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Europawahl - mehrfach wählen ist strafbar

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Der Chefredakteur der ZEIT, Giovanni di Lorenzo, der die deutsche und italienische Staatsbürgerschaft besitzt, hat gestern bei Günther Jauch zur besten Sendezeit erzählt, dass er zwei Stimmen bei der Europawahl abgegeben hat – einmal für Deutschland in einer Hamburger Grundschule und einmal für Italien im italienischen Konsulat.

Mögliche Wahlfälschung offenbart

Aus Sicht der geringen Wahlbeteiligung bei den Wahlen zum Europäischen Parlament ist so viel Wahlbegeisterung erfreulich. Aus strafrechtlicher Sicht stellt sie für den Journalisten ein Problem dar, weil § 107a Strafgesetzbuch (StGB) diese Mehrfachwahl unter Strafe stellt. Wer unbefugt wählt, begeht demnach eine Wahlfälschung. Und dieses „unbefugt“ ergibt sich aus § 6 Abs. 4 des Europawahlgesetzes (EuWG). Demnach darf jeder sein Wahlrecht nur einmal und nur persönlich ausüben. Das gilt auch für Wahlberechtigte, die zugleich in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zum Europäischen Parlament wahlberechtigt sind. Wer die Staatsbürgerschaft mehrerer EU-Staaten besitzt, muss also aufpassen. Immerhin drohen Wahlfälschern bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Doch wie riskant und vorwerfbar ist derartiges Fehlverhalten bei der Europawahl?

Mehrfache Hinweise auf einmalige Stimmabgabe

Fest steht: Unionsbürger können ihre Stimme statt in ihrem Heimatland auch in der Bundesrepublik abgeben, wenn sie hierzulande oder in einem der übrigen EU-Mitgliedstaaten seit mindestens drei Monaten eine Wohnung innehaben oder sich sonst gewöhnlich aufhalten. Auf ihren Antrag hin können ausländische EU-Bürger sich dann in das inländische Wählerverzeichnis eintragen lassen. Wer das bereits bei der letzten Europawahl 2009 getan hat und zwischenzeitlich nicht aus Deutschland weggezogen ist, wurde ohne erneuten Antrag von Amts wegen in das Verzeichnis eingetragen.

Mit dem Antrag versichert dabei jeder an Eides statt unter anderem, dass er  sein Wahlrecht für die Wahlen zum Europäischen Parlament nur in der Bundesrepublik Deutschland ausüben wird. Das Merkblatt zum Antrag weist auf die strafbare mehrfache Wahlteilnahme nochmals hin. Mitgliedstaaten sollen dabei laut Europawahlordnung zusätzlich Informationen austauschen, die eine mehrfache Stimmabgabe verhindern. Der Wahlleiter muss den Herkunftsmitgliedstaat über den Auslandswähler informieren. Dieser ist wiederum verpflichtet, eine doppelte Stimmabgabe mittels geeigneter Maßnahmen zu verhindern. In der Praxis funktioniert das aufgrund verschiedener Meldesysteme in den EU-Staaten und unter anderemeines fehlenden europäischen Wahlregisters aber eher schlecht als recht.

Die Notwendigkeit eines Antrags entfällt von vornherein für Bürger mit einer mehrfachen Staatsbürgerschaft. Sie erhalten ihre Wahlbenachrichtigung in Deutschland so wie jeder andere aufgrund ihrer deutschen Staatsangehörigkeit. Zudem können sie ihre Stimme in diplomatischen Vertretungen der Länder, denen sie sonst noch angehören, hierzulande abgeben. Meist erhalten sie dazu eine weitere Wahlbenachrichtigung ihres jeweiligen Landes und können dort ebenfalls wählen, müssten sich aber für eine der Möglichkeiten entscheiden. Darauf weisen die Wahlbenachrichtigungen auch hin. Eine ausreichende Kontrolle durch die entsprechenden Stellen scheint aber Mangelware zu sein. Das gilt sowohl für Bürger mit mehreren Pässen als auch für all jene mit nur einer Staatsangehörigkeit, die zusätzlich von ihrem Recht im EU-Ausland wählen zu dürfen, Gebrauch machen. Letztere dürften dabei aber wohl kaum irrtümlich davon ausgehen, dass sie plötzlich zwei oder mehr Stimmen haben.

Keine Kontrolle und fehlender Informationsaustausch

Wer sich also über die Hinweise hinwegsetzt und trotzdem mehrere Stimmen abgibt, hat mangels effektiver Kontrolle und Informationsaustausch zwischen den Staaten gute Karten, nicht erwischt zu werden. Grund für die laxe Handhabung ist dabei sicher das falsche Verständnis, dass gerade die Anzahl der einschlägigen Wähler mit mehreren Staatsangehörigkeiten im Vergleich zur Gesamtwählerzahl von mehreren Hundert Millionen doch wenig ins Gewicht fällt und der notwendige Aufwand sich nicht lohnt. Auf dem Spiel steht dabei aber die Wahlgleichheit als einer der wichtigsten Wahlgrundsätze. Obendrein kommt bei der Europawahl das wegen stark unterschiedlicher Stimmgewichte der einzelnen Mitgliedstaaten ohnehin beklagte Demokratiedefizit hinzu. Es ist kein Ruhmesblatt, dass die Mitgliedstaaten die Wahlorganisation seit der ersten Europawahl 1979 und des immerhin auch schon seit 1992 bestehenden Unionsbürgerwahlrechts hier immer noch nicht im Griff haben. Das gleiche gilt für die Kenntnisse des Wahlrechts, das die an der Talkshow beteiligten Politiker gezeigt haben. Für den einzelnen Wähler ist es hingegen ein bisschen wie beim Schwarzfahren: Als Betroffener sollte man sich nicht erwischen lassen und am besten nicht darüber reden. Falls es doch passiert ist, kann man nur hoffen, dass das Gericht einen Irrtum über die Wahlbefugnis anerkennt. Denn dieser schließt den zur Wahlfälschung notwendigen Vorsatz aus.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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