Kündigung im Kleinbetrieb – ein praktisches Beispiel

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Mitarbeiter Müller, 20 Jahre alt, unverheiratet, keine Kinder, ist fassungslos – aus dem Nichts kündigt ihm sein Arbeitgeber, die Firma Meier, ein kleiner Handwerksbetrieb ohne Tarifbindung. Müller ist seit etwas mehr als einem halben Jahr dabei, der Betrieb beschäftigt insgesamt drei Mitarbeiter und regelmäßig noch einen Auszubildenden. Mit der Kündigung geht er nun zur Agentur für Arbeit. Er meldet sich arbeitssuchend. Außerdem sucht er einen Anwalt auf, er will wissen, ob alles mit rechten Dingen zugegangen ist.

In dem Kündigungsschreiben heißt es: „Hiermit kündigen wir Ihnen mit der vereinbarten Frist von drei Arbeitstagen“.

Im Gespräch mit dem Anwalt erklärt Müller, wohl gebe es einen betrieblichen Grund für den Rauswurf, denn Aufträge gebe es nicht genug, aber dass die Sache so schnell enden soll, versteht er einfach nicht. Außerdem versteht er nicht, dass es gerade ihn trifft und nicht einen der Kollegen. Da muss es doch einen Schutz geben!

Wie sieht es nun aus mit dem Kündigungsschutz?

Das Kündigungsschutzgesetz ist bei Müller in der Tat nicht anwendbar, dafür fehlt es dem Betrieb an einer ausreichenden Zahl von Mitarbeitern. Der Arbeitsvertrag, ein vom Arbeitgeber vorformuliertes Schriftstück, sieht vor, dass die Kündigungsfrist drei Tage beträgt.

Arbeitgeber beklagen sich oft über die strengen Vorgaben des Arbeitsrechts. Steuern, Abgaben, Lohn bei Krankheit, eine Vielzahl von Arbeitsschutzregelungen, der Kündigungsschutz, überall, so heißt es zuweilen, lauern „Gefahren“. Bei Kleinbetrieben sind Lohnkosten natürlich ein erheblicher Faktor. Man möchte ja auch flexibel auf Auftragsschwankungen reagieren. Ein Unternehmen mit tausenden von Mitarbeitern kann so etwas schließlich besser verkraften. Außerdem besteht natürlich eine große Angst vor Kündigungsschutzprozessen, in denen man vermeintlich von Anwälten und Richtern zu einem Abfindungsvergleich „gedrängt“ werden könnte.

Nun wieder zu unserem Fall:

Arbeitnehmer Müller erhebt Klage gegen die Kündigung des Arbeitgebers Meier. Das Arbeitsgericht fällt ein Urteil. Das Anstellungsverhältnis hat durch die Kündigung geendet, aber natürlich nicht schon nach drei Tagen, sondern erst mit Ablauf von vier Wochen zum Monatsende.

Das Gericht hat so entschieden, weil die Kündigungsfrist von drei Tagen eindeutig zu kurz war. Arbeitgeber müssen sich an die gesetzlichen Kündigungsfristen halten. Tarifverträge können zwar kürzere Kündigungsfristen vorsehen, aber im vorliegenden Fall war kein Tarifvertrag einschlägig.

Der Arbeitgeber hatte die arbeitsvertraglich vereinbarte kürzere Kündigungsfrist noch damit begründet, es könne nicht sein, dass er an längere Kündigungsfristen gebunden sei, schließlich sei er doch ein Kleinbetrieb.

Nein, da hat der Arbeitgeber unrecht. Denn im Gesetz steht, dass Arbeitgeber mit mehr als 20 Mitarbeitern von der gesetzlichen Kündigungsfrist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Monatsende abweichen darf, aber die Frist darf vier Wochen nicht unterschreiten.

Worin liegt denn dann noch der Abweichungsspielraum des Arbeitgebers? 

Ganz einfach: Die Frist von vier Wochen, mit anderen Worten also 28 Tagen, ist immer einzuhalten, auch im Kleinbetrieb.

Nur der feste Endtermin kann „abbedungen“, also anders vereinbart, werden. Der Arbeitgeber mit Kleinbetrieb darf also vereinbaren, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis vier Wochen nach Zugang der Kündigung beendet, also eventuell auch vor einem Fünfzehnten oder dem Monatsende.

Beispiel: Die Kündigung geht am 04. September zu. Am 02. Oktober endet dann das Arbeitsverhältnis, wenn es sich dabei nicht um einen Sonn- oder Feiertag handelt.

Kein Kündigungsschutzgesetz bei Kleinbetrieben 

Wer einen Kleinbetrieb hat, der muss das Kündigungsschutzgesetz nicht berücksichtigen.

So weit so gut. Deshalb gibt es ja die Betriebsgröße im Kündigungsschutzgesetz als Unterscheidung. Mehr als zehn Vollzeitarbeitnehmer bilden einen Betrieb mit Kündigungsschutzgesetz, alles mit oder unterhalb von zehn Arbeitnehmern ist ein Kleinbetrieb. Teilzeitarbeitnehmer zählen nach einem bestimmten Schlüssel anteilig.

Ausnahme: „Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme“

Das Bundesverfassungsgericht schreibt einen Mindestschutz vor betriebsbedingten Kündigungen im Kleinbetrieb vor. Dieser Schutz wird dadurch vermittelt, dass eine betriebsbedingte Kündigung im Kleinbetrieb nicht willkürlich sein oder von sachfremden Überlegungen geleitet werden darf. Dies soll dann der Fall sein, wenn bei mehreren infrage kommenden Arbeitnehmern dem sozial schwächsten gekündigt wird. Der sozial schwächste ist derjenige mit dem höchsten Lebensalter, der längsten Betriebszugehörigkeit, den meisten Unterhaltspflichten bzw. einer Schwerbehinderung.

Der junge und kinderlose Arbeitnehmer Müller konnte sich in unserem Beispiel darauf nicht berufen. Er muss hinnehmen, dass der Arbeitgeber ihm mit einer Frist von vier Wochen zum Fünfzehnten oder zum Monatsende kündigen durfte.

Fazit: Die Kündigung als solche war haltbar, die Kündigungsfrist nicht

Für den Arbeitgeber Meier hat sich das „Manöver“ mit der ultrakurzen Kündigungsfrist nicht wirklich gelohnt: Der Mitarbeiter wusste sich nicht anders als mit der Klage zu wehren. Andererseits gilt bei Meier aufgrund der kleinen Betriebsgröße das Kündigungsschutzgesetz nicht. Er muss allerdings den Mindestkündigungsschutz im Kleinbetrieb bei betriebsbedingten Kündigungen beachten.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart 


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