Fahrerlaubnisbehörde darf Fahrerlaubnisentzug nicht allein von MPU-Gutachten abhängig machen

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Der Kläger erhielt am 28.08.1987 die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L. Wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr nach §§ 316 Abs. 1 und Abs. 2, 69, 69a StGB wurde gegen den Kläger mit einem Strafbefehl eine Geldstrafe i. H. v. 30 Tagessätzen zu je 25,- € verhängt, die Fahrerlaubnis entzogen und eine Sperre für die erneute Neuerteilung der Fahrerlaubnis von sechs Monaten angeordnet. Begründet wurde dies damit, dass der Kläger ein Kraftfahrzeug geführt habe, obwohl er infolge des Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Die ihm zwei Stunden später entnommene Blutprobe hatte eine Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille ergeben.

Sieben Monate später beantragte der Kläger die Neuerteilung der Fahrerlaubnis für die Klassen AM, B und L. Daraufhin wurde dem Kläger gem. § 20 Abs. 1 FeV i. V. m. § 13 S. 1 Nr. 2d FeV unter Hinweis auf den rechtskräftigen Strafbefehl und unter Fristsetzung bis zum 20.04.2016 angeordnet, ein Gutachten einer amtlich anerkannten medizinisch-psychologischen Untersuchungsstelle (MPU) über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen vorzulegen. Das Gutachten sollte Klarheit darüber verschaffen, ob zu erwarten sei, dass der Kläger auch künftig Kraftfahrzeuge unter Alkohol führen oder ob sein Alkoholkonsum das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs beeinträchtigen würde. Des Weiteren wurde darauf verwiesen, dass im Falle einer Weigerung von Seiten des Klägers sich einem Gutachten zu unterziehen, auf eine Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werde.

Der Kläger brachte dagegen vor, dass von seiner Seite weder ein Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille vorlag noch ein wiederholtes Handeln, welches Anzeichen für Alkoholmissbrauch nahelegen würde, noch seien sonstige Tatsachen ersichtlich, die eine Annahme von Alkoholmissbrauch begründen könnten.

Der Kläger bekam daraufhin die Antwort, dass die Aufforderung zur Vorlage eines MPU-Gutachtens aufrechterhalten bleiben würde. Weil der Kläger in der Folgezeit nicht der Aufforderung nachkam, ein MPU-Gutachten vorzulegen, wurde der Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 27.04.2016 abgelehnt. Nach § 20 Abs. 1 in Verbindung mit § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d FeV sei ein MPU-Gutachten beizubringen, wenn die Fahrerlaubnis aus einem der unter Buchstaben a bis c genannten Gründe entzogen worden sei. Dies sei vorliegend der Fall, da der Kläger mit rechtskräftigem Strafbefehl wegen Trunkenheit im Straßenverkehr (Blutalkoholkonzentration: 1,1 ‰, – Tattag: 22.04.2015) verurteilt wurde. Aus der Weigerung des Betroffenen, eine MPU durchführen zu lassen oder ein Ergebnis der MPU vorzulegen, dürfe von der Fahrerlaubnisbehörde auf die Ungeeignetheit zum Führen von Kraftfahrzeugen geschlossen werden.

Der Kläger erhob daraufhin beim Verwaltungsgericht Klage mit der Begründung, dass die mittlerweile in Teilen der obergerichtlichen Rechtsprechung vertretene und der Widerspruchsentscheidung zugrunde gelegte Auslegung des § 13 FeV, nach welchem allein der Entzug der Fahrerlaubnis im Strafverfahren für die Anordnung einer MPU ausreiche, weder im Wortlaut noch anhand sonstiger Auslegungsregeln eine Stütze fände. Vielmehr müsse eine Klärung durch das Bundesverwaltungsgericht erfolgen, da keine eindeutige Gesetzesformulierung vorläge.

Eindeutig sei nur, dass § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d FeV lediglich einen Verweis auf die Buchstaben a bis c enthalte. Allein aus einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit 1,1 ‰ sei der Schluss auf Anzeichen für einen Alkoholmissbrauch nicht zulässig. Alkoholmissbrauch gehe über die bloße Wiedergabe einer Promillezahl hinaus. Es müssten weitere Umstände hinzutreten, wie dies auch im Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.03.2013 – 3 C 6/12 – der Fall gewesen sei. Derartige Anzeichen lägen jedoch bei dem Kläger nicht vor. Aus diesem Grunde wurde der Begriff des Alkoholmissbrauchs fehlerhaft auf ihn übertragen.

Der eindeutige gesetzgeberische Wille, der sich in § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe c FeV wiederfindet, sagt aus, dass erst beim Führen eines Kraftfahrzeuges mit mehr als 1,6 ‰ im Blut bei einer erstmaligen Fahrt unter Alkoholeinfluss ein MPU-Gutachten beizubringen sei.

Der Kläger machte sodann geltend, dass er einen berechtigten Anspruch auf Erteilung der Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L ohne Nachweis seiner Fahreignung durch ein MPU-Gutachten habe.

Die vom Verwaltungsgericht zitierte entgegenstehende Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei seit den Urteilen des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.04.2017 (3 C 24.15 und 3 C 13.16) überholt. Danach dürfe die Fahrerlaubnisbehörde nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt und einer Blutalkoholkonzentration von weniger als 1,6 ‰ die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis nicht allein wegen der Trunkenheitsfahrt von der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens abhängig machen.

Anders wäre es nur dann, wenn zusätzliche Tatsachen die Annahme künftigen Alkoholmissbrauchs begründeten. Fallbezogen gebe es keine diesbezüglichen Anhaltspunkte.

Die beklagte Behörde wurde daraufhin verpflichtet, dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L bei Nachweis der sonstigen Voraussetzungen des § 20 Abs. 1 und 2 FeV neu zu erteilen.

OVG, Urteil vom 04.07.2018

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Sven Skana

Fachanwalt für Verkehrsrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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