Einvernehmliche Scheidung nach türkischem Recht

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Die einvernehmliche Scheidung ist in §166/3 tBGB Nr. 4721 geregelt. Nach dieser Vorschrift:

„gilt die Ehe als unheilbar zerrüttet, wenn die Ehe mindestens ein Jahr gedauert hat, die Ehepartner gemeinsam die Scheidung beantragen und der andere Ehegatte der Scheidung zustimmt. Um die Ehe zu scheiden, ist es erforderlich, dass das Gericht beide Parteien persönlich hört und dass diese ihren Willen zur Scheidung erklären sowie dass sie sich über die Folgen der Scheidung, insbesondere über die Aufteilung des Vermögens sowie über die Kindesobsorge einig sind und dass dies in einem Protokoll festgelegt wird. Zur Wahrung der Interessen der Kinder und der Parteien kann der Richter Änderungen dieser Vereinbarung vornehmen. Sollten diese  Änderungen von den Parteien akzeptiert werden, wird die Ehe geschieden.“

Dementsprechend sind die Voraussetzungen für eine einvernehmliche Scheidung:

  • die Ehe der Parteien muss mindestens ein Jahr gedauert haben (gemeinsam oder getrennt)
  • einer der Ehegatten hat die einvernehmliche Scheidung bei Gericht zu beantragen
  • die Parteien müssen vor Gericht ihren Willen zur einvernehmlichen Scheidung erklären

Bei Fehlen eines dieser Voraussetzungen kann die Klage zur einvernehmlichen Scheidung nicht erhoben werden bzw. wir die erhobene Klage abgewiesen.

Form des Protokolls über die einvernehmliche Scheidung:

Bei der einvernehmlichen Scheidung handelt es sich um ein Verfahren, bei denen sich beide Ehegatten über die durch das Gesetz bestimmten Angelegenheiten einigen können. Daher wird der Status der Ehegatten ausschließlich nach ihren Vereinbarungen bestimmt. Damit das Protokoll wirksam ist, ist es erforderlich,

  •  dass es schriftlich abgefasst wird und
  •  dass jede Seite von beiden Ehegatten unterschrieben wird.

Widrigenfalls ist die Vereinbarung oder das Protokoll ungültig; die einvernehmliche Scheidung kann sodann nicht auf dessen Grundlage gestützt werden. Daher ist eine einvernehmliche Scheidung ausgeschlossen.

Das Protokoll muss zwingend zweifellose Bestimmungen über folgende Punkte beinhalten;

  • Sorgerecht: wer das Sorgerecht der Kinder erhält
  • Umgangsrecht: an welchen Tagen bzw. zu welcher Uhrzeit ein Kontaktrecht jenes Partners und/oder Verwandten besteht, der das Sorgerecht der Kinder nicht erhält
  • Ehegattenunterhalt: ob ein Ehegatte Ehegattenunterhalt erhält und die Höhe des Unterhalts bzw. die genaue Festlegung des Prozentsatzes der jährlichen Erhöhung.
  • Kindesunterhalt: die Höhe des Unterhalts bzw. die genaue Festlegung des Prozentsatzes der jährlichen Erhöhung
  • Schadenersatz: ob ein Ehegatte materiellen bzw. immateriellen Schadenersatz erhält und sofern ein Schadenersatz vorgesehen ist, die Bestimmung der genauen Höhe
  • ggf. Änderung des Nachnamens der Ehefrau: ob die Ehefrau seinen Ehenamen weiterführen möchte

Die rechtliche Unterstützung durch einen Rechtsanwalt ist ratsam, um in diesem Fall Mängel, Gesetzesverstöße zu vermeiden und um eine Einigung zwischen den Ehepartnern zu erreichen.

Die Regelung bezüglich des Zugewinnausgleichs keine zwingende Voraussetzung für eine einvernehmliche Scheidung. Binnen einer Frist von 10 Jahren nach Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses kann eine Klage zum Zugewinnausgleich durch die Parteien vorgenommen werden.

Welches Gericht ist für die einvernehmliche Scheidung sachlich und örtlich zuständig? 

Das Familiengericht ist für die einvernehmliche Scheidung sachlich zuständig. Sofern in einem Gerichtssprengel kein Familiengericht vorhanden ist, entscheidet das Amtsgericht als Familiengericht über die Scheidung.

Die Klage kann bei jenem Familiengericht eingebracht werden, in dessen Sprengel einer der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat oder in dessen Sprengel die Ehegatten in den letzten 6 Monaten ihren gewöhnlichen gemeinsamen Aufenthalt hatten. Es handelt hier um keinen ausschließlichen Gerichtsstand, d. h., selbst wenn die Klage bei einem unzuständigen Gericht eingebracht wird und der Beklagte keine Einrede erhebt, erfolgt keine Abweisung der Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit. Das Gericht wird dann örtlich zuständig und das Verfahren wird vor diesem Gericht fortgesetzt.

Wir erfolgt die Einleitung einer Einvernehmlichen Scheidung? 

In der Praxis wird die einvernehmliche Scheidung mit einer Klageschrift und dem Scheidungsprotokoll im Anhang bei Gericht eingereicht. Das Protokoll muss den Willen und die Unterschrift beider Ehegatten beinhalten. Allerdings wird die Klage durch nur einen Ehegatten erhoben. Es ist irrelevant, welcher der Ehegatten die Klage einreicht. Dies führt zu keinem Vor- bzw. Nachteil für die klagende bzw. für die beklagte Partei. Bei einer einvernehmlichen Scheidung spielt das Verschulden der Ehegatten bzw. Gründe für die Beendigung der Ehe keine Rolle. Es wird nur über die Rechtsfolgen der Scheidung entschieden. Je nach dem Ort variiert die Anberaumung der mündlichen Verhandlung. Wird die Klage z. B. in Izmir eingereicht, erfolgt die Anberaumung der mündlichen Verhandlung 1 Monat nach dem Einreichen der Klage. Sofern die Parteien schriftlich erklären, dass sie auf die Berufung gegen den Beschluss verzichten, wird der Beschluss gleich rechtskräftig.

Die rechtliche Unterstützung durch einen Rechtsanwalt bei einer einvernehmlichen Scheidung in der Türkei, insbesondere für das richtige, gesetzesmäßige Verfassen einer Klageschrift und des Protokolls, ist empfehlenswert, vor allem wenn die Ehegatten im Ausland wohnhaft sind. Widrigenfalls kann das Scheidungsverfahren, das in einer Verhandlung beendet werden könnte, bis zu drei Verhandlungen dauern oder sogar zu einem strittigen Scheidungsverfahren werden. Dies führt für beide Ehegatten zu Zeitverlusten; hohe Kosten und körperliche und geistige Belastungen sind ebenfalls damit verbunden.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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