Ist eine Meinungsäußerung nach Feierabend immer Privatsache?

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Äußert sich ein Arbeitnehmer in einer privaten Chatgruppe beleidigend über seinen Vorgesetzten und Kollegen, kann er nicht immer auf die Privatheit des Chats vertrauen, so das Bundesarbeitsgericht in einer aktuelleren Entscheidung aus August 2023.

Zwar sind Arbeitnehmer in ihrer Freizeit einerseits grundsätzlich frei, da die Freizeit außerhalb der Einflusssphäre des Arbeitgebers steht. Der Arbeitgeber kann grundsätzlich auch nicht bestimmte Meinungsäußerungen verbieten, da die Meinungsäußerungsfreiheit ein Grundrecht darstellt, dass auch im Arbeitsverhältnis zu beachten ist. Arbeitgeber kommen daher nicht umhin, politische Meinungen im Betrieb in einem gewissen Rahmen zu tolerieren, sofern kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers am Unterlassen einer bestimmten Meinungsäußerung besteht.

Besteht jedoch ein tatsächlicher Zusammenhang mit der Arbeit, kann auch eine Meinungsäußerung, beispielsweise zum Konflikt zwischen Israel und der Hamas, rechtliche Konsequenzen für den Arbeitnehmer haben. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitnehmer durch die Verbreitung extremer Überzeugungen den Ruf des Unternehmens schädigt oder seine Rücksichtnahmepflicht verletzt. In Betracht kommen beispielsweise rechtsradikale Äußerung in erkennbarer Dienstkleidung auf  TikTok bzw. Instagram oder Beleidigungen gegenüber Kunden bzw. Kollegen. Aus der Rücksichtnahmepflicht folgt die Verpflichtung, Störungen des Betriebsfriedens oder -ablaufs zu vermeiden. Daher sollten Arbeitnehmer insbesondere Provokationen vermeiden. Wegen ihrer gesteigerten Treuepflichten und als Vertreter des Arbeitgebers sind zudem Führungskräfte eher zur Zurückhaltung verpflichtet.

Wie kann ein Arbeitgeber reagieren, wenn ein Arbeitnehmer mit einer Äußerung die rechtlichen Grenzen der Meinungsfreiheit überschreitet?

Verletzt der Arbeitnehmer durch eine Meinungsäußerung die berechtigten Interessen des Arbeitgebers oder handelt es sich bei der Äußerung gar um eine Beleidigung, ist eine Abmahnung die regelmäßige Konsequenz. Im Einzelfall kann aber auch eine fristlose Kündigung gerechtfertigt sein.


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