Veröffentlicht von:

Kürzung der Versicherungsleistung auf Null bei grober Fahrlässigkeit in Ausnahmefällen

  • 1 Minuten Lesezeit

Der BGH hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die seit 2008 geltenden Bestimmungen des Versicherungsvertragsgesetzes und hierauf basierender Versicherungsbedingungen zur Haftungsverteilung bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers es zulassen, dass der Versicherer vollständig von seiner Leistungspflicht befreit werden kann.

Hintergrund ist, dass seit 2008 das früher geltende „Alles- oder Nichts-Prinzip", wonach der Versicherer schon bei grober Fahrlässigkeit des Versicherungsnehmers leistungsfrei war, abgelöst wurde durch eine Regelung nach der die Versicherungsleistung im Verhältnis des Verschuldens gekürzt werden kann.

Im Streitfall fuhr ein Autofahrer mit mehr als 2,00 Promille (somit absolut fahruntüchtig) und verursachte einen Unfall. Seine eigene Haftpflichtversicherung verweigerte die Regulierung des Fremdschadens mit dem Hinweis auf grobe Fahrlässigkeit bzw. nahm den Fahrer auf Ersatz der von ihr an den Geschädigten geleisteten Zahlungen in Anspruch. Der Kfz-Haftpflichtvertrag enthält eine Klausel mit dem Wortlaut: „Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere der Schuld entsprechenden Verhältnis zu kürzen." Der Versicherungsnehmer vertrat die Auffassung, dieser Wortlaut lasse zwar eine Kürzung, nicht aber eine Kürzung auf null zu, bei einer Kürzung müsse eben immer noch etwas übrig bleiben.

Der BGH hat entschieden, dass „kürzen" im Einzelfall auch „Wegfall" bedeuten kann, auch wenn das alte „Alles- oder Nichts-Prinzip" nicht mehr gilt. Allerdings betont der BGH, dass es auf die besonderen Umstände des Einzelfalles ankomme und es sich um Ausnahmefälle handeln müsse.

Die Entscheidung zeigt, dass das allgemeinsprachliche Verständnis von Vorschriften nicht immer dem entspricht, was Gerichte dazu meinen. Möglicherweise führt diese Rechtsprechung auf Dauer dazu, dass sich bestimmte Fallgruppen herausbilden (z.B.Trunkenheitsfahrten mit mehr als 1,1 Promille), in denen der Versicherer sich auch bei „nur" grober Fahrlässigkeit auf vollständige Leistungsfreiheit berufen darf. Vielleicht wird künftig zwischen „normaler" und „besonders grober" grober Fahrlässigkeit unterschieden.

BGH, Urteil vom 11.Januar 2012, Aktenzeichen IV ZR 251/10 

Rechtsanwalt Jakob Schomerus


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Heinz Rechtsanwälte

Beiträge zum Thema