Hilfestellung bei Crowdinvestments

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Vorbemerkung

Crowdfunding-Verträge/Nachrangdarlehen unterliegen der AGB-Kontrolle. Sollten die Nachrangklauseln unwirksam sein, liegt ein verbotenes Einlagengeschäft nach §§ 32, 54 Kreditwesengesetz (KWG) vor. Denn wenn keine wirksame Nachrangklausel vorliegt, handelt es sich um ein Einlagengeschäft nach § 1 KWG. Für solche Einlagengeschäfte benötigen Unternehmen eine Banklizenz nach § 32 KWG. Hat das Unternehmen keine Banklizenz, liegt ein Verstoß gegen § 54 KWG vor. Dies führt zur Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB, was wiederum Schadensersatzansprüche von Investoren gegenüber Plattformbetreibern, Geschäftsführern und Start-up-Unternehmen begründen kann.

A. Einleitung

Crowdfund-Investoren können Schadensersatzansprüche gegen Start-up-Unternehmen, Geschäftsführer und gegen Crowdfunding-Plattformen besitzen. Diese Schadensersatzansprüche resultieren aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch in Verbindung mit dem KWG (§ 823 Abs. 1 i.V.m. §§ 32 Abs. 1 S. 1, 54 KWG).

AGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen. Bei Crowdfundings und Nachrangdarlehen sind sie in aller Regel Bestandteil der Zeichnungsunterlagen und unterliegen der sogenannten AGB-Kontrolle. Das bedeutet, dass sie im Hinblick auf Klarheit und Bestimmtheit bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, um wirksam zu sein. Sollten die Nachrangklauseln unwirksam sein, liegt verbotenes Einlagengeschäft nach §§ 32, 54 KWG vor. Denn wenn keine wirksame Nachrangklausel vorliegt, handelt es sich um ein Einlagengeschäft nach § 1 KWG. Für solche Einlagengeschäfte benötigen Unternehmen eine Banklizenz nach § 32 KWG. Hat das Unternehmen diese nicht, begeht es einen Verstoß gegen § 54 KWG. Das führt zur Verletzung eines Schutzgesetzes nach § 823 Abs. 2 BGB, was wiederum Schadensersatzansprüche von Investoren gegenüber Plattformbetreibern, Geschäftsführern und Start-up-Unternehmen begründet.

In diesem Sinn hat das OLG Hamburg am vom 11. März 2020 gegenüber einem Start-up-Unternehmen entschieden. Jüngst hat das Landgericht Dresden in seiner Entscheidung vom 27. April 2023 gegenüber einem Betreiber einer Crowdfunding-Plattform diese Auff assung bestätigt.

B. Grundlegender Sachverhalt der Entscheidung vom Landgericht Dresden und dem Hanseatischen Oberlandesgericht

Beiden Entscheidungen der Gerichte aus Hamburg und Dresden lag der Sachverhalt zugrunde, dass Investoren sich an Start-up-Unternehmen über eine Internetplattform beteiligen konnten. Dabei wurden partiarische Darlehen des Start-ups vergeben. Der Abschluss von Verträgen über partiarische Darlehen zwischen dem Start-up und Investoren geschah in der Weise, dass die Investoren nach der Auswahl der Investmentsumme auf der Internetplattform durch Anklicken eines hierfür vorgesehenen Buttons das Angebot des Start-ups zum Abschluss eines Vertrages über ein nachrangiges partiarisches Darlehen annehmen konnten.

Dabei wurden die Verträge so ausgestaltet, dass die Darlehen qualifiziert nachrangig waren. Das heißt, Investoren können Ansprüche nur so weit geltend machen, dass sie kein Grund für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens sind. Der Investor trug damit in Höhe seines Darlehensbetrages und der vertraglich vereinbarten Zinsen das Insolvenzrisiko des Start-ups.

Hierzu werden sogenannte Nachrangklauseln vereinbart. Entgegen der Einschätzung der Investoren

und auch der Internetplattform sind die Investmentverträge mit qualifizierten Nachrangklauseln jedoch gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.

Die Wirksamkeit des übrigen Vertrages wird dabei gemäß § 306 Abs. 1 BGB nicht berührt. Vereinbarungen des Nachrangs unterliegen der AGB-Inhaltskontrolle nach § 305 ff. BGB, und zwar nicht nur der Überprüfung auf überraschende Inhalte und Einhaltung des Transparenzgebots, sondern auch der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB.

Die jeweiligen Investoren erlitten mit ihren Investments einen Totalverlust. Sie machten jeweils vor Gericht Schadensersatz nach § 823 BGB geltend. Die Gerichte gaben den Investoren recht. Denn sie gingen davon aus, dass ein verbotenes Einlagengeschäft vorlag, was überdies strafrechtlich relevant ist und gemäß § 54 KWG mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird.

C. Entscheidung des Landgerichts Dresden sowie Hanseatischen Oberlandesgerichts

Das Landgericht Dresden gelangte zu der Entscheidung, dass der Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungennach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet ist, die Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner - also der Anleger - soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte und Pflichten feststellen können, damit er die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen bei Vertragsschluss hinreichend erfassen kann und nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten wird. Der Vertragspartner soll daher davor geschützt werden, infolge falscher Vorstellungen über die angebotene Leistung zu einem unangemessenen Vertragsabschluss verleitet zu werden.

Die Klausel muss – so das Gericht – mithin in der Formulierung verständlich sein. Darüber hinaus müssen die mit der Anlage verbundenen wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen deutlich dem Investor vor Augen geführt werden. Dabei kann sich eine Intransparenz nicht nur bei einzelnen Klauseln aus inhaltlicher Unklarheit, mangelnder Verständlichkeit oder unzureichender Erkennbarkeit der Konsequenzen ergeben, sondern auch aus der Gesamtregelung.

Da hier die beklagten Schuldner die Vermögensanlage Privatanlegern angeboten haben, mussten sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen so gestalten, dass auch juristisch und kaufmännisch nicht vorgebildete Kunden sie ohne weitere Erläuterungen verstehen konnten. Genau dieser Anforderung genügte die hier in Rede stehende Klausel nicht. So waren das Landgericht Dresden und auch das Hanseatische Oberlandesgericht der Ansicht, dass die vereinbarten qualifizierten Nachrangklauseln dazu führen können, dass der Investor schwer-wiegende Nachteile erleidet. Denn die Forderung des Anlegers tritt bereits in einer Krise des Start-ups – und zwar vorinsolvenzlich – hinter die Forderungen anderer Gläubiger zurück. Der Nachrang kann also mithin dazu führen, dass die Rückzahlung des Nachrangdarlehens infolge der unüberwindbaren wirtschaftlichen Krise des Start-ups auf Dauer nicht verlangt werden kann.

Solange sich das Start-up in der Krise befindet, kann die Nachrangabrede wegen der den übrigen Gläubigern vermittelten Rechtsposition nicht ohne deren Mitwirkung rechtsgeschäftlich aufgehoben werden. Dies benachteiligt den Investor erheblich. Denn zugleich wird das selbst dem Gesellschafter in der Krise seines Unternehmens nicht verwehrte, außerordentliche Kündigungsrecht des Darlehensgebers gemäß § 490 Abs. 1 BGB beeinträchtigt, weil eine Kündigung nicht mehr zur Folge hat, dass der Rückzahlungsanspruch durchsetzbar wird.

Da ein mit einem qualifizierten Rangrücktritt versehenes Darlehen nicht die Insolvenz des Darlehensnehmers auslösen darf, ist der Darlehensgeber auch gehindert, gegen das Start-up-Unternehmen einen Insolvenzantrag gemäß §§ 13, 14 InsO zu stellen. Damit wird das vom Anleger vergebene Darlehen einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung angenähert, ohne dass dem Darlehensgeber die einem Gesellschafter bei einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens eröffneten Informationsrechte zustehen. Das führte nach Auffassung der genannten Gerichte zur Unwirksamkeit der Nachrangklauseln. Mithin sind die Investmentverträge als Einlagengeschäft nach § 32 Abs. 1 KWG zu werten. Für derartige Einlagengeschäfte besitzt das jeweilige Start-up aber keine Erlaubnis. Daher stehen dem Investor und Kläger gegenüber dem Start-up, aber auch gegenüber der Plattform Schadensersatzansprüche zu. Für die Internetplattform ist des Weiteren zumindest der Tatbestand der Beihilfe erfüllt, da sie durch die Gestaltung der Vertragsformulierung Beihilfe geleistet hat. Dabei ist ihr zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen, so das Landgericht Dresden. Denn es wäre, so die Richter von der Elbe, der Plattform unschwer möglich gewesen, bei der BaFin die entsprechenden Verträge prüfen zu lassen. Dies gelte umso mehr, weil die Konstruktion des Nachrangdarlehens gewählt wurde, um ein ansonsten vorliegendes, erlaubnispfl ichtiges Geschäft zu vermeiden. Der Schaden liegt in dem investierten Betrag, der dem Anleger zu ersetzen ist.

D. Konsequenzen für Verbraucher

Die Konsequenzen der beiden Gerichtsentscheidungen für Verbraucher sind enorm. Es bestehen Investmentverträge in Hülle und Fülle, die unwirksame Nachrangklauseln enthalten. Investoren können vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen die Verträge überprüfen lassen, ob mit ihnen ein verbotenes Einlagengeschäft vereinbart wurde. Sollte dies bejaht werden, können Schadensersatzansprüche des Investors – einmal gegenüber der Crowdfunding-Plattform, gegenüber den Start-ups direkt und auch gegenüber den Geschäftsführern von Start-ups geltend gemacht werden. Insgesamt hat die „Crowd“ in den letzten zehn Jahren mehr als 1,4 Milliarden Euro in deutsche Unternehmen, Immobilien- und Energieprojekte investiert. Diese Zahlen allein verdeutlichen die Tragweite der beiden Entscheidungen, die auch den Anlegerschutz erheblich voranbringen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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