Leiharbeit: Nicht immer "Equal Pay"

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Leiharbeiter dürfen für die gleiche Tätigkeit ein geringeres Arbeitsentgelt erhalten als die Stammarbeitnehmer des entleihenden Unternehmens. Dies hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) mit Urteil vom 31.05.2023 (Az: 5 AZR 143/19) entschieden.


Sachverhalt

Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die im Einzelhandel einem anderen Unternehmen im Wege der Leiharbeit als Kommissioniererin überlassen worden war. Sie erhielt einen Brutto-Stundenlohn in Höhe von 9,23 EUR, während andere Stammarbeitnehmer einen Brutto-Arbeitslohn von 13,64 EUR verdienten. Klageweise verlangte sie die Zahlung der entsprechenden Differenz.

Sie machte geltend, dass die ungleiche Bezahlung gegen den Gleichstellungsgrundsatz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) verstoße. Zudem sei der für sie maßgebliche Tarifvertrag des Interessenverbandes Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) und ver.di nicht mit der Leiharbeits-Richtlinie der EU vereinbar, die den Gesamtschutz der Leiharbeitnehmer vorschreibt.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH), der mit diesem Fall bereits befasst war, hatte in seinem Urteil aus Dezember 2022 klargestellt, dass es zulässig sei, Leiharbeiter schlechter zu bezahlen, sofern diese Ungleichbehandlung im Tarifvertrag ausgeglichen wird (Urt. v. 15.12.2022, Az. C-311/21).


Entscheidung

Das BAG kam in seiner Entscheidung zu der Einschätzung, dass im Fall der klagenden Leiharbeiterin ein solcher Ausgleich vorhanden sei und sie daher keinen Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt habe. Der Ausgleich bestehe darin, dass sie auch während der verleihfreien Zeit weiterhin ihr Entgelt erhalte. Der für sie maßgebliche Tarifvertrag erfülle zusammen mit den gesetzlichen Schutzvorschriften für Leiharbeitnehmer die Anforderungen der europäischen Leiharbeits-Richtlinie.

Das BAG betonte, dass dieser Ausgleich sicher sei und nicht umgangen werden könne. Zudem habe der Gesetzgeber sichergestellt, dass der Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers das Wirtschafts- und Betriebsrisiko während der verleihfreien Zeiten trage. Zusätzlich dürfe die tarifliche Vergütung von Leiharbeitnehmern weder staatlich festgesetzte Lohnuntergrenzen noch den gesetzlichen Mindestlohn unterschreiten. Schließlich sei die Abweichung vom Grundsatz der gleichen Bezahlung („Equal Pay“) zeitlich grundsätzlich auf die ersten neun Monate der Überlassung an den Entleiher begrenzt.


Einordnung

Auch in der Leiharbeit herrscht der Grundsatz „Equal Pay“ (gleicher Lohn für gleiche Arbeit) – dieser wird auch durch die vorzeichnete Entscheidung nicht infrage gestellt. Das Gesetz sieht aber vor, dass durch Tarifvertrag von diesem Grundsatz innerhalb der ersten neun Monaten abgewichen werden kann; längere Abweichungen sind nur unter weiteren Voraussetzungen möglich. Jedenfalls für den Zeitraum der ersten neun Monate hat das Bundesarbeitsgericht – unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH – nunmehr klarstellt, dass eine solche Abweichung zulässig sein kann, wobei eine entsprechende Kompensation sichergestellt werden muss.


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