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Linksabbieger: So schaffen Sie die Kurve!

  • 6 Minuten Lesezeit
Esther Wellhöfer anwalt.de-Redaktion

Das Linksabbiegen ist ein alltägliches Fahrmanöver. Obwohl es zu den Grundlagen des Autofahrens zählt, passieren gerade beim Linksabbiegen häufig Unfälle. Und nicht selten müssen dann die Gerichte die genaue Schuldfrage klären. In vielen Fällen wird den Linksabbiegern eine Mitschuld gegeben, die anteilig bei der Haftungsquote berücksichtigt wird. Die Richter orientieren sich dabei nach dem Beitrag des jeweiligen Unfallbeteiligten zum Unfallgeschehen im konkreten Einzelfall. Das Redaktionsteam von anwalt.de schildert einige typische Verkehrsunfälle, anhand derer auch geübte Autofahrer ihre Kenntnisse über das Linksabbiegen auffrischen können.

Gesetzliche Vorgaben für den Abbiegevorgang finden sich vorrangig in § 9 Straßenverkehrsordnung (StVO), der zum Beispiel die Vorfahrtsregeln für Abbiegende untereinander aufstellt: Danach müssen Linksabbieger gegenseitig voreinander vorbeifahren, Rechtsabbieger haben grundsätzlich Vorrang vor Linksabbiegern. Aber darüber hinaus sind weitere wichtige Regeln beim Linksabbiegen zu beachten, wie die folgenden Beispiele verdeutlichen.


[image] Richtig und rechtzeitig blinken

Wer abbiegen will, muss dies zunächst rechtzeitig ankündigen und mit dem Blinker den anderen Verkehrsteilnehmern signalisieren. So schreibt es § 9 Absatz 1 StVO vor. Wer den Blinker vergisst oder falsch setzt, muss bei einem Unfall mithaften. Umgekehrt dürfen die anderen Verkehrsteilnehmer zwar grundsätzlich auf den Blinker vertrauen, wenn zusätzliche Anzeichen für das Abbiegemanöver bestehen, zum Beispiel wenn die Geschwindigkeit reduziert wird etc. Bis dahin muss man aber damit rechnen, dass das Blinklicht irrtümlich gesetzt worden sein kann, oder dass das andere Fahrzeug trotz Blinker weiter geradeaus fährt.

Das Oberlandesgericht Saarbrücken hatte über einen Fall zu entscheiden, bei dem ein Linksabbieger darauf vertraut hatte, dass das vorfahrtsberechtigte, von links kreuzende Fahrzeug nach rechts abbiegt, weil der Blinker für diese Richtung betätigt war. Doch anstatt abzubiegen, fuhr der Vorfahrtsberechtigte weiter. Weil der Linksabbieger in die Straße einbog, ohne nochmals nach links zu schauen, kam es an der Einmündung auf die Hauptstraße zur Kollision. Die Verkehrsrichter gaben dem Linksabbieger eine Mitschuld von 75 Prozent, für den Unfallgegner schlug der irrtümlich gesetzte Blinker mit 25 Prozent zu Buche. (Az.: 4 U 228/07 – 76)

Etwas milder urteilte das Oberlandesgericht Köln. Es sprach einem Linksabbieger eine Haftung von 50% zu. Der Grund: Er hatte sich auf das rechte Blinklicht seines Unfallgegners verlassen, obwohl dieser die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges nicht deutlich verringert hatte und - abgesehen von dem gesetzten Blinker - keine weitere Anzeichen darauf hindeuteten, dass er tatsächlich nach rechts abbiegen wollte. (Az.: 24 U 5/08)


Sorgfaltspflicht beim Einordnen

Ist an einer Ampel eine Linksabbiegerspur vorhanden, so sollte man beim Einordnen ebenfalls Vorsicht walten lassen. Denn § 7 Absatz 5 StVO bestimmt, dass die Fahrspur nur gewechselt werden darf, wenn andere Verkehrsteilnehmer nicht gefährdet werden. Wer sich beispielsweise falsch in die Geradeausspur eingeordnet hat, muss beim Wechseln auf die Linksabbiegerspur besonders auf andere Verkehrsteilnehmer Rücksicht nehmen, die auf der Linksabbiegerspur unterwegs sind.

Ein solcher Fall wurde vor dem Oberlandesgericht Celle verhandelt: Ein Autofahrer hatte sich versehentlich in die Geradeausspur eingeordnet. Als er seinen Irrtum bemerkte, scherte er nach links aus, um sich in die Linksabbiegerspur einzuordnen. Dabei stieß er mit einem anderen Auto zusammen, das sich von hinten auf der Linksabbiegerspur näherte. Die Richter wiesen dem Fahrer, der ausgeschert war, die Hauptschuld an dem Unfall zu. Denn er hätte sich erst vergewissern müssen, dass durch den Fahrspurwechsel keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Dem Fahrer des Fahrzeugs, das auf der Linksabbiegerspur unterwegs war, konnte dagegen kein Vorwurf gemacht werden. Denn er hatte die Linksabbiegerspur mit der innerorts erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h befahren. (Az.: 14 U 74/08)


Blick in den Rückspiegel

Vor dem Abbiegen hat der Fahrer eine doppelte Rückschaupflicht. Er muss sich vergewissern, dass der nachfolgende Verkehr nicht beeinträchtigt wird – und zwar sowohl beim Einordnen, als auch beim Abbiegevorgang selbst (§ 9 Absatz 1 StVO). Nur wenn eine Gefährdung des nachfolgenden Verkehrs ausgeschlossen ist, kann beim Abbiegen auf die Rückschau verzichtet werden. Kommt es zu einem Unfall mit einem überholenden Fahrzeug, muss der Linksabbieger beweisen, dass er seine doppelte Rückschaupflicht erfüllt hat. Hierfür reicht es nicht aus, wenn er sich korrekt eingeordnet und den Blinker richtig betätigt hat. Man muss auch beim Abbiegen nochmals den nachfolgenden Verkehr beobachten.

Das gilt insbesondere, wenn es auf der Fahrspur eng zugeht. Das Kammergericht hat in einem solchen Fall dem Linksabbieger 1/3 Mitschuld an einem Unfall mit einem überholenden Fahrzeug zugewiesen, weil er nach links abgebogen war, ohne sich ein zweites Mal zu vergewissern, dass hinter ihm fahrende Fahrzeuge nicht gefährdet werden. Grund: Bei eng herangerückten Nachfolgeverkehr haben Linksabbieger innerorts stets damit zurechnen, dass andere Verkehrsteilnehmer trotz gesetztem Blinker überholen. Notfalls muss der Linksabbieger mit dem Abbiegevorgang warten und den Überholenden erst passieren lassen. (Az.: 12 U 115/07)

Besonders vorsichtig müssen Abbiegende vorgehen, wenn sie beispielsweise in eine Grundstückseinfahrt abbiegen wollen (§ 9 Absatz 5 StVO). Wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer droht, muss man sich notfalls einweisen lassen. Die Beweislast hierfür trägt der Abbiegende. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht Düsseldorf einem Autofahrer eine Mitschuld von 25 Prozent zugewiesen, weil er nicht beweisen konnte, dass er beim Abbiegen in eine Grundstückseinfahrt besonders darauf geachtet hatte, dass keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet werden. Der Unfall hatte sich beim Abbiegen in eine Grundstückseinfahrt mit einem Motorradfahrer ereignet, der von hinten ausgeschert war und überholen wollte. (Az.: 20 S 130/06)


Gegenverkehr beachten

In § 9 Absatz 3 StVO ist die Vorfahrtsberechtigung entgegenkommender Fahrzeuge vorgeschrieben, wenn es keine spezielle Ampel für Linksabbieger gibt. Wer beim Linksabbiegen nicht den Gegenverkehr zuerst passieren lässt, begeht einen groben Verkehrsverstoß.

Sogar wenn das entgegenkommende Fahrzeug bei Gelb oder in der frühen Rot-Phase über die Ampel fährt oder viel zu schnell unterwegs ist, müssen Linksabbieger mit Nachzüglern rechnen und dem Gegenverkehr Vorfahrt gewähren. Das hat das Landgericht Karlsruhe bestätigt. Hier musste der Linksabbieger selbst für seinen Unfallschaden aufkommen. (Az.: 3 O 471/05)

Weil er diese essentielle Regel missachtet hatte, wurde ein Motorradfahrer bei einem Unfall schwer verletzt. Er war mit einer Gruppe anderer Biker unterwegs. Einer fuhr an den Rand der Gegenfahrbahn und wollte diese für den Gegenverkehr sperren, damit die Motorradfahrer in der Gruppe nach links abbiegen können. Als der junge Mann abbiegen wollte, wurde er von einem entgegenkommenden, geradeaus fahrenden Fahrzeug erfasst. Der Autofahrer hatte – obwohl er die Handzeichen des anderen Motorradfahrers hätte bemerkenmüssen – unbedingt sein Vorfahrtsrecht durchsetzen wollen. Aus diesem Grund lastete das Oberlandesgericht Saarbrücken dem Motorradfahrer eine Mitschuld zu 70% an, dem Fahrer des entgegenkommenden Fahrzeugs 30% Mitschuld. (Az.: 4 U 409/06-132)


Sonstige Sorgfaltspflichten

Dabei ist die Vorfahrtsregel nicht allein auf die Gegenfahrbahn beschränkt. Auch Fahrzeuge, die neben der Fahrbahn oder auf Sonderfahrtstreifen unterwegs sind, haben gemäß § 9 Absatz 3 StVO Vorrang. Das gilt auch für Straßenbahnen, Omnibusse und andere Fahrzeuge. Auf Fußgänger muss beim Abbiegen ebenfalls besonders Rücksicht genommen werden.

Ein Rechtsstreit hierzu wurde vor dem Kammergericht ausgetragen: Der Verkehrsunfall ereignete sich zwischen einem Linksabbieger und einem entgegenkommenden Fahrzeug, das wegen eines Staus unbefugt auf einem Bus-Streifen unterwegs war. Dem Linksabbieger war zuvor von einem anderen, im Stau stehenden Autofahrer ein Handzeichen gegeben worden, dass er abbiegen könnte. Die Berliner Richter bestätigten auch hier die Vorfahrtsberechtigung des Gegenverkehrs. Dass das Fahrzeug rechtswidrig auf dem Fahrstreifen für Busse unterwegs war, änderte an der Mitschuld des Linksabbiegers nichts. Auf das Handzeichen des anderen Verkehrsteilnehmers hätte er sich nicht verlassen dürfen. Beide Unfallbeteiligten mussten jeweils zur Hälfte für die Unfallschäden aufkommen. (Az.: 12 U 191/07)

Sollten Sie trotzdem einmal in einen Verkehrsunfall verwickelt werden, sei es als Fahrer, Fußgänger oder anderer Verkehrsteilnehmer, stehen Ihnen unsere Experten gerne mit fachkundigem Rechtsrat zur Seite.

(WEL)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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