Kann ich eine vom Arbeitgeber angeordnete ärztliche Untersuchung verweigern?

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Der Arbeitnehmer ist für längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt. Der Arbeitgeber verlangt von ihm, sich vom Betriebsarzt untersuchen zu lassen, weil er die Ursachen der Krankheiten erfahren will. Der Arbeitnehmer verweigert dies unter Berufung auf die ärztliche Verschwiegenheitspflicht. Krankheitsursachen dürfe der Arbeitgeber nicht erfahren.

Zu Recht?

Der Arbeitnehmer ist im Normalfall nicht verpflichtet, sich vom Betriebsarzt untersuchen zu lassen, nur, weil der Arbeitgeber dies wünscht. Es gibt auch keine „ungeschriebene“ Pflicht des Arbeitnehmers zur betriebsärztlichen Untersuchung im laufenden Arbeitsverhältnis.

Allerdings kann sich aus vertraglich geregelten Nebenpflichten ergeben, dass der Arbeitnehmer verpflichtet ist, seine Leistungsfähigkeit durch eine vom Arbeitgeber angeordnete Untersuchung nachzuweisen. Diese Nebenpflichten können sich zum einen aus Tarifverträgen, zum anderen aus dem Arbeitsvertrag selbst, ergeben.

Nach § 3 Abs. 4 des Tarifvertrags für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes ist der Arbeitgeber bei begründeter Veranlassung berechtigt, den Beschäftigten zu verpflichten, durch ärztliche Bescheinigung nachzuweisen, dass er zur Leistung der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit in der Lage ist. Der Arbeitgeber benötigt im Rahmen von § 3 TVöD einen „begründeten Anlass“ für die Untersuchung und er darf von der Befugnis nicht willkürlich Gebrauch machen. Eine begründete Veranlassung für eine betriebsärztliche Untersuchung liegt nicht bereits dann vor, wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Beschäftigten hegt (Howald, in: Burger, Kommentar zum TVöD, § 3 Rn. 42). Der Arbeitgeber muss Zweifel an der Arbeitsfähigkeit, nicht an der Arbeitsunfähigkeit haben. Die Zweifel müssen durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte gestützt die Vermutung veranlassen, dass der Beschäftigte nicht nur momentan für kurze Zeit, sondern für einen unabsehbaren Zeitraum arbeitsunfähig oder auf Dauer berufs-bzw. erwerbsunfähig ist.

Anlass für die Untersuchung kann sein: Der Arbeitnehmer ist langzeiterkrankt. Der Arbeitnehmer bietet seine Arbeitskraft an, verweigert aber die Tätigkeit als Elektrotechniker, weil er diese gesundheitsbedingt nicht ausüben könne. Der Arbeitgeber möge ihm eine andere Arbeit zuweisen. Der Arbeitgeber fordert den Arbeitnehmer auf, seine Tätigkeit als Elektrotechniker aufzunehmen. Er fordert den Arbeitnehmer zu einer Untersuchung nach § 3 Abs. 4 TVöD auf, was dieser mehrfach verweigert. Der Arbeitgeber erteilt dem Arbeitnehmer eine Abmahnung und fordert ihn auf, die Untersuchung vornehmen zu lassen.

Fall gebildet nach: LAG Hamm, v. 09.06.2016 – gerichtl. Aktenzeichen: 15 Sa 131/16

Gegenstand dieser Untersuchung ist dann aber nicht die Ermittlung und Weitergabe von Krankheitsursachen an den Arbeitgeber, sondern der Nachweis der Leistungsfähigkeit. Im Ausgangsfall kann der Arbeitnehmer natürlich seine Mitwirkung an der Offenlegung seiner Krankheitsursachen verweigern.

Was passiert, wenn ich mich weigere, an einer Untersuchung meiner Leistungsfähigkeit mitzuwirken?

Ein Verstoß gegen eine einzelvertraglich vereinbarte oder tariflich geregelte Mitwirkungspflicht des Arbeitnehmers ist je nach den Umständen geeignet, eine Kündigung, auch eine außerordentliche Kündigung eines tariflich ordentlich nicht mehr kündbaren Arbeitnehmers zu rechtfertigen.

Bundesarbeitsgericht v. 27.09.2012 – gerichtl. Aktenzeichen: 2 AZR 811/11

Was gilt außerhalb tariflicher Verpflichtungen zur betriebsärztlichen Untersuchung?

Wenn es keinen Tarifvertrag oder eine entsprechende Betriebsvereinbarung gibt, die eine betriebsärztliche Untersuchung ermöglichen, kommt es auf den Arbeitsvertrag an. Vereinbarungen, die eine ärztliche Untersuchung vorschreiben, unterliegen der Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Nach herrschender Auffassung kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer im Arbeitsvertrag verpflichten, bei gegebener Veranlassung an der Prüfung seiner gesundheitlichen Eignung für die arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten mitzuwirken.

Daher sollte der Beschäftigte nicht einfach jede Untersuchung verweigern, sondern sich zunächst Klarheit darüber verschaffen, welche Verpflichtungen bestehen. Bei Unsicherheiten sollte lieber anwaltliche Hilfe hinzugezogen werden.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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