Erkennungsdienstliche Behandlung - § 81b StPO

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Soweit es für die Zwecke der Durchführung des Strafverfahrens oder für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist, dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden (§ 81b StPO). Wann ist § 81b StPO - zeitlich - anwendbar? Die Anwendbarkeit des § 81b Alt. 1 StPO setzt die Beschuldigteneigenschaft eines Verdächtigen voraus. Beschuldigter ist hierbei ein Tatverdächtiger, gegen den das Verfahren als Beschuldigter betrieben wird, beispielsweise durch Einleitung eines förmlichen Ermittlungsverfahrens. Die Beschuldigteneigenschaft wird beendet durch ein Urteil oder eine Verfahrenseinstellung, §§ 170 II, 153ff, 206a StPO.

Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 StPO hingegen dienen der polizeilichen Prävention und sind demnach in der - sonst nur restriktiven Zwecken dienenden - Strafprozessordnung dogmatisch falsch platziert. Ein wesentlicher Unterschied zu der ersten Alternative besteht darin, dass die Maßnahmen auch dann noch zulässig sind, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wurde bzw. der Beschuldigte rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist (hieran wird die präventive Ausrichtung deutlich).

Da Kinder mangels Strafmündigkeit keine formelle Beschuldigteneigenschaft erlangen können, sind Maßnahmen gegen sie gemäß § 81b StPO generell unzulässig. Welche Maßnahmen sind zulässig? Die wichtigsten Maßnahmen - Anfertigung von Lichtbildern und Abnahme von Fingerabdrücken - sind in der Norm selbst benannt. Zulässig ist auch das gesonderte Festhalten von besonderen Körpermerkmalen, wie beispielsweise Tätowierungen oder einzelnen Körperstellen. Nicht unter die Norm fällt die Speicherung von bestimmten sozialen Verhaltensweisen eines Betroffenen oder die Registrierung innerer Zustände, wie beispielsweise die Messung von Atem- oder Pulsbewegungen. Die Entnahme einer Sprachprobe zur Feststellung phonetischer oder logopädischer Eigenheiten ist ebenfalls unzulässig.

Wichtig: Zur Vorbereitung der Maßnahme kann auch die Veränderung des äußeren Erscheinungsbildes angeordnet und gegebenenfalls zwangsweise durchgeführt werden, beispielsweise das Entfernen und Aufsätzen einer Perücke bzw. das Entfernen von Schminke. Ebenso die Veränderung des Haupthaares bzw. der Gesichtsbehaarung. Dies gilt jedoch - unter Berücksichtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts - sicherlich nicht uneingeschränkt.

Beachte: Zur Durchsetzung der Maßnahmen ist die Anwendung von unmittelbarem Zwang zulässig, ein bestimmtes Verfahren ist - ebenso wie die Gewährung von rechtlichem Gehör - hier nicht vorgeschrieben. Wird der Beschuldigte zwangsweise zur Polizeibehörde gebracht und dort bis zur Erledigung festgehalten, liegt hierin weder eine Freiheitsentziehung im Sinne des Art. 104 II S.1 GG, noch einer vorläufige Festnahme nach § 127 II StPO.

Beachte außerdem: Die Anordnungskompetenz für Maßnahmen nach § 81b Alt. 2 StPO liegt ausschließlich bei der Kriminalpolizei (OVG Münster NJW 72, 2147). Wird die Maßnahme durch einen Beamten des Polizeidienstes angeordnet, fehlt es hier bereits an der sachlichen Zuständigkeit. Was bedeutet „soweit notwendig"? Die Notwendigkeit im Rahmen des § 81b Alt. 1 StPO bestimmt sich nach der Sachaufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO. Ob erkennungsdienstliche Maßnahmen im Sinne des § 81b Alt. 2 StPO notwendig sind, bestimmt sich nach den Umständen des Einzelfalles.

Praxistipp: Wird eine Maßnahme nach § 81b Alt. 2 StPO gegen einen Mandanten angeordnet, empfiehlt es sich zunächst, Einsicht in die Ermittlungsakte zu nehmen und bei der anordnenden Stelle zugleich eine Zurückstellung der Anordnung zu beantragen. Denn erkennungsdienstliche Maßnahmen dienen nicht der Überführung eines Beschuldigten, sondern der vorsorglichen Bereitstellung von Hilfsmitteln zur künftigen Aufklärung von Straftaten. Die Maßnahmen sind somit rein präventiver Natur. Maßgeblich für die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme ist demnach die Erwartung, dass der Beschuldigte auch in Zukunft weitere Straftaten begehen wird. Entscheidend ist also, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschuldigte erneut straffällig werden könnte. Bei offensichtlichem Fehlen einer Wiederholungsgefahr sind die Maßnahmen bereits unzulässig. An dieser Stelle ist es dann Aufgabe des Rechtsanwalts, gegenüber der anordnenden Stelle darzulegen, warum eine Wiederholungsgefahr gerade nicht gegeben ist.

Welche Rechtsbehelfe gibt es gegen die Maßnahmen?

Gerichtliche Anordnungen im Rahmen des Strafverfahrens - also Maßnahmen nach § 81b Alt. 1 StPO - sind mit der Beschwerde nach § 304 I StPO anfechtbar. Maßnahmen von Polizei und Staatsanwaltschaft können ebenfalls einer gerichtlichen Überprüfung unterzogen werden, § 98 II analog StPO.

Gegen Maßnahmen für erkennungsdienstliche Zwecke (also solche nach § 81b Alt.2 StPO) steht der Verwaltungsrechtsweg offen. Wichtig: Die Anfechtungsklage nach § 42 VwGO ist bereits gegen die Aufforderung zulässig, sich zum Zweck der erkennungsdienstlichen Behandlung bei der Polizei einzufinden.

Fazit: Häufig erhält der Betroffene die Ladung zu erkennungsdienstlichen Behandlung bereits kurze Zeit nach der Vorladung zur Beschuldigtenvernehmung. Ist zu diesem Zeitpunkt noch keine Akteneinsicht erfolgt, sollte bei den Behörden eine Rückstellung des Antrags bis zum Zeitpunkt der Akteneinsicht angeregt werden, um ein eventuelles Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu vermeiden.

Nach Akteneinsicht sollte dann gegenüber den Ermittlungsbehörden - zumindest nach der Erfahrung des Unterzeichners - die Notwendigkeit der Maßnahme mit guten Argumenten bezweifelt werden.

Bei weiteren Fragen zur erkennungsdienstlichen Behandlung: 0201 - 799 160 04 oder info@ra-odebralski.de.


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