Große Probleme für Wohnungeigentümer und Verwalter in der Corona-Zeit

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1. Kern des Problems

Wohnungseigentümer regeln ihre Angelegenheiten durch Beschlussfassung in einer Versammlung der Wohnungseigentümer, § 23 Abs. 1 WEG. Derartige Präsenz-Versammlungen sind derzeit durch Landesverordnung untersagt, in Baden-Württemberg beispielsweise Ansammlungen von mehr als fünf Personen (Corona-Verordnung vom 17. März 2020 in der ab 27. April 2020 gültigen Fassung). 

Damit sind wichtige Entscheidungen, die über die laufende Verwaltung hinausgehen, für Wohnungseigentümergemeinschaften derzeit praktisch nicht mehr möglich.

2. Unzureichende Abhilfeversuche des Gesetzgebers

In einem beispiellosen Schnellverfahren versuchte der Gesetzgeber, für die Handlungsfähigkeit und Zahlungsfähigkeit der Wohnungseigentümergemeinschaften zu sorgen. Für ausreichend hält er es,

  • den zuletzt bestellten Verwalter im Amt und
  • den zuletzt beschlossenen Wirtschaftsplan in Geltung zu halten.

Eine Regelung, wonach in schriftlich durchgeführten „Versammlungen“ mit Mehrheit entschieden werden kann, hat der Gesetzgeber für Wohnungseigentümergemeinschaften leider nicht vorgesehen. Damit setzt er die Verwalter einem hohen Risiko aus. Die Fortgeltung des Wirtschaftsplanes mag in den meisten Fällen wenigstens die laufenden Kosten zu decken. Bau- und Sanierungsmaßnahmen können auf diese Art aber nicht gestemmt werden. Der Verwalter muss die Gemeinschaft „auf Sparflamme“ laufen lassen.

3. Verwalter wider Willen

Der zuletzt bestellte Verwalter bleibt auch dann – bis zur Abberufung – der organschaftliche Verwalter, wenn seine Amtszeit schon abgelaufen ist oder erst abläuft.

Es spielt keine Rolle,

  • ob der Bestellungszeitraum vor Inkrafttreten des Gesetzes abgelaufen ist oder
  • ob die Eigentümer den Verwalter abberufen, aber noch keinen neuen Verwalter gewählt haben, oder
  • ob der Verwalter sein Amt aus wichtigem Grund niedergelegt hat.

Damit wird selbst ein Verwalter, der seines Amtes schon ledig war, auch gegen seinen Willen in die frühere Verwalterposition wiedereingesetzt. Ein (gegebenenfalls erneuter) Rücktritt ist dem Verwalter zwar nicht verboten. Er wird aber gute Gründe dafür brauchen, will er sich damit nicht schadensersatzpflichtig machen.

Nach dem Wortlaut des Gesetzes („bis zu seiner Abberufung“) dürfte es zulässig sein, ein Verfahren auf Abberufung des Verwalters durch das Wohnungseigentumsgericht durchzuführen. In diesem Fall muss das Verfahren aber unbedingt verbunden werden mit der gerichtlichen Bestellung eines neuen Verwalters. Andernfalls wäre der isolierte gerichtliche Entlassungsverfahren unzulässig.

4. Verwalter im Risiko

Allerdings bleiben die nach dem Gesetzesplan sehr beschränkten Kompetenzen des Verwalters unverändert schmal. Seine Aufgabe ist es im Wesentlichen, die Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen und ansonsten den Normalbetrieb am Laufen zu halten. Lediglich kleinere Reparaturen darf der Verwalter in eigener Kompetenz durchführen lassen, ohne die Eigentümer vorher befragen zu müssen.

Diesen Rahmen sollte der Verwalter auch aktuell nicht überschreiten, will er unübersehbare Haftungsrisiken für sich vermeiden. Die Notverwaltungskompetenz ist keine geeignete Grundlage für Großaufträge. Ihre Voraussetzungen sind umstritten, zumindest unklar. Jedenfalls wird der Verwalter zunächst versuchen müssen, einen Beschluss über die Maßnahme im schriftlichen Umlaufverfahren zustande zu bringen – ein allzu oft hoffnungsloses Unterfangen.

Hinzu kommt, dass die Finanzierung größerer Reparaturen nicht geregelt ist. Ohne eine geregelte Finanzierung darf der Verwalter aber größere Reparaturaufträge nicht vergeben.

5. Verwalter ohne Vertrag

Das Corona-Abmilderungsgesetz verlängert bzw. begründet lediglich das Verwalteramt, nicht aber den Verwaltervertrag. Damit hat der Gesetzgeber unnötigerweise ein weiteres Risiko für den Verwalter geschaffen. Seine Vergütung ist nicht mehr vertraglich geregelt, sondern muss sich aus dem Gesetz ergeben, nämlich den unklaren Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag oder dem Bereicherungsrecht.

Zu hoffen und zu erwarten ist, dass im Streitfall die Gerichte dem Verwalter zumindest die im Vertrag vereinbarte bisherige Vergütung gewähren. Sondervergütungen, die im Vertrag geregelt sind, dürften möglicherweise entfallen. Denn die Befugnisse des Verwalters richten sich nur noch nach den gesetzlichen Programmen § 27 WEG.

6. Der fortgeschriebene Wirtschaftsplan

Sofern die Wohnungseigentümer nicht ohnehin beschlossen haben, dass der Wirtschaftsplan routinemäßig fort gilt, ordnet jetzt das Gesetz seine Fortgeltung an. Die Kalkulation des Planes beruht auf veralteten Prognosen. Das Gesetz nimmt diesen Kauf, um dem Verband zumindest die Mittel für die laufende Verwaltung zu verschaffen. Denn der Wirtschaftsplan ist, neben der Abrechnung und dem Beschluss über Sonderumlagen, praktisch die einzige Finanzierungsquelle. Außerplanmäßige Aufwendungen dürfen mit diesen Mitteln aber nicht finanziert werden.

Keine Regelung sieht das Gesetz für diejenigen Fälle vor, in denen das Gericht den Beschluss über den Wirtschaftsplan nach erfolgter Anfechtung aufgehoben hat. In solchen Fällen wird möglicherweise nur der letzte gültige Wirtschaftsplan weiter gelten.

7. Fazit

Die Wohnungseigentümergemeinschaften laufen im Notbetrieb unter Unsicherheit. 

Besser wäre es gewesen, die Entscheidungskompetenz der Wohnungseigentümer zu wahren, indem über Tagesordnungspunkte mehrheitlich schriftlich bzw. in Textform abgestimmt werden kann. Weshalb der Gesetzgeber diese Übergangsmöglichkeit, die er für Vereine ausdrücklich geschaffen hat, den Wohnungseigentümern verschließt, ist nicht nachvollziehbar. 

Praktische Probleme werden wieder einmal die überlasteten Gerichte klären müssen. Es bleibt die Hoffnung, dass das Versammlungsverbot schnellstmöglich beendet wird, wenn auch unter (erfüllbaren) Sicherheitsmaßnahmen.



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