IT-Betriebsvereinbarungen / Datenschutz-Betriebsvereinbarungen

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Die fortschreitende Digitalisierung der vergangenen Jahrzehnte hat zu einer radikalen Änderung der Arbeitsweise in nahezu allen Branchen geführt. Kaum ein Arbeitsplatz kann heute ohne Einsatz moderner IT-Infrastruktur sinnvoll ausgefüllt werden, häufig erfolgt der erste tägliche Kontakt mit der digitalen Arbeitswelt bereits vor oder beim Betreten des Betriebs. Ein Ende dieser Entwicklung ist nicht abzusehen, eher ist mit einer weiteren Beschleunigung des Digitalisierungsprozesses zu rechnen.

Betriebliche IT-Infrastrukturen führen jedoch nicht nur zur Beschleunigung und Vereinfachung der Arbeitsabläufe, sie bieten dem Arbeitgeber regelmäßig auch Überwachungsmöglichkeiten durch umfangreiche Datensammlungen. Diese stehen im Zentrum eines Interessenkonflikts zwischen dem Arbeitgeber, der die gesammelten Daten je nach Art und Zweck für Produktionsstatistiken, zur Produktverfolgung, Protokollierung der Funktionalität der EDV-Anlage oder zur Arbeitszeiterfassung benötigt, und den Arbeitnehmern, die die Einschränkung ihres Persönlichkeitsrechts durch umfassende Überwachung befürchten. Aus rechtlicher Sicht ist die Einführung von IT-Systemen daher im Arbeitsverhältnis in erster Linie aus datenschutzrechtlicher Sicht bedeutsam, umgekehrt erfolgt ein Großteil der Arbeitnehmerdatenerfassungen über IT-Systeme. Relevante IT-Nutzung ohne datenschutzrechtlichen Schwerpunkt ist eher eine Randerscheinung und kommt in der Praxis etwa bei der Nutzung von Social Media mit Betriebsbezug durch den Arbeitnehmer in Betracht.

Der Umgang mit den konfliktträchtigen IT-Systemen ist von Betrieb zu Betrieb verschieden. Kleine Unternehmen lassen den Bereich häufig ungeregelt, andere Arbeitgeber bemühen sich um die einseitige Festlegung durch Arbeitsanweisungen. In mittleren und großen Betrieben, in denen sich ein Betriebsrat gebildet hat, wird dieser regelmäßig am Abschluss einer Betriebsvereinbarung interessiert sein.

Ausgangslage

IT-Nutzung durch Arbeitnehmer betrifft die betriebliche Mitbestimmung in mehrerlei Hinsicht. Zentrale Vorschrift im BetrVG ist § 87 Abs. 1 Nr. 6, der dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen gewährt, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen, wobei diese Vorschrift in der Rechtsprechung so ausgelegt wird, dass das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bereits mit der Eignung einer technischen Einrichtung zur Überwachung entsteht (vgl. BAG, 06.12.1983 – 1 ABR 43/81 (Berlin).

Betroffen sein kann daneben auch das Mitbestimmungsrecht in Ordnungsfragen und zum Verhalten der Arbeitnehmer gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG, etwa bei der Nutzung von Social Media. Darüber hinaus hat der Betriebsrat gemäß § 90 Nr. 2 BetrVG Unterrichtungs- und Beratungsrechte über die Planung von technischen Anlagen. Ferner finden sich in der Peripherie weitere mitbestimmungsrelevante Vorschriften, mit zwar nicht unmittelbar IT-spezifischem Regelungsgehalt, die aber in der Praxis in Durchführung und Auswirkung häufig IT-Verbindung aufweisen, beispielsweise die Einführung von Personalfragebögen gemäß § 94 Abs. 1 BetrVG sowie das Unterrichtungs- und Beratungsrecht in Personalplanungsfragen gemäß § 92 Abs. 1 BetrVG.

Die Initiative zu Verhandlungen über IT- und Datenschutz-Betriebsvereinbarungen geht vor diesem Hintergrund in der Praxis überwiegend vom Betriebsrat aus. Auch für Arbeitgeber bietet sich jedoch an, derartige Verhandlungen nicht lediglich als lästige Pflichtaufgabe, sondern als Chance zur Erreichung eigener Zwecke zu begreifen. Unter Berücksichtigung der jüngsten Entwicklungen in Gesetzgebung und Rechtsprechung bieten Betriebsvereinbarungen interessante Gestaltungsmöglichkeiten für dringend umzusetzende Regelungen, insbesondere auf dem Gebiet des Datenschutzrechts, das mit der Einführung der DS-GVO neue Anforderungen bereithält, die von den Unternehmen umgesetzt werden müssen, und für der neue § 26 Abs. 1; Abs. 4 BDSG Betriebsvereinbarungen als geeignete Rechtsgrundlage für Datenverarbeitungsvorgänge anerkennt. Neben diesem Compliance-Aspekt ist auch zu erwähnen, dass Betriebsvereinbarungen häufig sogar die Möglichkeit der Änderung individualvertraglicher Klauseln bieten dürften, wenn letztere Allgemeine Geschäftsbedingungen darstellen, da letztere den Wunsch des Arbeitgebers nach einheitlichen Regelungen im Betrieb zum Ausdruck bringen (vgl. BAG, 05.03.2013 – 1 AZR 417/12).

Neues Datenschutzrecht als Regelungsanlass

Anlass für derartige Regelungen bieten die zum 25.05.2018 in Kraft tretenden Regelungen der DS-GVO. Der konkrete Bedarf ist einzelfallabhängig, denkbar ist etwa die Neustrukturierung der IT-Landschaft infolge der aus Art. 25 DS-GVO resultierenden Pflicht zur datenschutzfreundlichen Technikgestaltung, die Anpassung der IT-Sicherheit infolge der entsprechenden Anordnung in Art. 5 lit. f DS-GVO oder schlicht die Neugestaltung oder gar erstmalige Einführung von Erhebungs- und Löschkonzepten als Grundlage für die rechtmäßige Verarbeitung und das von Art. 30 DS-GVO geforderte Verarbeitungsverzeichnis.

Neben die Anforderungen an die Rechtmäßigkeit der Datenerhebung und Datenverarbeitung tritt gemäß Artt. 12 ff. DS-GVO das Transparenzgebot mit den weitreichenden Informationspflichten der Artt. 13 und 14 DS-GVO, für die weder die DS-GVO noch das neue BDSG Ausnahmen für Beschäftigungsverhältnisse vorsehen, und die sich im Rahmen von Kollektivvereinbarungen häufig deutlich komfortabler erfüllen lassen werden als durch individuelle Maßnahmen.

Konzeption – Verhandlung – Regelung

Vorweg: Die eine allgemeingültig optimale Verfahrensweise auf dem Weg zum Abschluss angemessener Betriebsvereinbarungen gibt es nicht. In den meisten mitbestimmten Betrieben hat sich eine individuelle, mehr oder weniger kooperative und konstruktive Verhandlungskultur gebildet.

Für Arbeitgeber bietet sich vor Verhandlungsbeginn generell die Prüfung des rechtlichen Rahmens, innerhalb derer sich die zu treffende Regelung aufgrund gesetzlicher Vorgaben bewegen muss. Im Bereich des IT- und Datenschutzrechts gilt dies aufgrund der Komplexität der Materie und der gesetzlich vorgegebenen Organisationspflichten ganz besonders. Ohne entsprechende Vorprüfung lässt sich kein geeignetes Verhandlungsziel bestimmen, mit der Folge, dass eine schlecht vorbereitete Betriebsvereinbarung rasch wieder gekündigt bzw. nachverhandelt werden muss.

Bei der Durchführung der Verhandlungen sind rechtlicher und technischer Sachverstand der Delegationen unverzichtbar. Der Arbeitgeber hat es dabei im Verhältnis leichter und wird Fachkräfte aus den Abteilungen IT und HR sowie den betrieblichen Datenschutzbeauftragten einbinden. Verfügt der Betriebsrat nicht über fachlich geeignete Mitglieder, entsteht ein Ungleichgewicht, dessen Behebung nicht zuletzt auch im Interesse des Arbeitgebers steht, weil Defizite des Betriebsrats einer sachgerechten Behandlung der Materie entgegenstehen und so die konstruktive Lösungsorientierung dem Misstrauen als Verhandlungsgrundlage weichen kann.

Da der Kreis der Anwender der Betriebsvereinbarung und der überwiegende Teil der Verhandlungsdelegationen regelmäßig nicht aus Juristen besteht, schadet es nicht, die gewünschten Regelungsinhalte zum besseren Verständnis der Parteien in den Zwischenentwürfen zunächst in Verhandlungsprosa zu fassen; die späteren Fassungen, insbesondere die Endfassung sollten jedoch auf jeden Fall juristisch präzise formuliert werden.

Das Team von MWW Rechtsanwälte berät Sie zu allen arbeitsrechtlichen, IT-rechtlichen und datenschutzrechtlichen Anliegen, setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung (Ansprechpartner: RA Johannes Zimmermann)!


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