EuGH eröffnet Nachzahlungsansprüche für Mehrarbeitszuschläge

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Arbeitnehmern könnten Ansprüche auf Nachzahlung von Mehrarbeitszuschlägen (auch Überstundenzuschläge genannt) in Monaten zustehen, in denen sie zwar mehr als ihre regelmäßige Arbeitszeit gearbeitet haben, die Schwelle für Mehrarbeitszuschläge wegen genommener Urlaubstage jedoch nicht überschritten worden ist. Eine  Regelung im Manteltarifvertrag vom 17.09.2013, abgeschlossen zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmen iGZ e.V. und verschiedenen Mitgliedsgewerkschaften des DBG, welche die Urlaubstage bei der Ermittlung der Schwelle für Mehrarbeitszuschläge unberücksichtigt lässt, hat der Europäische Gerichthof („EuGH“) in einer Entscheidung vom 13.01.2022 für unwirksam erklärt. Der EuGH hat entschieden, dass die Nichtberücksichtigung von Urlaubstagen bei der Ermittlung, ob der Arbeitnehmer Mehrarbeit oder Überstunden geleistet hat und diese mit einem Zuschlag zu vergüten sind, nicht mit europäischem Recht übereinstimmt.

Der besagte Manteltarifvertrag enthält folgende Passagen:

„3.1.1.      Die individuelle regelmäßige monatliche Arbeitszeit beträgt für Vollzeitbeschäftigte 151,67 Stunden. …

3.1.2.            Die individuelle regelmäßige Arbeitszeit pro Monat richtet sich nach der Anzahl der Arbeitstage. In Monaten mit …

–        23 Arbeitstagen beträgt die Monatsarbeitszeit 161 [Stunden].

4.1.2     Mehrarbeitszuschläge werden für Zeiten gezahlt, die in Monaten mit …

–        23 Arbeitstagen über 184 geleistete [Stunden] hinausgehen.

Der Mehrarbeitszuschlag beträgt 25 Prozent.

…“

Im August 2017, auf den 23 Arbeitstage entfielen, arbeitete der Betroffene an den ersten 13 Arbeitstagen des Monats 121,75 Stunden und nahm für die verbleibenden zehn Tage bezahlten Jahresurlaub, der 84,7 Arbeitsstunden entsprach. Der Arbeitgeber hat bei der Ermittlung, ob ein Mehrarbeitszuschlag zu zahlen ist, diese Urlaubstage nicht berücksichtigt, mit der Folge, dass ein Überstundenzuschlag nicht zu zahlen war. Sofern der Arbeitgeber die Urlaubstage berücksichtigt hätte, wären für den Monat insgesamt 206,45 Stunden angefallen, mit der Folge, dass die Schwelle für einen Mehrarbeitszuschlag (184 Stunden) überschritten und ein Mehrarbeitszuschlag von 22,45 Stunden zu zahlen gewesen wäre.

Der EuGH hat nun entschieden, dass die Urlaubstage grundsätzlich berücksichtigt werden müssen. Die zitierte Regelung in dem Manteltarifvertrag könnte einen Arbeitnehmer davon abhalten, Urlaub zu nehmen oder diesen zu einem späteren Zeitpunkt zu nehmen. Somit besteht ein Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag für 22,45 Stunden.  

Praxistipp für Arbeitnehmer:

Wichtig für Arbeitnehmer ist, dass die angegriffene Regelung sehr wahrscheinlich auch unwirksam sein wird, wenn sie in anderen Tarifverträgen oder im jeweiligen Arbeitsvertrag vereinbart wurde. Zum Beispiel ist die angegriffene Regelung auch im aktuellen Manteltarifvertrag zwischen dem Interessenverband Deutscher Zeitarbeitsunternehmer iGZ e.V. und verschiedenen Mitgliedsgewerkschaften des DGB enthalten ist. Sofern auf Ihr Arbeitsverhältnis dieser Manteltarifvertrag anwendbar ist – sei es durch Bezugnahme in Ihrem Arbeitsvertrag, sei es, weil Ihr Arbeitgeber und Sie jeweils Mitglieder der Tarifpartner sind – oder eine entsprechende Regelung in Ihrem Arbeitsvertrag oder in einem anderen auf Ihr Arbeitsverhältnis anwendbaren Tarifvertrag enthalten ist, könnte für Sie ein Nachzahlungsanspruch bestehen, ggf. auch für die letzten drei Jahre.   

Haben Sie Beratungsbedarf? Sie möchten einen etwaigen Nachzahlungsanspruch für Mehrarbeitszuschläge prüfen lassen? Kontaktieren Sie mich gern telefonisch oder per E-Mail oder über unser Kontaktformular auf unserer Internetpräsenz.

Meine Kernkompetenzen liegen in den Bereichen Arbeitsrecht sowie Handels- und Gesellschaftsrecht. Ich berate Mandanten im gesamten Bundesgebiet, gerichtlich und außergerichtlich.  


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