Leistungsausschluss zu Unrecht erklärt

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Mit Anerkenntnisurteil vom 19.02.2021 hat das Landgericht Hagen festgestellt, dass der von der privaten Krankenversicherung meiner Mandantin ausgesprochene Leistungsausschluss unwirksam ist und ihr Vertrag zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die 1987 geborene Angestellte hatte einen Antrag auf Abschluss einer privaten Krankenversicherung gestellt. Die Antragsfrage Nr. 11 lautete wörtlich: "Erfolgt zur Zeit zahnärztliche oder kieferorthopädische Behandlung oder ist angeraten oder beabsichtigt? Bitte Heil- und Kostenplan - falls vorhanden - beifügen".

Diese Frage beantwortete die Mandantin mit "nein". Nach Zustellung des Versicherungsscheines biss die Mandantin auf einen Kirschkern. Ihr Zahn 26 brach längs durch. Nach zahnärztlicher Behandlung übersandte sie die Abrechnungen an ihre private Krankenversicherung. Nach Erhalt der Rechnungen warf die Versicherung meiner Mandantin vor, sie sei vier Jahre zuvor bei einem Zahnarzt gewesen. Dieser habe ihr an dem Zahn 25 zu einer Kronenbehandlung und an einem weiteren Zahn 47 zu einer Wurzelspitzenresektion geraten. Das habe die Mandantin bei Antragstellung wahrheitswidrig nicht angezeigt. Sie mache deshalb von ihrem gesetzlichen Vertragsänderungsrecht Gebrauch. Der Vertrag würde mit einem Leistungsausschluss für Zahnersatzmaßnahmen und Zahnbehandlungen an den Zähnen 25 und 47 sowie alle damit im Zusammenhang stehenden Untersuchungen und Behandlungen weiter fortgeführt.

Im Klageverfahren habe ich der Versicherung vorgeworfen, sie habe zu Unrecht den Vertrag mit einem Leistungsausschluss versehen. Die im Antrag gestellte Frage beziehe sich nach ihrem eindeutigen Wortlaut nur auf "zur Zeit zahnärztliche oder kieferorthopädische Behandlungen". Die Zahnärzte, bei welchen die Mandantin vorher in Behandlung gewesen sei, hätten ihr weder zu einer Kronenbehandlung des Zahnes 25 noch zu einer Wurzelspitzenresektion des Zahnes 47 geraten. Die Klägerin habe die Frage also richtig beantwortet, so dass keine Berechtigung bestand, gemäß § 19 Abs. 5 VVG den Vertrag mit einem Leistungsausschluss zu versehen.

Das Landgericht hat in der mündlichen Verhandlung den Hinweis erteilt: Die Rechtsverteidigung der Versicherung habe keinen Erfolg. Die bereits grammatisch unrichtig gestellte Frage im Antragsformular sei auslegungsbedürftig, ob eine zeitliche Beschränkung in der Frage enthalten wäre oder nicht. Eine weitere Frage im Antragsformular enthalte keine zeitliche Beschränkung. In der Frage Nr. 7 sei das Wort "jemals" vorhanden, was in der Frage 11 nicht zu finden sei. In den weiteren Fragen 6, 8 und 9 habe die Beklagte jeweils einen zeitlichen Rahmen angegeben (3 Jahre, 10 Jahre, 5 Jahre).

Das spreche aus Sicht der Kammer dafür, dass in der entscheidenden Frage 11 gerade ein Zeitlimit nicht vereinbart werden sollte. Vielmehr sei nach Sinn und Zweck nur nach zur Zeit angeratenen oder beabsichtigten Behandlungen gefragt. Für eine entsprechende Auslegung dieser Frage, dass nur aktuelle oder angeratene Behandlungen gemeint sein sollen, spreche auch der nachfolgende Satz. Dort werde von einem gegebenenfalls vorhandenen Heil- und Kostenplan geschrieben. Zweifel bei der Auslegung dieser Frage gingen zu Lasten der Versicherung. Die Kammer hat deshalb geraten, den Klageantrag anzuerkennen.

Nach entsprechendem Anerkenntnis hat das Landgericht Hagen am 19.02.2021 festgestellt, dass der zwischen den Parteien bestehende Krankenversicherungsvertrag durch das Anpassungsschreiben der Beklagten nicht wirksam angepasst worden ist, sondern zu unveränderten Bedingungen fortbesteht. Die Versicherung wurde auch verurteilt, meine außergerichtlichen Gebühren und die gesamten Kosten des Prozesses in voller Höhe zu übernehmen.

(Anerkenntnisurteil Landgericht Hagen vom 19.02.2021, AZ: 10 O 115/20)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht & Verkehrsrecht

Foto(s): adobe stock Fotos

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