Kein Anspruch auf stundenweise Urlaubsgewährung

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Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat entschieden, dass Arbeitnehmer keinen Anspruch darauf haben, stundenweise beurlaubt zu werden. Darauf weist Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald aus Stuttgart hin.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg. v. 28.09.2017 – 11 Sa 39/17

Worum ging es?

Der Arbeitnehmer arbeitet bei einem kommunalen Abfallzweckverband. Er ist dort Mitglied des Personalrats. Die Anwendbarkeit des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst im Anwendungsbereich der kommunalen Arbeitgeberverbände ist im Arbeitsvertrag vereinbart. In dem Betrieb wird im Wechsel an fünf oder sechs Tagen in der Woche gearbeitet. In der Vergangenheit war es möglich, dass Arbeitnehmer auch stundenweise Urlaub nehmen konnten. Die Gemeindeprüfungsanstalt rügte diese Praxis im Jahr 2016. Daraufhin stellte der Arbeitgeber die stundenweise Urlaubsgewährung ein.  

Der Kläger wehrt sich hiergegen mit seiner Klage. Er meint, die Beklagte müsse auch zukünftig stundenweise Urlaub gewähren. Es handle sich um eine „betriebliche Übung“, von der der Arbeitgeber nicht einseitig wieder abweichen dürfe.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich bei der Art und Weise der Urlaubsgewährung um eine Nebenabrede im Sinne von § 2 Absatz 3 Satz 1 TVöD-V handle. Danach seien Nebenabreden nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart würden. Eine schriftliche Regelung gebe es jedoch hierzu unstreitig nicht.

Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Zu den Nebenabreden im Sinne von § 2 Abs. 3 S. 1 TVöD-V zähle die Urlaubspraxis nicht. In der Praxis bekämen Arbeitnehmer häufig halbtags oder stundenweise Urlaub.

Was hat das Landesarbeitsgericht entschieden?

Die Berufung beim Landesarbeitsgericht blieb erfolglos. Aus dem TVöD-V ergebe sich kein Anspruch auf stundenweise Urlaubsgewährung. Nach § 26 TVöD-V bestehe der Urlaubsanspruch in „Arbeitstagen“. Die Gewährung von Bruchteilen von Urlaubstagen sei im TVöD nicht vorgesehen. Auch aus dem Bundesurlaubsgesetz ergebe sich gerade kein Anspruch auf Bruchteile von Urlaubstagen. Aber auch ein Anspruch aus betrieblicher Übung bestehe nicht.

§ 2 Abs. 3 TVöD stehe dem entgegen. Es fehle an einer entsprechenden Schriftform. Die stundenweise Urlaubsgewährung sei in diesem Sinne eine „Nebenabrede“. Nebenabreden seien die Vertragsbestandteile, die nicht zur „Hauptabrede“ gehörten. Zu den Nebenabreden seien nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu rechnen:

  • Gewährung außertariflicher Leistungen wie z.B. ein Essenszuschuss
  • zusätzliche Trennungsentschädigung
  • unentgeltliche Beförderung zu und vom Arbeitsplatz
  • Gewährung eines Mankogeldes an Kantinenverkäuferin
  • Rückzahlung von Ausbildungskosten
  • Ausschluss oder Verkürzung der Probezeit des § 2 Absatz 4 TVöD
  • Qualifizierungsvereinbarung gem. § 5 Absatz 5 TVöD.

Nebenabreden bedürfen nach § 2 Absatz 3 S. 1 TVöD-V zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, andernfalls sind sie nichtig, § 125 BGB. Damit sind allein die eigentlichen Hauptabreden des Arbeitsvertrags formfrei.

Wieviel Prozent der von dem Beschäftigten gewünschte stundenweise Urlaub vom tariflichen Jahresurlaub ausmacht, ist laut Landesarbeitsgericht irrelevant. Ebenso komme es nicht darauf an, ob andere Arbeitgeber dies anders handhaben.

Auswirkungen auf die Praxis:

Wenn Ihnen der Arbeitgeber stundenweise Urlaub gewährt, ist dies in Ordnung, der Arbeitgeber muss dies aber nicht. Anders ist es, wenn der Arbeitgeber dies schon über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos so gehandhabt hat. Dann kommt eine betriebliche Übung in Betracht. Die Vorschrift des § 2 Abs. 3 TVöD-V, der Nebenabreden unter einen Schriftformvorbehalt stellt, gilt nur in deren Anwendungsbereich, nicht für alle Arbeitsverhältnisse. Es muss dann aber geprüft werden, ob in dem konkreten Fall eine andere Schriftformklausel das Entstehen einer betrieblichen Übung verhindert.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart


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