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Loveparade-Prozess – Schmerzensgeld für traumatische Erlebnisse

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Die Massenpanik bei der Loveparade 2010 in Duisburg, die 21 Menschen das Leben kostete und mehrere Hundert Verletzte forderte, hat bei vielen weiteren Personen seelische Schäden hinterlassen. Wer mit ansehen musste, was sich an jenem 24. Juli ereignete, erlebt die Katastrophe mitunter immer wieder. So auch ein damals im Einsatz befindlicher Feuerwehrmann, der die schrecklichen Ereignisse nicht aus seinem Kopf bekommt. Er erlitt eine später als Dienstunfall anerkannte posttraumatische Belastungsstörung. Seit Dezember 2010 ist er deswegen dienstunfähig.

90.000 Euro Schadensersatz und Schmerzensgeld gefordert

Vor dem Landgericht Duisburg klagt der Mann nun gegen das Land Nordrhein-Westfalen und die die damalige Loveparade veranstaltende Lopavent GmbH. Diese hätten erhebliche Fehler bei der Veranstaltungsorganisation begangen. Die Vorkommnisse an jenem Tag seien mit dem, was er in seinen 25-jährigen vorherigen Berufsjahren erlebt hatte, nicht vergleichbar. Er könne seinen Beruf seitdem nicht mehr ausüben und ist mittlerweile Frührentner.

Schadensersatz und Schmerzensgeld in Höhe von 90.000 Euro sollen ihm die Beklagten daher zahlen. Zu Prozessbeginn zeigte der Vorsitzende Richter zwar Verständnis für die persönliche Lage des Klägers. Gleichzeitig machte er ihm aber wenig Hoffnung auf einen Klageerfolg. Denn bei sogenannten Schockschäden urteilen deutsche Gerichte und insbesondere der Bundesgerichtshof (BGH) bislang sehr zurückhaltend.

Bislang nur bei besonderer Nähebeziehung zum Opfer

Von einem Schockschaden ist die Rede, wenn jemand den Tod oder die Verletzung eines nahen Angehörigen mitansehen muss oder davon erfährt und infolgedessen eine schwere Gesundheitsschädigung erleidet. Die Grundsätze für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch hat der BGH zuletzt im Januar 2015 bekräftigt und präzisiert (Urteil v. 27.01.2015, Az.: VI ZR 548/12). Im Fall musste ein Motorradfahrer miterleben, wie seine Frau, die mit ihrem Motorrad hinter ihm fuhr, von einem Auto frontal erfasst und getötet wurde. Ihn hatte das Auto zuvor nur knapp verfehlt.

Die Haltung des obersten deutschen Zivilgerichts wird dabei kritisiert. Dennoch: Mit einer baldigen Änderung ist nicht zu rechnen. Früher oder später würde der Fall bei Einlegung entsprechender Rechtsmittel in Karlsruhe landen.

Damit Betroffene Aussicht auf Schadensersatz und Schmerzensgeld haben, verlangt der BGH eine besondere persönliche Beziehung zu einem lebensbedrohlich verletzten oder getöteten Menschen. Häufige Sachverhalte sind dabei Verkehrsunfälle oder Gewalttaten, die Angehörige mitansehen mussten – etwa das vor den Augen der Mutter oder des Vaters überfahrene Kind.

Bislang erfüllen auch nur nahe Angehörige diese besondere Nähebeziehung. Wer naher Angehöriger ist, lässt der BGH offen. Bisherige Entscheidungen ergingen zugunsten von Ehepartnern oder Kindern bzw. ihren Eltern. Sie lassen darauf schließen, dass jedenfalls der engste Familienkreis umfasst ist. Zu nahen Angehörigen dürften somit auch Großeltern, eingetragene Lebenspartner und bei längerer Beziehung auch unverheiratete Partner gehören. Bei weiteren Angehörigen und bloßen Freundschaftsbeziehungen sieht es mit der Anerkennung eines Schockschadens schlecht aus.

Medizinisch festgestellte Gesundheitsschädigung

Hinzukommen muss allerdings auch noch eine tatsächliche Gesundheitsschädigung. Sie muss sich körperlich zeigen und entsprechend attestiert sein. Eine psychisch-seelische Beeinträchtigung und damit bloßes Entsetzen oder eine besondere Traurigkeit genügen nicht.

Besonders schwerer Schock erforderlich

Der Schock muss außerdem besonders schwer sein. Er muss das übliche Maß in solchen Fällen erheblich übersteigen. Das Miterleben bewertet der BGH dabei seit seinem Urteil zu dem dargestellten Motorradunfall als wesentlich schwerer als die bloße Nachricht vom Tod oder von der besonders schweren Verletzung eines nahen Angehörigen. Für Letztere fordern die Bundesrichter daher noch weitergehende Anhaltspunkte für die Annahme eines besonders schweren Schocks. Da das Gesetz selbst jedoch keine entsprechende Forderung nach einer besonderen Schwere aufstellt, erfährt der BGH mit diesem Kriterium besondere Kritik.

Erleben schrecklicher Ereignisse ist allgemeines Lebensrisiko

Grund für dieses sehr eingeschränkte Zuerkennen von Schmerzensgeld ist die Befürchtung vor ausufernden Schadensersatzforderungen. Schließlich kann jeder plötzlich Zeuge schrecklicher Ereignisse wie Verkehrsunfällen, Zugunglücken, Explosionen oder gewalttätiger Auseinandersetzungen werden, die einen aus der Bahn werfen. Für die Rechtsprechung zählt das jedoch zum allgemeinen Lebensrisiko. Aufgrund dessen erlittene Schäden muss man hinnehmen.

Schmerzensgeldansprüche bei Berufsrisiko zusätzlich erschwert

Nach derzeitiger Rechtslage ist die Erfolgsaussicht des klagenden Ex-Feuerwehrmanns folglich nicht besonders gut. Erschwerend für ihn kommt sein Berufsrisiko als Feuerwehrmann hinzu. Wie Notärzte, Sanitäter und andere Rettungskräfte musste er geradezu mit schockierenden Situationen rechnen und war regelmäßig mit ihnen konfrontiert.

Als möglichen Verkündungstermin für das Urteil in diesem ersten Loveparade-Prozess hat der Vorsitzende Richter den 5. Oktober genannt (Az.: 8 O 361/14). Weitere Zivilklagen in ähnlicher Sache will das LG Duisburg am 12. November verhandeln (Az.: 4 O 256/14, 4 O 412/14, 4 O 413/14, 4 O 414/14). Parallel dazu laufen die Vorbereitungen für den Strafprozess zum Loveparade-Unglück. Das Hauptverfahren soll hier nicht vor dem Jahr 2016 beginnen.

(GUE)

Foto(s): ©Fotolia.com

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