Jobcenter muss Nachhilfe zahlen

  • 2 Minuten Lesezeit

Schüler aus Familien, welche Leistungen nach dem SGB II beziehen, können eine dauerhafte Übernahme der Kosten für Nachhilfeunterricht vom Jobcenter verlangen. Das Sozialgericht Braunschweig hat in einem nunmehr veröffentlichten Urteil vom 08.08.2013 (Az.: S 17 AS 4125/12) entschieden, dass zu einem menschenwürdigen Existenzminimum gehört, dass die staatliche Grundsicherung den Bedarf eines Schulkindes auf Lernförderung hinreichend deckt.

Geklagt hatten die Eltern eines 16-jährigen Schülers, welcher an einer Lese-Rechtschreib-Schwäche (LRS) und an der Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) leidet. Aufgrund eines im Vorfeld geschlossenen gerichtlichen Vergleiches hatte das Jobcenter Kosten der Nachhilfe im Fach Englisch für ein Jahr übernommen. Im Anschluss daran weigerte sich das zuständige Jobcenter dann, die Nachhilfe weiterhin zu bezahlen. Zur Begründung führt es aus, dass das Gesetz dies nicht vorsehe und die Versetzung des Jungen nicht gefährdet sei.

Vorliegend bejaht das Sozialgericht die Voraussetzungen für eine Förderung nach § 28 Abs. 5 SGB II (Leistungen zur Bildung und Teilhabe). Bei dem vom Kläger in Anspruch genommenen Nachhilfeunterricht handelt es sich um eine Lernförderung, die das Angebot der Schule, welche der Kläger besuchte, ergänzt, da in seiner Schule eine entsprechende Förderung nicht angeboten wurde.

Im Weiteren muss für jeden Einzelfall geprüft werden, ob die Lernförderung geeignet und erforderlich ist. Für diese Entscheidung ist eine auf das Schuljahresende bezogene prognostische Einschätzung unter Einbeziehung der schulischen Förderangebote zu treffen. Hier war zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger bereits im Zeitraum vom Februar bis Juni 2012 Nachhilfe im Fach Englisch erhalten hatte. Seine Note in Englisch hatte sich jedoch nicht verbessert. Dennoch war im vorliegenden Fall Nachhilfeunterricht für das Fach Englisch für den Kläger geeignet, um die durch schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen.

Das Gericht weist zwar explizit darauf hin, dass es auch vertretbar ist, eine Lernförderung für ungeeignet einzuschätzen, wenn der bisher bereits in Anspruch genommene Nachhilfeunterricht nicht zu einer Verbesserung der Leistung führte. Jedoch ist immer auf den konkreten Einzelfall abzustellen. Nicht allein entscheidend ist, dass sich die Schulnote verbessert. Ziel der Lernförderung kann es auch sein, dass sich die Note nicht verschlechtert. Zudem ist ein wesentliches Lernziel nicht nur die Versetzung in die nächsthöhere Klasse, sondern z. B. auch das Erreichen eines ausreichenden Leistungsniveaus. Dies ergibt sich aus den schulrechtlichen Bestimmungen.

Diesbezüglich muss eine Prüfung jedes konkreten Einzelfalles dahingehend erfolgen, ob die Nachhilfe geeignet und erforderlich ist, dem jeweiligen Betroffenen die Bildung zu ermöglichen, die er für seinen künftigen Berufsweg benötigt.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da das Jobcenter Berufung eingelegt hat. Es bleibt daher die Entscheidung des zuständigen Landessozialgerichtes abzuwarten.

Unabhängig davon sollte jedoch jedem Betroffenen in ähnlicher Lage empfohlen werden, einen Antrag auf Leistungen nach § 28 Abs. 5 SGB II beim zuständigen Jobcenter zustellen.


RAin Dörte Lorenz,

Fachanwältin für Familienrecht,

Tätigkeitsschwerpunkt Sozialrecht,

Tel. (0351) 80 71 8-56, lorenz@dresdner-fachanwaelte.de

Weitere Informationen, aktuelle Urteile und Termine sowie eine Anwaltsübersicht und unsere Serviceleistungen finden Sie im Internet unter www.dresdner-fachanwaelte.de.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von KUCKLICK dresdner-fachanwaelte.de

Beiträge zum Thema