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Kann die Übergabe eines Prospektes die Beratung bei einer Kapitalanlage ersetzen?

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Bevor Verbraucher eine Kapitalanlage erwerben, kommt es regelmäßig zu einem Beratungsgespräch. Vor oder im Laufe der Beratung wird oftmals ein Prospekt vorgelegt. Fraglich ist, ob und wann ein solcher Prospekt die Beratung des Bankangestellten ersetzen kann.

Der BGH entschied 2005, dass es als Mittel zur Aufklärung den Anlegerinteressen genügen könne, wenn „statt einer mündlichen Aufklärung im Rahmen des Vertragsanbahnungsgesprächs ein Prospekt über die Kapitalanlage überreicht“ wird. Dies gelte aber nur, so der II. Zivilsenat, wenn der Prospekt „dem Anlageinteressenten so rechtzeitig vor dem Vertragsschluss überlassen worden“ ist, „dass sein Inhalt noch zur Kenntnis genommen werden konnte“.

Die Frage lautet mithin, wann liegt „Rechtzeitigkeit“ vor?

Der BGH entschied, dass eine Übergabe des Prospektes zwei Wochen vor Zeichnung ausreichend sei. Eine Prospektübergabe einen Tag vor der Zeichnung wir allerdings als nicht rechtzeitig angesehen (BGH, Beschl. v. 19.07.2011, Az.: BGH 2011-07-19 Aktenzeichen XI ZR 191/10, Rn. 18).

Eine Aufklärung durch die Übergabe von Verkaufsprospekten liegt nur dann vor, wenn der Anleger die tatsächliche Möglichkeit hat, von den Informationen Kenntnis zu erlangen, (vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 23.03.2010 – 17 U 128/09; OLG Frankfurt a.M. vom 05.05.2007 – 10 U 105/06). Die Risiken müssen dem Prospekt daher zu entnehmen sein.

Die Übergabe des Prospektes reicht zudem nicht, wenn der Berater davon abweichende Erklärungen abgibt. Denn der Kunde kann auf die Aussagen des Beraters im persönlichen Informationsgespräch vertrauen (vgl. OLG Frankfurt a.M. vom 05.05.2007 – 10 U 105/06; OLG Düsseldorf v. 30.03.2006 – I 6 U 84/05).

Stefan Piotrowski, Rechtsanwalt und u.a. Fachanwalt für das Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Kanzlei SH Rechtsanwälte in Essen, berät Sie gerne bei Fragen aus dem Kapitalanlagerecht.


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