Neues Erbrecht für Deutsche in Italien - die EU-Erbrechtsreform

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Die im August 2012 in Kraft getretene und für Erbfälle ab dem 17. August 2015 geltende europäische Erbrechtsverordnung bringt erhebliche rechtliche Änderungen für im Ausland lebende Deutsche mit sich. Rechtsanwalt Francesco Senatore von der deutsch-italienischen Kanzlei Rose & Partner wurde von uns zu den wichtigsten Neuerungen befragt.

Bringt uns die EU-Erbrechtsverordnung ein einheitliches europäisches Erbrecht?

Auch künftig wird jeder EU-Mitgliedstaat seine eigenen erbrechtlichen Vorschriften behalten. Einheitlich wird aber die Frage beantwortet werden, welches Recht bei internationalen Erbfällen anwendbar ist. In der Vergangenheit richtete sich dies in Deutschland und Italien nach der Staatsangehörigkeit des Erblassers. Künftig wird für diese Frage an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt angeknüpft.

Was bedeutet dies für in Italien lebende Deutsche?

Bisher war es für Deutsche aus erbrechtlicher Sicht unerheblich, ob sie in der Heimat oder in Italien lebten. Solange sie lediglich ihre deutsche Staatsangehörigkeit behielten, galt für sie das deutsche Erbrecht aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch. Für Erbfälle ab dem 17. August 2015 gilt dies dann nicht mehr, wenn der Versterbende im Todeszeitpunkt seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Italien hatte. Dann wird er nach italienischem Erbrecht beerbt.

Was bedeutet denn „gewöhnlicher Aufenthalt“ genau?

Dies ist ein Problem der neuen Regelung. Während die Staatsangehörigkeit – zumindest in Fällen ohne doppelte Staatsangehörigkeit – eindeutig bestimmbar ist, handelt es sich bei dem gewöhnlichen Aufenthalt um einen auslegungsbedürftigen Begriff. Die Verordnung selbst enthält keine Definition. Die Verfasser des Regelwerkes wollen eine „Gesamtbetrachtung der Lebensumstände des Erblassers in den Jahren vor seinem Tod und im Zeitpunkt des Todes.“ Unter anderem sollen dafür die Dauer und Regelmäßigkeit des Aufenthaltes des Erblassers im jeweiligen Land und die damit zusammenhängenden Umstände und Gründe berücksichtigt werden. Wie schwierig das im Einzelfall sein kann, sehe ich bei mir selbst. Ich reise sowohl beruflich als auch privat viel zwischen Italien und Deutschland und bin selbst gespannt, wo bei meinem Ableben der Mittelpunkt meiner Lebensinteressen liegt.

Ist es nachteilig, wenn sich die Erbfolge nun nach italienischem Recht, statt nach deutschem Recht richtet?

Zunächst einmal richtet sich dann nicht nur die Erbfolge nach Testament oder Gesetz nach italienischem Recht, sondern auch z.B. auch Fragen der Nachlassabwicklung, der Erbenhaftung oder der Testamentsvollstreckung nach dem Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts. Ist italienisches Erbrecht einschlägig, muss man wissen, dass dieses erhebliche Unterschiede zum deutschen Erbrecht aufweist. So weicht nicht nur die Erbfolge in manchen familiären Konstellationen von der nach deutschem Recht ab; insbesondere auch das Pflichtteilsrecht ist in Italien völlig anders geregelt und in vielerlei Hinsicht stärker als bei uns. Gemeinschaftliche Ehegattentestamente – wie z.B. das sogenannte „Berliner Testament“ lässt das italienische Erbrecht gar nicht zu. Für welche Erblasser welche Rechtsordnung das beste Gesamtpaket bereithält, kann nur nach eingehender Prüfung im konkreten Fall eingeschätzt werden.

Vieles klingt doch noch recht vage und kompliziert. Was können Deutsche in Italien tun, um klare Verhältnisse zu schaffen?

Die EU-Erbrechtsverordnung sieht ausdrücklich die Möglichkeit der Rechtswahl vor. So kann beispielsweise ein in Italien lebender Deutscher per Testament bestimmen, dass – unabhängig von seinem Aufenthalt – bei seinem Erbfall stets deutsches Erbrecht zur Anwendung kommen soll. In vielen Fällen wird dies sinnvoll sein, insbesondere wenn bereits ein Testament nach deutschem Recht formuliert wurde bzw. wenn sich der Erblasser und seine Berater ausschließlich im deutschen Erbrecht, nicht aber im italienischen Erbrecht, auskennen.

Welche Neuerungen bringt die Erbrechtsverordnung sonst noch?

Neben der Frage, welches Erbrecht beim Erbfall mit internationalem Bezug einschlägig ist, sind auch einige Regelungen zur Abwicklung von Erbfällen vorhanden. So wird z.B. das Europäische Nachlasszeugnis kommen. Ein deutscher Erbe kann dann z.B. bei einem hiesigen Nachlassgericht dieses Nachlasszeugnis beantragen und mit ihm später in Italien eine geerbte Immobilie auf seinen Namen umschreiben lassen. Insgesamt darf man optimistisch sein, dass die Verordnung viele problematische Fragen und praktische Probleme bei internationalen Erbfällen mit der Zeit entschärfen wird.

Ändert die Erbrechtsverordnung auch die Erbschaftsteuer?

Nein, die Verordnung ist auf Steuersachen nicht anwendbar. Deutsche (und Italiener!), die zumindest einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik haben, sind aus steuerlicher Sicht Inländer. Wenn sie versterben oder erben, liegt grundsätzlich Erbschaftsteuerpflicht in Deutschland vor.


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