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Einstellungsverfahren - Bewerbung

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Für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis ist ein wirksamer Arbeitsvertrag (§ 611 BGB) in der Regel unabdingbare Voraussetzung. Bevor aber der Vertrag zu Stande kommt, können bei der Personalauswahl bereits vorvertragliche Ansprüche aus Gesetz oder Vertrauenshaftung entstehen. Denn die Anbahnungsbeziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer begründet wie jedes vorvertragliche Vertrauensverhältnis bestimmte Pflichten auf beiden Seiten (§§ 311 II, 241 II BGB) mit arbeitsrechtlichen Besonderheiten. Hierbei bestehen vor allem Offenbarungs-, Schutz- und Kostenerstattungspflichten.

Vorstellungsgespräch als zentrale Entscheidungsgrundlage

Neben den Bewerbungsunterlagen gilt das Vorstellungsgespräch mit einem Bewerber als wichtigste Entscheidungsgrundlage, ob es zur Einstellung kommt oder nicht. Arbeitgeber wollen in Bewerbungsgesprächen möglichst viel über die potenziellen Arbeitnehmer erfahren. Jedoch darf der Arbeitgeber den Bewerber nicht alles fragen, obwohl es in der Praxis durch den Arbeitgeber trotzdem zu unangemessenen Handlungen und Eingriffen in die Privatsphäre kommt. Das Gesetz schützt das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers und somit müssen viele Fragen überhaupt nicht beantwortet werden. Allerdings gerät der Arbeitssuchende in Zeiten der wachsenden Arbeitslosigkeit immer mehr unter Druck, einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden.

Der Arbeitgeber möchte sich in Ausübung seines Rechts auf freie Bewerberauswahl (Art. 12 I GG) den Bewerber genau unter die Lupe nehmen. Hierzu macht der Arbeitgeber – teils unter Verwendung von Fragebögen, teils individuell im Bewerbungs-/Vorstellungsgespräch – von seinem Fragerecht Gebrauch, um möglichst die qualifizierteste Person einzustellen, die lange im Betrieb bleibt. Denn durch einen häufigen Personalwechsel kommt es zu hohen Kosten im Betrieb.

Eine Fehlentscheidung möchte der Arbeitgeber durch die detaillierte Befragung im Einstellungsverfahren verhindern, doch hier sind vor allem das Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und das Grundgesetz (GG) zu beachten. Denn diesem Arbeitgeberinteresse steht das Interesse des Arbeitnehmers entgegen, nicht durch bestimmte Fragen diskriminiert oder unzulässig ausgeforscht zu werden (Art. 2, 3 GG). Dieser Interessenskonflikt kann gelöst werden mit der Vorlage eines Einstellungsfragebogens, der der Zustimmung des Betriebsrats bedarf (§ 94 I 1 BetrVG) oder durch ein Verweigerungsrecht des Arbeitnehmers, das effizient nur als Recht auf Lüge verwirklicht werden kann.

Um Sie so gut wie möglich aufzuklären, welche Fragen erlaubt sind und welche nicht, soll im Weiteren ein kleiner Überblick erfolgen, um Sie über Ihre Rechte beim Bewerbungsgespräch zu informieren.

Welche Umstände muss der Arbeitnehmer/Arbeitgeber unaufgefordert bei einem Bewerbungsgespräch offenbaren? (Aufklärungspflicht)

In einigen Fällen muss der Bewerber von sich aus bestimmte Umstände offenbaren, sodass sich bereits sein Schweigen als arglistige Täuschung durch Unterlassen darstellt. Er muss unaufgefordert alle Umstände wahrheitsgemäß darlegen, die für das künftige Arbeitsverhältnis im Hinblick auf die Erfüllbarkeit der arbeitsvertraglichen Leistungspflicht wesentlich sind. Beispiele:

  • Der Bewerber ist rechtlich verhindert, die Stelle anzunehmen, z. B. wegen eines bestehenden Wettbewerbsverbots.
  • Der Bewerber ist außerstande, die Arbeit zum vereinbarten Termin aufzunehmen, z. B. wegen Krankheit, Behinderung, Kur oder Führerscheinentzugs bei Kraftfahrern.
  • Der Bewerber kann grundsätzlich der vorgesehenen Arbeitspflicht nicht oder nur sehr eingeschränkt nachkommen, z. B. wegen einer Krankheit.

Auch der Arbeitgeber hat Offenbarungspflichten, wenn es um wesentliche Umstände geht, die das Arbeitsverhältnis betreffen.

  • Der Arbeitgeber muss drohende Zahlungsunfähigkeit (Liquiditätsschwierigkeiten) offenbaren oder über die Absicht, den Betrieb, für welche die Einstellung erfolgen soll, in absehbarer Zukunft stillzulegen oder zu verlegen.
  • Der Arbeitgeber muss den bevorstehenden Wegfall des Arbeitsplatzes offenbaren.
  • Der Arbeitgeber hat dem Bewerber im Rahmen der Vertragsverhandlungen aber auch zu informieren über gefährliche Arbeitsumstände, häufige Reisetätigkeiten, besondere Arbeitsanforderungen.

Was darf der Arbeitgeber den Bewerber während eines Bewerbungsgespräches fragen?

Wenn ein berechtigtes Arbeitgeberinteresse vorliegt, darf der Arbeitgeber die Frage stellen. Zulässig sind solche Fragen, die in einem sachlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tätigkeit im Arbeitsverhältnis stehen. Damit sind insbesondere qualifikations- und arbeitsbezogene Fragen gemeint. Zum Beispiel Fragen über die fachliche Qualifikation, Ausbildung, den beruflichen Werdegang, die zuletzt ausgeübte Tätigkeit, zur körperlichen und gesundheitlichen Verfassung (soweit für die Arbeitsaufgaben erforderlich) und auch zu sonstigen persönlichen Eigenschaften, soweit sie nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip mit der Tätigkeit in einem Zusammenhang gebracht werden können. Der Arbeitgeber seinerseits muss aber ebenfalls die Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle zutreffend beschreiben und darf keine irreführenden Angaben machen. Beim Gesprächsverhalten des Arbeitnehmers ist zwischen begrenzt zulässigen Fragen und generell unzulässigen Fragen zu unterscheiden.

Begrenzt zulässige Fragen

Vorstrafen: Die Frage nach Vorstrafen muss nur dann beantwortet werden, wenn das Delikt für die konkrete Arbeitsaufgabe von Bedeutung ist (z. B. Verkehrsdelikte bei Kraftfahrer; Vermögensdelikte bei Buchhalter/ Kassiererin; Sittlichkeitsdelikte bei Ausbildern), soweit nicht schon Tilgung nach Bundeszentralregistergesetz eingetreten ist.

  • Laufendes Ermittlungsverfahren
  • Gesundheitszustand
  • Schulden (z. B. bei Bankangestellten oder wenn Bestechungsgefahr besteht)

Generell unzulässige Fragen

  • Früherer Verdienst des Bewerbers (Ausnahme: Dieser erlaubt den Rückschluss auf die berufliche Qualifikation des Bewerbers)
  • Schwangerschaft: Wenn der Arbeitgeber eine schwangere Bewerberin nicht einstellt, weil sie schwanger ist, verstößt dies gegen das Diskriminierungsverbot (unmittelbare Diskriminierung laut EuGH). Jedoch ist es ausnahmsweise gestattet die Schwangerschaftsfrage zu stellen. Nämlich wenn das Vertragsverhältnis bei bestehender Schwangerschaft überhaupt nicht durchgeführt werden kann, weil sie auf dem Arbeitsplatz Tätigkeiten zu verrichten hat, die nach dem MuSchG einem generellen Beschäftigungsverbot unterliegen und die Frage nach der Schwangerschaft dem gesundheitlichen Schutz der Mutter und des Lebens des ungeborenen Kindes dient (z. B. Nachtarbeit oder angestrebte Labortätigkeit mit infektiösem Material). Außerdem ist eine Frage dann auch zulässig, wenn bei einer Schwangerschaft das Arbeitsverhältnis zwar rechtlich, aber wegen Unmöglichkeit der vertraglich vereinbarten Tätigkeit faktisch nicht durchgeführt werden kann. (z. B. eine Tätigkeit als Mannequin).
  • Fragen nach Religions-, Partei- sowie Gewerkschaftszugehörigkeit (Ausnahmen gibt es bei kirchlichen Einrichtungen und Tendenzbetrieben)
  • Fragen nach Heiratsabsicht oder Familienplanung

Was passiert bei einer schuldhaften Verletzung von Offenbarungspflichten?

Eine schuldhafte Verletzung von Offenbarungspflichten führt zur Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss (§ 280 I BGB). Er muss ihn so stellen, wie dieser stehen würde, wenn er seine Pflicht genügt hätte (Vertrauensschaden). Wenn der Bewerber einen Anspruch gegen den Arbeitgeber geltend macht, muss der Arbeitnehmer nur die objektive Pflichtverletzung des Arbeitgebers darlegen und beweisen (§ 280 I 1 BGB). Der Arbeitgeber muss darlegen und beweisen, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Wenn es dem Arbeitgeber nicht gelingt, wird das Verschulden des Arbeitgebers vermutet (§ 280 I 2 BGB). Anders herum gilt jedoch im Arbeitsrecht eine Beweislastumkehr zugunsten des Arbeitnehmers. Wenn der Arbeitgeber einen Anspruch gegen den Arbeitnehmer geltend macht, so muss der Arbeitgeber nicht nur die objektive Pflichtverletzung des Arbeitnehmers darlegen und beweisen, sondern auch den positiven Nachweis seines Vertretenmüssens erbringen (§ 619a BGB).

Außerdem kann auch eine arglistige Täuschung (§ 123 BGB) vorliegen. Nämlich dann, wenn der Bewerber oder Arbeitgeber offenbarungspflichtige Tatsachen widerrechtlich verschweigen. Der Arbeitsvertrag kann dann angefochten werden.

Darf der Arbeitgeber einen Background-Check im Internet durchführen?

Arbeitgeber versuchen manchmal Erkenntnisse über die Qualifikation, den Charakter, die Interessen, die sozialen Netzwerke wie auch über persönliche (z. B. gesundheitliche) oder sicherheitsspezifische Risiken des Bewerbers durch Background Checks zu erlangen. Dies kann durch Recherche im Internet erfolgen. Einige Arbeitgeber suchen nach Hintergrundformationen über einen Bewerber in den allgemein bekannten und zugänglichen Internet-Suchmaschinen, sowie den im Internet vorhandenen sozialen Netzwerken (z. B. Facebook). Dadurch lassen sich viele Informationen gewinnen.

Diese Art von Recherchen ermöglicht es dem Arbeitgeber häufig, auch Erkenntnisse über den Freundes- und Bekanntenkreis, die politische und religiöse Gesinnung, das Freizeitverhalten oder Jugendsünden zu gewinnen. Nach derzeitiger Rechtslage sind sie grds. nicht verboten. Es handelt sich aber um eine Datenerhebung im Sinne des BDSG (§ 3 III BDSG). D. h., dass nur solche personenbezogenen Daten erhoben, verarbeitet oder genutzt werden dürfen, die für die Entscheidung über die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder für dessen Durchführung erforderlich sind. (§ 32 I 1 BDSG). Außerdem sind die Bewerber nach einem durchgeführten Background Check im Internet hierüber zu informieren (§ 33 BDSG).

Merksatz:

Bei einem Bewerbungsgespräch sollten sie sich merken, dass je weniger eine Frage mit der angestrebten Arbeitsaufgabe bzw. mit einer gesetzlichen Pflicht des Arbeitgebers zu tun hat, desto eher darf der Bewerber eine solche Fragen unrichtig beantworten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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