Invaliditätsleistungen: Versicherungen kürzen gerne doppelt

  • 3 Minuten Lesezeit

Vorinvalidität und mitwirkendes Gebrechen als gern genutzte Klauseln der Versicherungen

Unfallversicherungen kürzen immer wieder ihre Leistungen, weil sie in ihren Klauseln entsprechende Möglichkeiten verankert haben. Weit verbreitet in den Verträgen ist eine in den Bedingungen aufgeführte Kürzung wegen Vorinvalidität oder aufgrund einer mindestens 25-prozentigen Mitwirkung von Krankheiten oder Gebrechen. Nach einem Unfall rechnet die Versicherung auf diese Weise die Ihnen zustehende Leistung herunter.

BHG hält eine doppelte Kürzung durch die Versicherungswirtschaft bislang für rechtens

Besonders schmerzhaft ist es für den Versicherungsnehmer, wenn die beiden Klauseln im konkreten Fall von der Versicherung beide für einschlägig gehalten werden. Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigt immer wieder – so zuletzt im Januar 2017 (BGH v. 18.01.2017 – IV ZR 481/15), dass die Versicherungen in solchen Fällen die Invaliditätsentschädigung doppelt kürzen dürfen. Gewichtige Stimmen in Literatur und Rechtsprechung halten dies zwar für eine doppelte Benachteiligung der Versicherten und fürchten, dass der Versicherungsschutz ausgehöhlt wird – der BGH ficht das jedoch nicht an. Er meint, die Versicherung dürfe ihre Leistung oder den Invaliditätsgrad zweimal kürzen, wenn ein und derselbe Vorschaden zum einen bei der unfallbedingten Gesundheitsschädigung oder deren Folgen mitgewirkt habe und gleichzeitig eine Vorinvalidität darstelle.

Drastische Leistungskürzungen für die Versicherten

Dabei kann eine solche Rechnung für den Versicherungsnehmer fatale Folgen haben. Ein Beispiel: Es wurde eine Invaliditätsgrundsumme von 200.000 Euro bei Vollinvalidität vereinbart. Für die Gebrauchsunfähigkeit eines Armes wird vertraglich eine Entschädigung von 40 Prozent der Invaliditätssumme vereinbart. Der Versicherungsnehmer verletzt sich an der Halswirbelsäule, die bereits bei Versicherungsabschluss degenerative Schäden aufweist und kann deshalb den linken Arm dauerhaft nicht mehr gut bewegen. Der Gutachter schätzt die Gebrauchsbeeinträchtigung mit einer Gesamtinvalidität von 20 Prozent ein (20 % von 80.000 Euro bedeutet 16.000 Euro Leistung). Aufgrund der Vorinvalidität zieht die Vorversicherung jedoch fünf Prozentpunkte ab. Somit beträgt die Leistung dann lediglich 15 Prozent der Grundsumme (12.000 Euro).

Stellt nun ein Gutachter fest, dass die Vorschädigung der Halswirbelsäule (angeblich) schon vor dem Unfall die Nutzung des linken Arms eingeschränkt hat und setzt hierfür eine Minderung von 50 Prozent an, würde die Versicherung von der bereits gestutzten Gesamtinvalidität noch einmal 50 Prozent kürzen. So rechnet der Versicherer am Ende mithilfe seiner Klauseln die Leistung auf 7,5 Prozent herunter. Ihnen blieben demnach nur noch 6.000 Euro Leistung, verpackt in verwirrende Berechnungen mit kaum nachvollziehbaren Prozentabzügen und Kürzungen.

Im Schadensfall Versicherungsvertrag und Arztbriefe prüfen!

Wenn Sie einen Unfall erlitten haben und Leistungen aus einem Versicherungsvertrag erwarten, schauen Sie zunächst genau in die Vertragsbedingungen Ihrer Versicherung! Sollte dort eine Klausel zur Mitwirkung enthalten sein, sollten Sie gegenüber der Unfallversicherung defensiv und wenig kommunizieren und am besten einen Anwaltsspezialisten für die Unfallregulierung beauftragen.

Außerdem sollten sie Ihren Arzt gerade hinsichtlich etwaiger Vorschäden ansprechen: Kann er überhaupt ohne weitere Diagnostik einen Vorschaden bestätigen? Besteht aus ärztlicher Sicht tatsächlich eine Mitwirkung des Vorschadens bei der unfallbedingten Gesundheitsschädigung? Bevor ärztliche Diagnosen und Befunde an die Versicherung weitergeleitet werden, sollte man sie sich genau ansehen. Zweideutige Formulierungen, Übertreibungen oder für den Versicherungsfall unerhebliche Gesundheitsdaten haben in solchen Dokumenten nichts zu suchen.

Nehmen Sie die Entscheidung Ihres Unfallversicherers keinesfalls widerspruchslos und ohne eingehende Prüfung hin, wenn er die Leistung kürzen will und dabei in seinen Schreiben nach dem Unfall auf eine Vorinvalidität oder die Mitwirkung hinweist. Ein spezialisierter Anwalt kann in diesen Fällen viel für Sie erreichen, denn das Versicherungsunternehmen muss in letzter Konsequenz vor Gericht sowohl die angebliche Vorschädigung als einen vorgeblichen Mitwirkungsgrad beweisen – und das ist oft nicht ganz so einfach. Spätestens, wenn ihr Versicherer die Leistungen kürzt, sollten Sie unbedingt einen Fachanwalt als Spezialisten mit ins Boot holen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Joachim Laux

Beiträge zum Thema