Höhe des Scheinvaterregress berechnen

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Stellt sich heraus, dass der rechtliche Vater eines Kindes nicht dessen biologischer Vater und damit nur dessen Scheinvater ist, besteht ein Interesse, den biologischen Vater wegen der an das Kind geleisteten Unterhaltszahlungen in Regress zu nehmen. Die Problematik besteht darin, wie die Regressforderung gegen den biologischen Vater und eventuell die Mutter begründet wird, in welcher Höhe der Scheinvaterregress besteht und wie die Regressforderung berechnet wird.

Wie gehen Sie als Scheinvater wegen Ihrer Regressforderungen vor?

Solange Sie der rechtliche Vater des in Ihrer Ehe geborenen Kindes sind, sind und bleiben Sie gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig. Selbst wenn Sie sich von der Mutter des Kindes trennen und sich scheiden lassen, bleibt Ihre Unterhaltspflicht gegenüber dem Kind bestehen, solange Ihre rechtliche Vaterschaft fortbesteht und nicht erfolgreich angefochten wurde. Sie gelten als rechtlicher Vater mit dem Kind als verwandt und sind deshalb unterhaltspflichtig (§ 1601 BGB).

Ihre Unterhaltspflicht entfällt nur, wenn Sie Ihre Vaterschaft erfolgreich angefochten und damit Ihre rechtlich begründete Vaterschaft beseitigt haben. Ihre Vermutung allein, dass Sie nicht der leibliche Vater und ein anderer Mann der leibliche Vater des Kindes ist, genügt nicht, eine Regressforderung zu begründen. Die gerichtliche Klärung sei unverzichtbar, selbst wenn kein Streit darüber besteht, wer der leibliche Vater ist (OLG Hamm, Beschluss v. 2011.2013, Az. II-2 WF 190/13).

Der Nachweis, dass Sie nicht der biologische Vater sind, gelingt im Regelfall nur, wenn ein Abstammungsgutachten eindeutig belegt, dass Sie nicht als der biologische Vater des Kindes in Betracht kommen. Beachten Sie, dass vom Gesetz eine Frist von zwei Jahren vorgegeben ist. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem Sie von den Umständen erfahren, die gegen Ihre Vaterschaft sprechen (§ 1600b BGB). Dieser Zeitpunkt steht spätestens fest, wenn das Gericht rechtskräftig feststellt, dass Sie nicht der Vater des Kindes sind.

Kann man Unterhalt zurückfordern, wenn man nicht der Vater ist?

Es gilt, diese Frage mit drei in Frage kommenden Adressaten aufzuteilen und ihnen jeweils einen Abschnitt zu gewähren.

Scheinvater als Adressat Ihrer Regressforderung

Es versteht sich, dass Sie vorrangig den biologischen Vater in Regress nehmen möchten. Ist dessen Person nicht bekannt, besteht die Problematik meist darin, dass Sie die Mutter des Kindes veranlassen müssten, die Person des biologischen Vaters zu benennen. Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts fehlt es hierfür aber einer Grundlage im Gesetz (BVerfG FamRZ 2015, 729). Das Persönlichkeitsrecht der Mutter dürfe nicht insoweit eingeschränkt werden, als sie zur Auskunft verpflichtet werden könnte. Nach der früheren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes war die Mutter noch verpflichtet, Auskunft über die Person des mutmaßlichen biologischen Vaters zu erteilen (BGH FamRZ 2012, 437). Diese Rechtsprechung ist durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr aktuell.

Gut zu wissen:

Auch das Kind hat Interesse daran, die Person des biologischen Vaters in Erfahrung zu bringen. Insoweit ist die Mutter verpflichtet, dem Kind Auskunft zu geben und kann sich nicht darauf berufen, dass ihr Persönlichkeitsrecht ein Schweigerecht begründet. Das Auskunftsverlangen des Scheinvaters ist nicht mit dem Auskunftsanspruch des Kindes gleichzusetzen.

Steht der biologische Vater fest, begründet sich Ihre Regressforderungen auf der Grundlage des § 1607 Abs. III S. 2 BGB. Danach geht der Unterhaltsanspruch eines Kindes gegen den biologischen Vater auf den Scheinvater über, soweit Sie als Scheinvater den Unterhaltsanspruch des Kindes bedient haben.

Um den biologischen Vater in Anspruch nehmen können, ist die Vaterschaft des biologischen Vaters festzustellen (§ 1600d Abs. V BGB). Zu diesem Zweck ist ein Abstammungsverfahren durchzuführen. Wäre dem nicht so, könnten Sie jeden Mann der Vaterschaft verdächtigen, der Ihrer Frau zu nahegekommen ist. Das Verfahren erübrigt sich, wenn der biologische Vater die Vaterschaft ausdrücklich anerkennt.

Mutter als Adressat Ihrer Regressforderung

Die Mutter muss Ihre Unterhaltszahlungen nur ausnahmsweise erstatten. Ein direkter Schadensersatzanspruch (§ 823 BGB) scheidet aus, da es sich um einen rein eherechtlichen Vorgang handelt (BGHZ 57, 229).

Die Mutter kann aber dann in der Verantwortung stehen, wenn sich der Ehebruch als eine vorsätzlich sittenwidrige Handlung darstellen lässt (§ 826 BGB). Ein solches Verhalten lässt sich im Ausnahmefall begründen, wenn die Frau Ihre Zweifel an Ihrer Vaterschaft durch bewusst falsche Angaben zerstreut oder den Ehebruch ausdrücklich geleugnet hat und Sie bislang davon abgehalten hat, Ihre Vaterschaft anzufechten (OLG Hamm MDR 1999, 42).

Kind als Adressat Ihrer Regressforderung

Das Kind hat Ihre Unterhaltszahlungen zwar im Ergebnis zu Unrecht vereinnahmt, kommt als Adressat aber nicht in Betracht. Da Sie rechtlicher Vater des Kindes sind, waren Sie gegenüber dem Kind unterhaltspflichtig, solange Ihre Vaterschaft besteht.

In welcher Höhe besteht Ihre Regressforderung?

Ihre Regressforderung bestimmt sich nicht nach dem Schaden, den Sie dadurch erlitten haben, dass Sie Ihrem nichtehelichen Kind unrechtmäßigerweise Unterhalt gezahlt haben. Vielmehr kommt es darauf an, in welcher Höhe der biologische Vater dem Kind unterhaltspflichtig war. Dazu kommt es wiederum auf dessen Einkommens- und Vermögenswertes an (KG Berlin, Beschluss vom 15.3.1999, Az. 18 WF 740/99 in FamRZ 2000, 441; BGH, Urteil v. 27.11.2002, Az. XII ZR 295/00 und BGH, Beschluss v. 20.02.2013, Az. XII ZB 412/11).

Zu diesem Zweck müssten Sie darlegen und beweisen, welches Einkommen der biologische Vater erzielt und inwieweit er eventuell Vermögenswerte besitzt. Dieser Nachweis ist oft schwierig zu führen und setzt voraus, dass Sie den biologischen Vater vorab auf Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse verklagen. Von dieser Mühsal sind Sie jedoch befreit, soweit Sie lediglich den Regelunterhalt verlangen.

Regelunterhalt (gesetzlicher Mindestbedarf) ist der Unterhalt, der sich in der jeweiligen Altersstufe des Kindes in der Einkommensstufe 1 der Düsseldorfer Tabelle ergibt (BGH, Beschluss vom 19.9.2018, Az. XII ZB 385/17). Ansonsten geht der Unterhaltsanspruch nur in dem Umfang auf Ihre Person über, wie Sie selbst Unterhalt geleistet haben. Haben Sie Unterhalt gezahlt, ist das Kindergeld zur Hälfte anzurechnen.

Soweit Sie aufgrund eines höheren Einkommens des biologischen Vaters höhere Regressansprüche geltend machen, bleibt es Ihr Recht, aber auch Ihre Pflicht, Ihre Ansprüche darzulegen und zu beweisen. Möchte das Kind höheren Unterhalt verlangen, ist es selbst in der Pflicht, den biologischen Vater im Hinblick auf seine Einkommensverhältnisse in Anspruch zu nehmen.

Kostenerstattung für DNA-Gutachten

Haben Sie wegen der Anfechtung Ihrer Vaterschaft ein DNA-Gutachten erstellen lassen, umfasst Ihre Regressforderung auch den Kostenaufwand für dieses Gutachten als familienrechtlichen Ausgleichsanspruch (BGH FamRZ 1988, 387). Soweit Sie für das Verfahren einen Rechtsanwalt beansprucht haben, wäre auch dessen Honorar als Schadensposition zu prüfen.

Kostenerstattung für Versorgungsausgleich

Lassen Sie sich scheiden, kommt ein Ausschluss des Versorgungsausgleichs in Betracht. Nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs stellt es ein schwerwiegendes Fehlverhalten dar, wenn die Ehegattin die möglicherweise außereheliche Abstammung des während der Ehe geborenen Kindes verschweigt (BGH, Beschluss vom 21.3.2012, Az. XII ZB 147/10). Würde der Versorgungsausgleich durchgeführt, könnte darin eine unbillige Härte liegen (§ 27 VersAusgG). Dazu bedürfe es im konkreten Fall einer Gesamtabwägung der wirtschaftlichen, sozialen und persönlichen Verhältnisse der Ehegatten.

Wann verjährt Ihre Regressforderung?

Ihre Regressforderung als Scheinvater unterliegt der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren (BGH, Beschluss v. 22.3.2017, Az. XII ZB 56/16).

  • Die Frist beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
  • Ihr Anspruch entsteht in dem Augenblick, in dem Sie von den anspruchsbegründenden Umständen (Feststellung durch das Gericht, dass Sie nicht der Vater sind) und der Person des biologischen Vaters Kenntnis erlangt haben oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätten erlangen müssen (§ 199 BGB).

Beispiel:

Sie haben am 12.7.2021 erfahren, dass Sie nicht der biologische Vater Ihres vermeintlich ehelichen Kindes sind. Die Verjährung beginnt zum 1.1.2022 und endet zum 21.12.2024.

  • Hierbei kommt es nicht darauf an, dass die Vaterschaft des biologischen Vaters gerichtlich festgestellt wurde. Vielmehr ist ausreichend, dass Ihnen als Scheinvater aufgrund der bekannten Tatsachen zuzumuten gewesen ist, bei verständiger Würdigung der Erfolgsaussichten Ihren Anspruch gerichtlich geltend zu machen.
  • Ein Risiko besteht, soweit der biologische Vater lediglich aufgefordert wird, über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse Auskunft zu erteilen und Sie sich in der Antragsschrift lediglich vorbehalten, nach der Vorlage der Auskunft einen bezifferten Schadensersatzanspruch zu stellen. In diesem Fall wäre Ihre Zahlungsklage verjährt (BGH Beschluss vom 22.3.2017, Az. XII ZB 56/16).
  • In einer angedachten Gesetzesreform der früheren Bundesregierung 2016 sollte die Regressforderung der Höhe nach auf die Beträge von zwei Jahren begrenzt werden.

Alles in allem

Die Begrifflichkeiten „Scheinvater“ und „Kuckuckskind“ führen zu vielschichtigen, schwierigen und für die betroffenen Väter und Kinder zu emotional belastenden Themen. Vieles befindet sich im Fluss, die Rechtsprechung hinkt den Bedürfnissen und Interessen der Beteiligten hinterher. Sind Sie betroffen, empfiehlt sich, dass Sie sich frühzeitig anwaltlich beraten lassen.

Foto(s): iurFRIEND

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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