Mietkaution: Klarheit an der Schnittstelle zwischen Mietrecht und Insolvenz

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Die Frage, wem die Mietsicherheit zusteht, wenn das Mietverhältnis eines (vormals) insolventen Mieters endet und der Insolvenzverwalter zuvor die Freigabe-/Enthaftungserklärung (§ 109 Abs. 1 InsO) abgegeben hat, wurde bis zu einer vor kurzem ergangenen Klarstellung des Bundesgerichtshofs sehr unterschiedlich gehandhabt.

Anlass für die Entscheidung war der praktisch häufige Fall, dass der Insolvenzverwalter dem Mieter, der sich im Verbraucherinsolvenzverfahren befand oder befunden hatte, nicht die Wohnung kündigte. Stattdessen hatte er lediglich die sogenannte Freigabe oder auch Enthaftung der Wohnung gemäß § 109 Abs. 1 Satz 2 InsO erklärt, wonach künftige Ansprüche aus Wohnraummiete nicht mehr im Insolvenzverfahren geltend gemacht werden können.

Nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens endete das Mietverhältnis, sodass der Vermieter vor der Frage stand, an wen die Mietkaution nebst Zinsen zu überweisen sei. Bereits die unterschiedliche Instanzrechtsprechung in der Vergangenheit (vgl. etwa AG Detmold – 7 C 56/16 – BeckRS 2016, 20166, dagegen LG Berlin – 19 T 27/16 – VuR 2017, 75; AG Göttingen – 21 C 33/09 – NZM 2009, 617) belegte die Schwierigkeit des Vermieters, hier korrekt vorzugehen.

Rechtliche Würdigung

Die erst 2001 nachträglich eingefügte Bestimmung des § 109 Abs. 1 InsO musste somit vom Bundesgerichtshof sachgerecht ausgelegt werden: Zunächst half die Wortlautauslegung nicht weiter, denn unstreitig gibt der Insolvenzverwalter „die Wohnung frei“. Demgegenüber ist jedoch insoweit über die Kaution, die eine selbständige Mietsicherheit darstellt, noch nichts ausgesagt. 

Auch die historische Auslegung blieb unklar – und damit eher mieterunfreundlich: denn nach den Gesetzesmaterialien zu § 109 Abs. 1 InsO dient die Gesetzänderung dazu, dem Mieter die Wohnung zu erhalten. Dass die Masse geschmälert werden sollte, ergibt sich daraus gerade nicht, eher das Gegenteil.

So war letztlich nach der juristischen Methodenlehre nach Sinn und Zweck der Regelung zu fragen (teleologische Auslegung). Insoweit stellte der BGH fest, dass die Freigabeerklärung nicht nur zur Enthaftung der Insolvenzmasse von den nach Ablauf der Kündigungsfrist fällig werden Mietverbindlichkeiten führt und die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis auf den Mieter/Schuldner zurückfällt. 

Vielmehr erstrecke sich die Freigabeerklärung auf dasjenige Vermögen des Mieters/Schuldners, welches der weiteren Durchführung des Mietvertrags zuzuordnen ist (BGH a.a.O. Rd.-Nr. 10). Zwar entsteht der Anspruch des Mieters auf Rückzahlung der Kaution bereits mit ihrer Leistung aufschiebend bedingt bis zur gesetzlich zulässigen Höhe (§ 551 Abs. 1 Satz 3, 4 BGB).

Nach Auffassung des BGH ist sie jedoch nach ihrem Sinn und Zweck der weiteren Fortsetzung des Mietverhältnisses nach der Freigabeerklärung zuzuordnen und damit von der Freigabeerklärung des Insolvenzverwalters und ihrer Enthaftung von der Insolvenzmasse erfasst.

Praxishinweis

Eine an der Schnittstelle zwischen Mietrecht und Insolvenz praktisch wichtige Entscheidung, die sowohl auf Vermieter- als auch Mieterseite goutiert werden dürfte. Zutreffend hilft der historische Hintergrund nicht weiter: danach hatte der Insolvenzverwalter in den ersten Geltungsjahren der InsO Wohnraummieten häufig kündigen müssen. Denn gemäß seinen gesetzlichen Aufgaben hatte er neue Mietverbindlichkeiten abzuwehren, die Kaution zur Masse zu ziehen, um damit seiner Pflicht zur Masseerhaltung und Massemehrung nachzukommen. 

Die für alle Seiten unangenehme und unsoziale Rechtslage hatte zur nachträglichen Ergänzung des § 109 InsO geführt – ohne Folgefragen der Mietkaution abschließend zu regeln.

Die vom BGH erkennbar vom Ergebnis her erfolgte, mieterfreundliche Argumentation wird insbesondere im letzten Satz deutlich, wonach „das Ziel des Gesetzgebers, den insolventen Mieter vor Obdachlosigkeit zu schützen, eher erreicht wird, wenn die Kaution dem freien Vermögen des Schuldners zugeordnet wird und von ihm für ein neues Mietverhältnis eingesetzt werden kann.“ Auch für den Vermieter ist das Urteil vorteilhaft, da er somit weiß, wer sein Gläubiger ist und an wen er wirksam leisten kann.

Problematisch bleibt allein, dass nach der Entscheidung des IX. (Insolvenzrechts-) Senats des BGH bis auf Weiteres unklar bleibt, wie der in den meisten Praxisfällen zuständige VIII. (Mietrechts-) Senat des BGH abschließend entscheiden würde. Denn nur in wenigen Fällen zum Pfändungsschutz bestehen für den Mieter/Schuldner Rechtsmittel, die überhaupt vor den Insolvenzgerichten auszutragen sind. 

Meist sind für Mietstreitigkeiten auch in der Insolvenz die ordentlichen Gerichte zuständig. Somit kann aus Gründen der Vorsichtigkeit dem Vermieter nur geraten werden, die rückzuzahlende Mietsicherheit zu hinterlegen, um der Gefahr etwaiger Doppelzahlungen zu entgehen.

Ferner wäre für ähnlich gelagerte Fälle, in welchen der Insolvenzverwalter die Kaution aber schon eingezogen hat, zu prüfen, ob dem Mieter/Schuldner ein Aussonderungsanspruch hieran zukommen würde – unabhängig davon, ob die Kosten des Verfahrens durch die übrige Masse gedeckt waren oder nicht.

Anm. zu BGH, Beschl. v. 16.03.2017 – IX ZB 45/15 – NJW 2017, 1747

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