Lebensversicherung und Pflichtteil

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Ein Fall, wie er täglich vorkommt: Die Mutter verstirbt, und hat eines ihrer beiden Kinder zum Alleinerben bestimmt. Zusätzlich bekommt dieses Kind auf Grund widerruflicher Bezugsberechtigung eine größere Summe aus der Lebensversicherung der Mutter ausbezahlt. Das weitere Kind ist pflichtteilsberechtigt. Der Pflichtteil wird jedoch nur aus dem Hinterlassenen ohne die Lebensversicherungssumme berechnet. Ob es eine Pflichtteilsergänzung wegen der ausbezahlten Versicherung gibt, und wie diese zu berechnen ist, war in der Vergangenheit nicht nur zwischen den erbenden und den enterbten Geschwistern streitig, sondern wurde auch in der Rechtsprechung und in der Literatur unterschiedlich beantwortet.

Am 28.4.10 hat der Bundesgerichtshof in zwei Urteilen (IV ZR 73/08 und IV ZR 230/08) dazu letztinstanzlich Stellung genommen, und somit die bisher streitigen Fragen aus dem Weg geräumt. Nach seiner Auffassung unterliegt die auf Grund einer widerruflichen Bezugsberechtigung ausgezahlte Versicherungssumme der Pflichtteilsergänzung, jedoch nicht in der Höhe der tatsächlich ausgezahlten Versicherungsleistung, sondern in Höhe des (normalerweise wesentlich niedrigeren) Rückkaufswertes zum Todestag. Dieser Wert kann leicht durch eine Anfrage an die Versicherungsgesellschaft ermittelt werden.

Insbesondere dann, wenn die Bezugsberechtigung bereits seit längerer Zeit besteht, könnte man daran denken, dass die Regel des § 2325 III BGB anzuwenden ist, das heißt für jedes Jahr der Bezugsberechtigung ein Zehntel des Schenkungswerts abgezogen wird. Explizit hat sich der Bundesgerichtshof damit zwar nicht befasst, jedoch wird man nach seiner Argumentation davon auszugehen haben, dass er diesen Gedanken verwirft. Er geht nämlich davon aus, dass die Schenkung erst im Todeszeitpunkt vollzogen ist. Folglich ist der gesamte Rückkaufswert der Versicherung der Pflichtteilsergänzung zu unterwerfen.

Leider ist nicht damit zu rechnen, dass damit alle Fragen der Pflichtteilsergänzung im Zusammenhang mit der Auszahlung einer Lebensversicherung geklärt sind. Zum einen lässt es der Bundesgerichtshof selber offen, ob nicht in Ausnahmefällen sogar eine höhere Wertberechnung als der Rückkaufswert, bis hin zur vollen, ausgezahlten Versicherungssumme, in die Pflichtteilsergänzung einbezogen werden muss. Zum anderen hat er nicht explizit dazu Stellung genommen, ob es eine Auskunftsverpflichtung des Bezugsberechtigten der Versicherung über die Höhe des ihm zugeflossenen Vermögens (bzw. des Rückkaufswertes) gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten gibt. Dies war bereits bisher in der Rechtsprechung umstritten. Der BGH zieht sich hier nur auf die allgemeine Formulierung zurück, dass der Pflichtteilsberechtigte die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe des Pflichtteilsergänzungsanspruchs trage. Dies spricht gegen eine Auskunftspflicht des mit den Pflichtteil belasteten Erben. Andererseits ist ein solcher Pflichtteilsergänzungsanspruch nichts wert, wenn der Pflichtteilsberechtigte keine Informationen über die Versicherungsleistung hat. Somit könnte gemäß § 242 BGB doch ein Auskunftsanspruch gegeben sein. Im Pflichtteilsrecht wird deshalb weiterhin auch vor Gericht gestritten werden können.

Rolf Hörnlein Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht

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