Ein Upgrade für das Entgeltgleichheitsgesetz

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Das geschlechtsspezifische Lohngefälle ist der durchschnittliche Lohnunterschied zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern. In Deutschland beträgt dieser Lohnunterschied fast 20% (unbereinigt). Einer der Gründe ist, dass die Löhne in "weiblichen Berufen" oft niedriger sind als die Löhne in "männlichen Berufen". Auch wenn dieser und andere Effekte herausgerechnet werden, beträgt das sogenannte bereinigte geschlechtsspezifische Lohngefälle immer noch etwa 6%. Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den unbereinigten Wert bis zum Jahr 2030 auf 10% zu senken. Das Entgelttransparenzgesetz (EntgTranspG) ist einer der Schritte auf diesem Weg. Das EntgTranspG richtet sich zwar nicht speziell an Frauen, zielt aber darauf ab, Frauen auf besondere Weise eine Möglichkeit an die Hand zu geben, damit sie geschlechtsspezifische Lohnunterschiede aufdecken können, die u.a. durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten sind.

Als das EntgTranspG im Juli 2017 in Kraft trat, verursachte es zunächst einigen Wirbel ("Kann ich in der Personalstelle das Einkommen des Kollegen Müller erfragen?" - die Antwort lautet übrigens nein, dazu später). Es wurde in Bezug auf das neue Gesetz dann aber bald ruhig. Warum ist das so? Was kann das Gesetz eigentlich? Das Bundesarbeitsgericht hat kürzlich die Anwendung des EntgTranspG "aktualisiert" und sowohl Arbeitnehmer/innen als auch Arbeitgeber/innen sollten mit dieser Rechtsprechung vertraut sein.

„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ – ein Mythos

Sie haben gerade aus zuverlässigen Quellen herausgefunden, dass Ihr Kollege Müller (der zwei Jahre nach Ihrem Start seine Arbeit aufgenommen hat) 500,00 Euro mehr verdient. Ungerechtigkeit! Dies ist jedoch nicht grundsätzlich ein Fall für das Arbeitsgericht. Das Argument "gleiches Entgelt für gleiche (oder noch bessere) Arbeit" hat keine Rechtsgrundlage. Wenn es also kein weiteres, rechtlich begründetes Argument gibt, wird ein Gericht hier nicht Recht geben. Wenn Sie aufgrund von Geschlecht, Rasse, Religion oder Weltanschauung, Alter oder Behinderung diskriminiert werden, also aus diesen Gründen ein niedrigeres Gehalt als ein Kollege in derselben Position erhalten, wäre das rechtlich relevant. Andernfalls ist es Sache des Arbeitgebers und genau dieses Arbeitnehmers, zu entscheiden, welches Gehalt die Gegenleistung für die Arbeit ist.

Eine Auskunft nach dem Entgelttransparenz einholen – so geht’s

Im Gegensatz dazu möchte das EntgTranspG Mitarbeitern größerer und größerer Unternehmen eine Möglichkeit eröffnen, mit der sie feststellen können, ob sie einer Mitarbeitergruppe (relativ zu einer anderen Mitarbeitergruppe) angehören, die strukturell bzw. willkürlich niedriger bezahlt wird.

Dies ist nach verschiedenen Rechtsgrundlagen - insbesondere bezogen auf das Geschlecht - untersagt (Art. 157 des europäischen AEUV, § 1 AGG, § 3 Abs. 2 EntgTranspG).

Das EntgTranspG gibt Beschäftigten in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten, in denen mindestens sechs Mitarbeitende des anderen Geschlechts in gleicher oder gleichwertiger Position beschäftigt sind, die Möglichkeit, eine Auskunft einzuholen. Für diese Vergleichsgruppe wird das sog. Vergleichsgehalt (sog. Median) ermittelt. Über den Betriebsrat kann die Auskunft auch anonym eingeholt werden, immer müssen aber Angaben über das eigene Gehalt und die eigene Position gemacht werden, da anderenfalls die Vergleichsgruppe nicht zutreffend gebildet werden kann.

In Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern können Anspruchsberechtigte alternativ ein sog. betriebliches Verfahren einleiten. Hier ist ein Gesamtbericht über die Gehaltsstruktur geschuldet, nicht nur einen Bericht über die Vergleichsgruppe.

Nicht möglich ist eine Einzelauskunft zu Individualgehältern. Dies wird durch die Gruppenbildung von mindestens sechs anderen Gehältern verhindert und ist aus Sicht des Gesetzgebers ausreichend, um einen Überblick über eine ggf. vorliegende strukturelle Ungleichheit zu erlangen.

Bis jetzt: Entgelttransparenzgesetz light

EntgTranspG zielt darauf ab, hauptsächlich Frauen den Weg zu ebnen, um den Median der Kontrollgruppe auf unbürokratische Weise zu ermitteln. Allerdings: Wenn diese Informationen darauf hinweisen, dass das Durchschnittseinkommen der Vergleichsgruppe höher ist, sieht das Gesetz keine Folgen vor. Sähe das Gesetz allerdings schlicht vor, dass die Lohndifferenz geschuldet ist, könnte auch das ungerechtfertigt zu Lasten der Arbeitgeber gehen. Das Gehaltsgefälle kann zwar einen geschlechtsspezifischen Hintergrund haben, es kann aber auch zufällig auftreten. Beispielsweise können Mitarbeiter in der Vergleichsgruppe von unterschiedlichen Qualifikationen heraus befördert worden sein, was ein höheres Gehalt rechtfertigen kann. Was kann man nun mit der Auskunft, die eine Gehaltslücke aufweist, anfangen? Gemäß § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) führt der erste Anschein einer Diskriminierung dazu, dass die andere Partei - in diesem Fall der Arbeitgeber - diesen Anschein widerlegen muss. Auf dieser Grundlage könnte also eine Klage eingereicht werden, um die Zahlung des Differnzlohns zu verlangen, wobei der Arbeitgeber dafür verantwortlich wäre, zu erklären, warum das Lohngefälle in diesem Fall nicht geschlechtsspezifisch ist. Bisher war umstritten, ob sich durch eine entsprechende Auskunft nach EntgTranspG dieser Effekt ergibt. Das Bundesarbeitsgericht hat den Fall nun entschieden.

Anders als das Landesarbeitsgericht hat das Bundesarbeitsgericht geurteilt, dass die Indizwirkung des § 22 AGG durch eine ein Lohngefälle ausweisende Auskunft nach EntgTranspG ausgelöst wird (Urteil vom 21.01.2021, Az. 8 AZR 488/19). Der Arbeitgeber muss nun also diese Indizwirkung entkräften und nachvollziehbar darlegen, aus welchen legitimen Gründen es zu dem Lohngefälle gekommen ist. Nähere Hinweise zum entschiedenen Fall und die vollständigen Urteilsbesprechungen finden Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/neues-zum-entgeltgleichheitsgesetz-nun-sind-die-arbeitgeber-im-zugzwang/

Fazit: Nun Entgeltgleichheitsgesetz mit Zähnen

Neben anderen Punkten am EntgTranspG, die man kritisieren kann, war das Hauptproblem des Gesetzes seine fehlende „Bissigkeit“. Zwar konnten Arbeitnehmer/innen nun ein etwaig geschlechtsspezifisches Gehaltsgefälle aufdecken, ohne weitere Indizien auf eine Diskriminierung wegen des Geschlechts aber kaum etwas damit anfangen. Diese weiteren Indizien gab es in aller Regel nicht. Diese Situation hat sich nun grundlegend geändert. Es ist nach einer entsprechenden Auskunft nach EntgTranspG nun am Arbeitgeber, zu erklären, weshalb das Indiz „Lohngefälle“ gerade keinen geschlechtsspezifischen Hintergrund hat. Tatsächlich kann es dafür ja Gründe geben, die aber in Summe alleine der Arbeitgeber aus seiner Sphäre heraus kennt – und nun auch nennen muss. Gelingt dies nicht, wird eine Klage auf Zahlung des Differenzlohns Erfolg haben.

Weitere Hinweise zum Thema können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/neues-zum-entgeltgleichheitsgesetz-nun-sind-die-arbeitgeber-im-zugzwang/ nachlesen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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