FAQ zu Umgangsrecht und der Corona Kontaktsperre

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Wir haben aus den vielen Anfragen, die uns erreichen die FAQs herausgefiltert. Wir möchten versuchen Ihnen eine Antwort zu geben. Wir bitten aber zu bedenken, dass wir hier auch rechtlich in vielen Fällen völliges Neuland betreten. Wie die Gerichte hinterher letztlich entscheiden, ist schwer zu beantworten.

Findet Umgang trotz Coronavirus und Kontaktsperre statt?

Grundsätzlich ja. Die uns bekannten Allgemeinverfügungen (zum Beispiel Niedersachsen und Bayern) beinhalten klare Ausnahmen der Kontaktsperre für familiäre Angelegenheiten wie Umgang. Die Regeln sollen ja auch nicht jeglichen Kontakt verhindern, sondern verzichtbare Kontakte vermeiden. Die Allgemeinverfügungen sind mithin eindeutig kein Grund den Umgang nicht durchzuführen. Kontaktsperre verbietet Umgang nicht.

Fällt der Umgang bei Kontaktsperre wegen jeder Krankheit des Kindes aus?

Nein. Bei Krankheit gilt prinzipiell, dass der Umgang nur dann ausfällt, wenn das Kind transportunfähig krank ist. Und in diesem Fall ist es immer eine gute Idee, den Arzt dies attestieren zu lassen. 

Darf in der Corona Epidemie wegen Gesundheitsgefahren der Umgang oder die Rückgabe des Kindes aus dem Umgang verweigert werden?

Ja, soweit es nicht nur um Ängste und unterschiedliche Einschätzungen der Standards von häuslicher Isolation geht, sondern um objektive Gefahren.

Unserer Meinung nach müssen drei Voraussetzungen gegeben sein:

  • Im eigenen Haushalt (es zählt nur der Personenkreis, der wirklich im Haushalt lebt) ist eine Person, die besonders gefährdet ist (s. u.)
  • Im anderen Haushalt werden die notwendigen Quarantänestandards nicht eingehalten (was „notwendig“ ist bestimmt sich nach dem Ausmaß der Gefahr für die gefährdete Person.
  • Die entsprechenden Standards können im eigenen Haushalt eingehalten werden.

In der aktuellen Situation gilt wegen der besonderen Gefahren der Corona-Pandemie unter bestimmten Umständen, dass die vereinbarten oder gerichtlich angeordneten Umgangsregeln auszusetzen sind. Niemand muss sich wegen Umgangs in Lebensgefahr bringen.

Daher gilt, dass in Familien mit besonders hohem Risiko für einen der Familienmitglieder eine Aussetzung des Umgangs angemessen sein kann. Ist ein Familienmitglied im Haushalt besonders gefährdet (immununterdrückende Medikation, vergangene Organtransplantationen, Lungenkrankheit etc.) oder ist der andere Elternteil oder eines der Mitglieder seines Haushalten innerhalb der letzten 14 Tage aus einem Hochrisikogebiet zurückgekehrt (Italien, Kreis Heinsberg, China) und wird im Haushalt des anderen Elternteils keine strikte Quarantäne (sehr streng) eingehalten, so darf der Umgang ausgesetzt werden, bzw. die Rückgabe verweigert werden.

Eine Verweigerung der Rückgabe setzt dabei normalerweise voraus, dass noch gemeinsames Aufenthaltsbestimmungsrecht besteht.   

Ein Ordnungsgeld kann dann nur verhängt werden, wenn die Aussetzung des Umgangs vorwerfbar war.

Achtung: Die Beweislast für die Entschuldigungsgründe trägt derjenige, der den Umgang aussetzt oder das Kind nicht zurückgibt. 

Außerdem gilt es in diesen Situationen andere Umgangs- und Kontaktlösungen (Videochat, Telefon) reichhaltig anzubieten.

Kann bei reiner Angst vor Ansteckung mit Corona der Umgang ausfallen?

Grundsätzlich nein. Angst vor Ansteckung ist kein Grund den Umgang ausfallen zu lassen. Vernünftigerweise wird man im Falle der Anwesenheit von Risikogruppen (über 60-jährige, Immunerkrankte, Atemwegserkrankte, Leber, Nieren, Krebserkrankte, Diabetes) den Umgang so gestalten, dass diese nicht gefährdet sind. Bei erheblicher Gefährdung kann der Umgang ausgesetzt werden.

Reine Angst vor Ansteckung mit Corona ist kein Grund den Umgang ausfallen zu lassen. Nur wenn aufgrund sehr konkreter Gefährdungspunkte ein erheblich erhöhtes Ansteckungsrisiko besteht, kann sich etwas anderes ergeben. Ein solches Risiko dürfte gegeben sein, wenn der Besuchselternteil vor weniger als 14 Tagen aus einem Hochrisikogebiete zurückgekehrt ist (Italien, Skigebiete in Österreich, China), wenn es direkte Kontakte mit Corona-Infizierten gab (nicht relevant dürften dabei Kontakte von Ärzten und Pflegepersonal im Rahmen ihrer Arbeit sein) oder der Elternteil derzeit starke grippeähnliche Symptome zeigt.

Kann der Umgang ausfallen, weil der andere Elternteil die Kontaktsperre nicht einhält?

Grundsätzlich nein.

Jedenfalls nicht bloß, weil der andere Elternteil ab und zu Besuch hat oder mehr als vorgesehen rausgeht. Hier braucht es eine sehr gründliche Gefahrenanalyse. Wenn ein Elternteil kürzlich Besuch aus dem Kreis Heinsberg hatte, aus Ischgl zurückgekehrt ist oder Corona-Partys feiert dürfte eine zeitweise Beschränkung des Umgangs auf Video, Telefon und/oder Spaziergänge berechtigt sein. Bei völliger Uneinsichtigkeit wohl auch ein Aussetzen des Umgangs.

Allerdings gelten für besonders gefährdete Personen sicherlich Sonderregeln (s. o.). Begeben Sie sich bei besonderer Gefährdung nicht zur Umsetzung von Umgang in Lebensgefahr.

Fällt bei angeordneter Quarantäne wegen Corona der Umgang aus?

Bei einer behördlich durch das Gesundheitsamt angeordneten häuslichen Quarantäne darf die Wohnung durch keinen Bewohner verlassen werden. Man darf nicht einkaufen, nicht Spazierengehen und auch nicht zur Arbeit gehen. In diesem Fall sind auch die Umgangsregeln ausgesetzt. Allerdings ist die häusliche Quarantäne auch auf zwei Wochen beschränkt.

Dies gilt aber nur, wenn eine solche Quarantäne durch das Gesundheitsamt auch wirklich ausgesprochen wurde.

Muss mein Kind trotz Corona mit der Bahn zum Umgang fahren?

Eher nein. Fahrten mit der Bahn, Reisen mit dem Flugzeug oder Transporte mit dem ÖPNV dürften zu vermeiden sein. Transporte zum Umgang sind durch die Eltern mit dem Pkw zu organisieren, soweit irgend möglich. Eine Regelung in Absprache unter den Eltern ist hier geboten. Beide Eltern dürften dabei in dieser Sondersituation gehalten sein, sich an den Transporten zu beteiligen.

Wie kann ich trotz Corona Umgang gerichtlich durchsetzen oder aussetzen?

Wenn der Umgang ohne ausreichende Begründung verweigert wird, können Sie sich an das Familiengericht wenden. Soweit es noch keine gerichtliche Regelung gibt, können Sie einen Antrag auf Regelung des Umgangs stellen. Wenn es schon eine vollstreckbare Regelung gibt, so können Sie die Anordnung von Ordnungsmitteln beantragen. Das größte Problem dürfte derzeit sein, dass die Gerichte ihre Arbeit stark eingeschränkt haben. Es werden so gut wie ausschließlich Eilsachen behandelt. Zwar unterliegen Umgangsanträge gem. § 155 II und Ordnungsmittelanträge gem. § 88 III FamFG dem Beschleunigungsgebot. In der Praxis dürfte rechtlicher Schutz derzeit aber schwer erreichbar sein.

Es gibt verschiedenste Ideen eine zügige Behandlung zu erreichen, wie erfolgreich diese sein werden, ist aber unklar. Bitte kontaktieren Sie uns.

Wenn es erhebliche Gründe gibt, den gerichtlich geregelten Umgang auszusetzen, sollten Sie einen Antrag gem. § 1696 I BGB auf (zeitweise) Abänderung i. V. m. einem Antrag gem. § 93 I Nr. 4 FamFG auf Aussetzung der Vollziehung der Umgangsregelung stellen.

Wohin kann man sich bei häuslicher Gewalt in der Corona-Krise wenden?

Leider ist zu erwarten, dass die Kontaktsperre zu einem massiven Anstieg häuslicher Gewalt führen wird. 

Gleichzeitig sind viel Frauenhäuser geschlossen oder überlastet. Dennoch kann hier oft Hilfe geleistet werden. Unterstützung  gibt es auch telefonisch beim Hilfetelefon. https://www.hilfetelefon.de/ Grundsätzlich können auch wir als Anwälte zu helfen versuchen, u. a. mit Gewaltschutzanträgen und Wohnungszuweisungen. Soweit Sie uns deshalb kontaktieren möchten, geben Sie uns bitte eine Kontaktmöglichkeit an, mit der wir Sie geschützt erreichen können.

Darf mich mein Partner trotz Corona Krise besuchen kommen?

Uns erreichen viele Fragen, ob Verlobte, Partner und Lebensgefährten (gerade bei Entfernungsbeziehungen) zu Besuch kommen dürfen. Die Antwort ist klar und eindeutig ja. Kontakte zwischen Partnern sind von der Kontaktsperre ausgenommen.

Das Jugendamt will trotz Corona einen Hausbesuch machen. Ist das erlaubt?

Prinzipiell ja. Allerdings dürften Sie das derzeit in vielen Fällen mit gutem Grund verweigern können. Allerdings ist Vorsicht geboten, wenn das Jugendamt kurz davorsteht, eine Inobhutnahme vorzunehmen. Denn derzeit kann die gerichtliche Überprüfung dauern. Besser ist es dann, sich eine Hilfe zu suchen, die den Besuch des Jugendamtes begleitet. Für uns kommt Frau Töpfer oft zu solchen Terminen. Momentan dürfte allerdings ein solcher Termin nur in extremen Ausnahmefällen durchgeführt werden.

In meinem Umgangs- oder Sorgerechtsverfahren finden keine Termine mehr statt. Was kann ich tun?

Beinahe flächendeckend sind gerade Termine beim Familiengericht aufgehoben worden. Termine sollen nur noch in Eilsachen stattfinden. Was aber eine solche notwendige Eilsache ist und was nicht, ist dem einzelnen Richter überlassen.

Denkbar wäre es einen Antrag auf Anhörung im Wege der Videokonferenz analog § 128a ZPO zu stellen. Ob dies erfolgreich ist dürfte sehr fraglich sein, aber immerhin gibt man dem Gericht eine Möglichkeit mit auf den Weg, die das gesundheitliche Risiko für alle Beteiligten verringert.

Mein begleiteter Umgang findet wegen Corona nicht mehr statt. Was kann ich tun?

Leider ist diese Situation derzeit sehr häufig. Prinzipiell kann das Familiengericht niemanden zur Begleitung von Umgang verpflichten. Wenn die Träger also diese Dienstleitung verweigern ist guter Rat teuer. Das Jugendamt ist allerdings verpflichtet die Begleitung familiengerichtlich angeordneten Umgangs sicher zu stellen. Wenn der begleitete Umgang also nicht oder nur eingeschränkt stattfindet, so bleibt notfalls nur der Weg zum Verwaltungsgericht. Dort kann man im Eilverfahren die Durchführung der Begleitung vom Jugendamt verlangen. Allerdings dürfte das derzeit an rein tatsächliche Grenzen stoßen: Wenn die notwendigen Ressourcen nicht da sind, so sind sie nicht vorhanden.

Auch hier ist Augenmaß und ruhige Analyse der Situation geboten.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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