Kann der Urlaubsanspruch verfallen?

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte sich bereits mehrfach mit der Frage beschäftigt, ob Urlaubsansprüche eines Arbeitnehmers verfallen können, wenn er seinen Urlaub wegen Erkrankung im Kalenderjahr und dem im Bundesurlaubsgesetz geregelten Übertragungszeitraum vom 3 Monaten nicht in Anspruch nehmen konnte (vgl. Az.: C-350/06 und C-520/06).

Der EuGH hat dies hinsichtlich des gesetzlich geregelten Mindesturlaubes seinerzeit verneint und damit viele Diskussionen hervorgerufen, da für Arbeitgeber die Gefahr bestand, dass Urlaubsabgeltungen  möglicherweise für Jahre ggf. auch Jahrzehnte zur Diskussion stehen und so zu einer erheblichen finanziellen Belastung werden könnten.

Mit seiner Entscheidung vom 22.11.2011 (C-214/10) befasste sich der EuGH nun mit der Frage, ob in Tarifverträgen hierfür eine  Ausschlussfrist von 15 Monaten rechtmäßig sei, ob also nach Ablauf von 15 Monaten im Anschluss an das Urlaubsjahr der Anspruch auf Urlaub bzw. ein Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen kann.

Dies wurde bejaht und u.a. damit begründet, dass Urlaub nicht zum Horten da sei  und ein Recht auf unbegrenztes Ansammeln von Urlaubsansprüchen während eines langen Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit nicht dem Zweck des Urlaubsanspruchs entspräche.

Diese Auffassung hat auch das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 07.08.2012 (9 AZR 353/10) übernommen und dargestellt, dass § 7 Abs. 3 S. 3 des Bundesurlaubsgesetzes, wonach ein Verfall von Urlaub und Urlaubsabgeltung nach drei Monaten eintritt, europarechtskonform nun so auszulegen ist, dass der Urlaub und Anspruch auf Urlaubsabgeltung nach 15 Monaten verfällt. Damit ist zumindest Klarheit geschaffen, denn für den Urlaubsanspruch gelten  nun das Bezugsjahr und zusätzlich 15 Monate Übertragungszeitraum, insgesamt als 2 Jahre und 3 Monate.

Die Übertragung des Urlaubs auf das nachfolgende Kalenderjahr sollte zu Beweiszwecken aber  beim Arbeitgeber schriftlich beantragt werden. Denn eine Übertragung ist nur zulässig, wenn entweder betriebliche Gründe oder persönliche Gründe des Arbeitnehmers vorliegen. Betriebliche Gründe sind z. B. personelle Engpässe in Saisonbetrieben, erhöhter Arbeitsbedarf,  Inventurarbeiten für den Jahresabschluss oder Urlaubsabwesenheit anderer Kollegen. Der häufigste Fall der personenbedingten Gründe  ist die andauernde Erkrankung des Arbeitnehmers. Beweispflichtig für das Vorliegen eines solchen Grundes ist der Arbeitnehmer.

Was geschieht aber mit dem Urlaubsanspruch, den ein verstorbener Arbeitnehmer vor seinem Tod nicht mehr in Anspruch nehmen konnte. Verfällt dieser gänzlich?

Entgegen der bisherigen Praxis des Bundesarbeitsgerichtes hat der EuGH (C-118/13) hierzu entschieden, dass der Tod eines Arbeitnehmers nicht rückwirkend zum Verlust seines Urlaubsanspruches führt.

Bisher vertrat das Bundesarbeitsgericht zur Vererbbarkeit von Urlaubsansprüchen die Auffassung, dass mit dem Tod eines Arbeitnehmers auch das Arbeitsverhältnis endet und damit die höchstpersönlichen Leistungspflichten untergehen, sowie ein etwaiger Urlaubsanspruch dann verwirkt sei.

Der EuGH beantwortete eine deshalb gestellte Anfrage des Landesarbeitsgerichtes Hessen dahingehend, dass das Recht der Europäischen Union einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegenstehe, sofern diese für den Fall des Todes des Arbeitnehmers die Abgeltung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub ausschließen. Die bisherige Rechtsprechungspraxis des Bundesarbeitsgerichtes  in diesen Fällen scheint also nicht mit EU-Recht vereinbar.

In der Begründung stützt sich der EuGH auf seine Richtlinie 2003/88, in der der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub geregelt ist. Stirbt ein Arbeitnehmer bevor er seinen nicht verfallenen Urlaub nehmen konnte, so sei es unerlässlich diesen Urlaub abzugelten, um die praktische Wirksamkeit des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub sicherzustellen. Der unwägbare Eintritt des Todes des Arbeitnehmers dürfe nicht rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub führen.

Letztlich ist jedoch jeder Einzelfall gesondert zu prüfen. Es bleibt abzuwarten wie sich die Rechtsprechung der Arbeitsgerichte hierzu weiterentwickelt.


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