Entschädigung wegen coronabedingten Lockdowns - Entscheidung des LG Hannover -

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Die 8. Kammer des Landgerichts Hannover hat sich als eines der ersten. Gerichte mit einer Klage wegen Entschädigung aufgrund des coronabedingten Lockdown zu befassen gehabt. Die Entscheidung wurde nunmehr aufgrund ihrer besonderen Bedeutung in Form einer Pressemitteilung veröffentlicht.

Die Kammer hat sich im Bewusstsein ihrer „Vorreiterrolle“ sehr ausführlich und gründlich mit allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen auseinandergesetzt und die Klage abgewiesen.

Es gibt keine Anspruchsgrundlage für einen Entschädigungsanspruch aufgrund des coronabedingten Lockdown , auf welche sich ein Gewerbetreibender berufen könne.

Die Entscheidung gestaltet sich inhaltlich fast wie ein rechtswissenschaftlicher Diskurs, sodass hier nur tragenden Urteilsgründe kurz zusammengefasst und – hoffentlich – auch für den Laien verständlich dargelegt werden können:

1.

Anspruchsgrundlagen ausdem Infektionsschutzgesetz – insbesondere §§ 56,65 – scheiden aus, da bereits die dort genannten Voraussetzungen ihrem Wortlaut nach nicht vorliegen.

Weder war der klagende Gewerbetreibende selber erkrankt – und damit ein Gefahrenherd für andere –, noch gehört der Kläger den anderen in den Vorschriften genannten Personenkreisen – als Gewerbetreibender – an.

Auch gibt es in dem Gesetz eine klare Trennung zwischen Maßnahmen der Verhütung und der Bekämpfung einer Infektion (sogenanntes Exklusivitätsverhältnis). Ersatzansprüche seien nur im Falle von Maßnahmen der Verhütung geregelt. Die Anordnung zur teilweisen Schließung von Gewerbebetrieben (Verkaufsgeschäften, Gaststätten etc.) sei dagegen eine Maßnahme der Infektionsbekämpfung gewesen und auch so von dem Land Niedersachsen deklariert worden. Für Maßnahmen der Bekämpfung gibt es in dem Gesetz keine Anspruchsgrundlage für Ersatz wegen der Folgen derartiger Maßnahmen.

2.

Auch eine entsprechende – sinngemäße – Anwendung der zu Ziffer 1 genannten Anspruchsgrundlagen kommt nicht in Betracht. Dieser Rechtsgedanken setzt voraus, dass es eine sogenannte planwidrige – vom Gesetzgeber nicht gewollte – Regelungslücke im Infektionsschutzgesetzes gibt.

Die Kammer liegt hierzu sehr ausführlich unter Einbeziehung der historischen und aktuellen gesetzgeberischen Willenskundgebungen in Form des Bundesseuchengesetzes (1961/1979), des Infektionsschutzgesetzes sowie aktueller Ergänzungen des Infektionsschutzgesetzes noch während der Corona Pandemie in überzeugender Weise dar, dass der Gesetzgeber durchaus die Möglichkeit einer entsprechenden Regelung gehabt hat, von dieser Möglichkeit aber bewusst nicht Gebrauch machen wollte.

3.

Rechtsgrundlagen aus dem allgemeinen Polizeirecht sind nicht einschlägig, da der zu Grunde liegenden Sachverhalte in dem Infektionsschutzgesetzes als spezielles Gefahrenabwehrsrecht – abschließend – geregelt ist und damit dieses die Anwendbarkeit des allgemeinen Polizeirechts sperrt.

4.

Schließlich:

Ansprüche aus enteigenem Eingriff kommen nach ständiger Rechtsprechung dann infrage, wenn an sich rechtmäßige hoheitliche Maßnahmen bei einem Betroffenen unmittelbar zumeist atypischen Beeinträchtigungen führen, die er aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen hinnehmen muss, welche aber die Schwelle des enteignungsrechtlich Barren übersteigen.

Auch Ansprüche aus enteignenden Eingriff sieht die Kammer als nicht begründet an:

Zwar spreche viel für einen Eingriff in das grundgesetzlich geschützte Eigentumsrecht (Art. 14 GG). Die Maßnahme, d. h. die entsprechenden Verordnungen der Landesregierung zur Bekämpfung der Corona – Pandemie, seien aber rechtmäßig (in diesem Zusammenhang nochmals ein ausführlicher Hinweis auf den Beschluss des OVG Lüneburg vom 16.4.2020; 13 N 60/20). Auch fehle es hier an dem erforderlichen individuellen Sonderopfer.

Das Rechtsinstitut des enteignenden Eingriffs diene nicht dazu, generelle und typische Folgen einer in einem formellen Gesetz enthaltenen oder auch auf einem formellen Gesetz beruhenden Inhalts – oder Schrankenbestimmung finanziell abzugelten. Die Gewährung von derartigen Ausgleichsansprüchen durch die Zivilgerichte würde im Ergebnis dem Haushaltsgesetzgeber die Entscheidungskompetenz aus der Hand nehmen, wie, wofür und in welchem Umfang er in einer nationalen Krisensituation die begrenzten staatlichen Mittel einsetzt. Wegen des damit verbundenen Verstoßes gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung stehe den Gerichten die Möglichkeit einer derartigen „Rechtsfortbildung“ nicht zu.

Zusammenfassend:

Diese Entscheidung des Landgerichts wird voraussichtlich in Rechtskraft erwachsen, da der Tagespresse zu entnehmen war, dass der Kläger voraussichtlich eine Berufung gegen dieses Urteil – aus Kostengründen – nicht führen wird. Somit bleibt es abzuwarten, ob es im Zuge anderer Verfahren noch zu Entscheidungen eines Oberlandesgerichts oder sogar des BGH kommt.

Das Landgericht Hannover hat jedenfalls eine sehr fundierte und inhaltlich überzeugende Grundlage für den weiteren rechtlichen Diskurs geschaffen. Inhaltlich wird es m.E. letztendlich zu keinen abweichenden Entscheidungen kommen.

Die betroffenen Gewerbetreibenden haben somit zwar die Möglichkeit für die Betriebskosten die Hilfsprogramme der Länder und des Bundes in Anspruch zu nehmen. Darüber hinaus wird aber insbesondere eine Erstattung des entgangenen Unternehmerlohns, d. h. des Gewinns, weder über diese Hilfsprogramme noch nach allgemeinen rechtliches Erwägungen – s. Landgericht Hannover – beansprucht werden können.



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