Fristlose Kündigung wegen Entwendung einer Flasche Desinfektionsmittel

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Das Entwenden einer 1-Liter-Flasche Desinfektionsmittel, die der Arbeitgeber während der Corona-Pandemie seinen Beschäftigten zur Verfügung gestellt hat, kann die fristlose Kündigung sogar eines seit über sechzehn Jahren bestehenden Arbeitsverhältnisses eines verheirateten und mehreren Kindern gegenüber unterhaltspflichtigen Mitarbeiters rechtfertigen. Dies hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf mit Urteil vom 14. Januar 2021 (Aktenzeichen 5 Sa 483/20) entschieden und damit im Ergebnis die erstinstanzliche Entscheidung des Arbeitsgerichts Mönchengladbach bestätigt.

Der Kläger hatte aus dem allgemeinen Vorrat für alle Mitarbeiter eine 1-Liter-Flasche Desinfektionsmittel sowie eine Rolle Handtuchpapier in den Kofferraum seines Fahrzeugs gelegt, nach seiner Einlassung deshalb, weil in den Sanitärräumen des Arbeitgebers kein Desinfektionsmittel mehr verfügbar gewesen sei und er so habe sicherstellen wollen, sich auch während der Arbeit regelmäßig die Hände desinfizieren zu können. Er habe so letztlich auch seine Kollegen schützen wollen.

Das Arbeitsgericht in erster Instanz ebenso wie das Landesarbeitsgericht im Berufungsverfahren überzeugte dies nicht:

„Der Inhalt der Flasche Desinfektionsmittel sollte nicht - unangetastet - lediglich im Kofferraum des Pkw gelagert und zum Schichtende oder irgendwann später zurück zum Materialkäfig gebracht, sondern verbraucht und allein dadurch endgültig dem Zugriff der Beklagten und der Arbeitskollegen des Klägers entzogen werden. (…)     Der Vortrag des Klägers, er habe das Desinfektionsmittel genommen, um nicht nur sich selber, sondern - gegebenenfalls - seine Arbeitskollegen zu schützen, ist ebenfalls nicht geeignet, die Schwere der Pflichtverletzung zu relativieren. Abgesehen davon, dass die Behauptung des Klägers, er habe sich selber schützen wollen, allein dadurch widerlegt ist, dass die Flasche Desinfektionsmittel beim Auffinden ungeöffnet war, so hat der Kläger auch nicht dargelegt, dass er seine Arbeitskollegen überhaupt über die Wegnahme des Desinfektionsmittels und die Lagerung in seinem Pkw informiert hat. (…) Im Übrigen macht der Vortrag des Klägers zum angeblichen Schutz der Arbeitskollegen auch keinen Sinn. Im Materialkäfig stand das Desinfektionsmittel allen Arbeitnehmern zur Verfügung und konnte genutzt werden. Gleiches hätte gegolten, wenn der Kläger es genommen und auf seinen Materialwagen gestellt hätte. Die Wegnahme und Verbringung in seinen - weiter vom Arbeitsplatz entfernt abgestellten - Pkw führte lediglich zu einem Ausschluss anderer Personen von der Nutzungsmöglichkeit.“

Die fristlose Kündigung sei auch verhältnismäßig, einer vorangehenden Abmahnung habe es nicht bedurft, weil der Kläger in einer nicht hinnehmbaren Weise egoistisch gehandelt habe:

„Das Fehlverhalten des Klägers ist derart schwerwiegend, dass es ohne Abmahnung geeignet ist, die fristlose Kündigung zu rechtfertigen. Ein Arbeitnehmer, der in Zeiten einer Pandemie dringend benötigtes Desinfektionsmittel dem Zugriff seines Arbeitgebers und seiner Arbeitskollegen entzieht, obwohl er weiß, dass dieses Desinfektionsmittel schwer zu beschaffen ist, kann nicht damit rechnen, dass der Arbeitgeber ein solches Verhalten lediglich mit einer Abmahnung oder einer fristgerechten Kündigung ahnden wird. Der Kläger hat, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, in Kauf genommen, dass andere Mitarbeiter der Beklagten, die ebenso um ihre Gesundheit fürchteten wie er, leer ausgingen, während ca. 300 Einheiten Handdesinfektion nur für ihn zugänglich im Kofferraum seines Pkw lagen. Dieses Verhalten hat das in den Kläger und dessen Redlichkeit gesetzte Vertrauen in einer Weise zerstört, die auch durch eine Abmahnung nicht wiederhergestellt werden kann.“

Was können wir für Sie tun?
Die geschilderte Entscheidung zeigt: Ob eine Kündigung (insbesondere eine fristlose Kündigung) als „ultima ratio“ tatsächlich gerechtfertigt ist, lässt sich nicht schematisch beantworten, sondern es bedarf einer detaillierten Prüfung und Würdigung der konkreten Umstände des Einzelfalls.

Wenn Sie von einer Kündigung betroffen sind, handeln sie zügig: Es gelten kurze Fristen, die zur Vermeidung von Rechtsnachteilen dringend beachtet werden müssen! Gerne unterstützen wir Sie.

Thomas Haas
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
MEILENSTEIN Rechtsanwälte

Foto(s): MEILENSTEIN

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