Generalanwältin beim EuGH widerspricht dem BGH beim Widerruf von Kreditverlängerungen

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Die Generalanwältin beim Europäischen Gerichtshof, Eleanor Sharpston, hat in der Vorlagesache des LG Kiel beim EuGH (C-639/18) in ihren Schlussanträgen der Rechtsprechung des BGH widersprochen und sich für eine Anwendung des Fernabsatzrechts auf Kreditverlängerungen ausgesprochen. 

Sollte der EuGH den Anträgen der Generalanwältin – wie üblich – folgen, können auch Kreditverlängerungen widerrufen werden, wenn sie mit einem Fernkommunikationsmittel (bspw. per E-Mail oder postalisch) abgeschlossen wurden. 

Der Widerruf einer Kreditverlängerung führt zu einem Wegfall der verlängerten Zinsbindung. Die Darlehen sind dann mit einer Frist von 3 Monaten ohne Vorfälligkeitsentschädigung kündbar.

Ausgangsverfahren

In dem Ausgangsverfahren vor dem Landgericht Kiel hatte eine Kundin der Sparkasse Südholstein bereits im Jahr 1994 einen Kreditvertrag abgeschlossen und mit der Sparkasse bzw. ihrer Rechtsvorgängerin mehrmals verlängert. Die letzte Verlängerung schloss die Verbraucherin im Oktober 2010 ab, wobei die neuen Zinsen erst ab dem Jahr 2014 bis zur vollständigen Rückzahlung des Darlehens gelten sollten. 

Es handelte sich also um ein sog. „Forward-Verlängerung“. Die Verlängerung wurde nicht in der Bank, sondern mit Fernkommunikationsmitteln abgeschlossen. Eine Widerrufsbelehrung enthielt die Verlängerungsvereinbarung nicht. Im Jahr 2015 widerrief die Verbraucherin die Kreditverlängerung nach dem Fernabsatzrecht.

Nachdem sich die Parteien nicht einigen konnten, erhob die Verbraucherin Klage zum LG Kiel. Dieses setzte das Verfahren aus und legte den Fall dem EuGH zur Klärung der Frage, ob das Fernabsatzrecht auf Kreditverlängerungen anwendbar ist. Der BGH hat als höchstes deutsches Zivilgericht dies verneint.

Generalanwältin rät EuGH, das Fernabsatzrecht auf Kreditverlängerungen anzuwenden

In ihrer umfangreichen Stellungnahme vom 12.03.2020 führt die Generalanwältin sehr detailliert aus, weshalb das Fernabsatzrecht auch für Kreditverlängerung gelten muss. Das Europarecht bezweckt einen umfangreichen Schutz von Verbrauchern. Dies erfordert eine weite Auslegung der europäischen Richtlinien. 

Entsprechend empfiehlt sie dem EuGH zu entscheiden, dass das Fernabsatzrecht „Anschlusszinsvereinbarungen, durch die weder die Laufzeit des Darlehens verlängert noch der Darlehensbetrag geändert wird, einschließt“. Damit widerspricht die Generalanwältin der Rechtsprechung des BGH, der eine solche Anwendung abgelehnt hatte.

Bedeutung für andere Fälle

Sollte der EuGH dieser Empfehlung folgen dürften auch viele Kreditverlängerungen, die im Fernabsatz geschlossen wurden, widerrufbar sein. Damit können Kunden, die sich über den neuen Zins ärgern, die Vereinbarung widerrufen und die Zinsbindung entfallen lassen.

Folgen eines Widerrufs

Anzumerken ist aber, dass ein Widerruf der Kreditverlängerung nicht zu einer Rückabwicklung des gesamten Kredits, sondern zu einem Wegfall der Regelungen der Änderungsvereinbarung führt. Im Klartext heißt dies, dass das Darlehen dann so betrachtet werden muss, als habe der Kunde die Verlängerung nicht abgeschlossen.

Das Darlehen ist daher ab dem Zeitpunkt indem die alte Zinsbindung endete, als variables Darlehen zu betrachten. Wenn der variable Zins günstiger war als der mit der Verlängerung vereinbarte, besteht die Chance auf eine Rückzahlung zu viel gezahlter Zinsen. Zudem können variable Darlehen mit einer Frist von 3 Monaten ohne Vorfälligkeitsentschädigung gekündigt werden.

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Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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