Durchführung einer Beweisaufnahme, weil die Gerichte gerne bereits das Vorliegen eines hinreichend schlüssigen Klagevorbringens verneint haben.

Ob sich an der aus Verbrauchersicht restriktiven Gerichtspraxis durch das genannte EuGH-Urteil vom 21.03.2023 nicht nur im rechtlichen Ansatz (nunmehr § 823 Abs. 2 BGB), sondern auch im naturgemäß besonders interessierenden Ergebnis wirklich etwas ändern wird, bleibt eher skeptisch abzuwarten. So ist schon - quasi vorbeugend nach der EuGH-Entscheidung vom 08.11.2022) - bespielsweise das Oberlandesgericht Hamm in einem Urteil vom 16.11.2022 - 11 U 84/20 - davon ausgegangen, dass auch ein nur fahrlässiges Fehlverhalten eines Autoherstellers wegen Vorliegens eines sog. unvermeidbaren Verbotsirrtums nicht feststellbar sein wird.

In der Urteilsbegründung heißt es hierzu auszugsweise wie folgt:

"... Selbst wenn das von der Beklagten verwendete Thermofenster aus heutiger Sicht als unzulässige Abschalfteinrichtung zu bewerten sein sollte, ist der Senat jedoch davon überzeugt, dass das Kraftfahrtbundesamt dieses nicht als unzulässig beanstandet hätte, wenn die Beklagte sich vor dem Inverkehrbringen des Fahrzeuges bei ihm nach der Zulässigkeit des Thermofensters erkundigt hätte. Denn ausweisilich der ... amtlichen Auskünfte hat das KBA noch im Jahr 2021 die Ansicht vertreten, dass es sich bei dem Thermofensters um eine nach Art. 5 Abs. 2 a) der Richtlinie 715/2007 zulässige Abschalteinrichtung handelt. Dieser Auffassung ist das KBA auch heute noch.
Weil danach vorliegend eine Fahrlässigkeitshaftung der Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB jedenfalls mangels Verschulden der Beklagten zu verneinen ist, kommt damit auch weder ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH noch eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 148 ZPO analog mit Blick auf die zu erwartende Entscheidung des EuGH in Sachen C-100/21 in Betracht. ..."

Insgesamt gesehen bleibt die Sache spannend, bis höchstrichterlich geklärt sein wird, welche Voraussetzungen an den Fahrlässigkeitsvorwurf im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB zu stellen sind. Hierauf sollte das Augenmerk gerichtet bleiben.


Foto(s): Rechtsanwalt Krüger

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