Observierung von SGB II-Empfängern durch Jobcenter

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Es ist ein leidiges Thema, doch ist die rechtliche Situation eindeutig. Eine Observierung des Leistungsempfängers ist unzulässig.

Fachliche Weisungen der Bundesagentur für Arbeit

Die Bundesagentur für Arbeit hat in den fachlichen Weisungen zum SGB II unter 6.11 folgende Regelung aufgestellt:

(5) Die Durchführung von Observationen ist unzulässig. Observationen sind zielgerichtete Überwachungen von Personen oder Immobilien unabhängig von der Dauer der Überwachung. Die Sachverhaltsaufklärung hat vielmehr durch Inaugenscheinnahme von Beweismitteln zu erfolgen, zum Beispiel durch Hausbesuche …, Prüfung von Versicherungsunterlagen (gegenseitige Begünstigung in einer Lebensversicherung), Prüfung von Kontoauszügen, Einsichtnahme in Geschäftsunterlagen u. ä.

Rechtsprechung

Thüringer Oberverwaltungsgericht

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 25. November 2010, 1 KO 527/08 verdeckte Beobachtungen durch Außendienstmitarbeiter für generell unzulässig erklärt. Es fehle eine gesetzliche Grundlage, sodass ein Verfassungsverstoß vorliege. Das durch Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleiste die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen. Dieses Recht auf informationelle Selbstbestimmung umfasse insbesondere die Befugnis des einzelnen, selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.

Sozialgericht Hildesheim

Das Sozialgericht Hildesheim hat in seinem Beschluss vom 23. Dezember 2019, S 31 AS 4306/19 ER ebenfalls deutliche Worte gefunden:

„Das Gericht merkt an dieser Stelle an, dass es die Art und Weise der im häuslichen Umfeld des Antragstellers durchgeführten Ermittlungen jedenfalls als befremdlich empfindet. Die Träger von Leistungen nach dem SGB II sind nach hiesigem Verständnis nicht dazu aufgerufen, heimliche Ermittlungen, noch dazu ohne Kenntlichmachung, wer diese Ermittlungsergebnisse in der Akte festhält, anzustellen. Eine Ermächtigungsgrundlage für dieses Handeln ist für das Gericht nicht ersichtlich. Auch wenn ……, wie vom Antragsgegner im Schriftsatz vom 3.12.2019 bemerkt, keine Weltstadt ist, sollte der Antragsgegner prüfen, nach welchen Grundsätzen neben dem verdeckt erlangten Wissen private Kenntnisse der Mitarbeitenden, vgl. hierzu den Vermerk vom 30.8.2019, ohne Weiteres Eingang in das hiesige Verfahren finden können. Die Kammer sieht sich daher nicht in der Lage, die heimlich gewonnenen Erkenntnisse bzw. jene, die auf privatem Wissen der Mitarbeitenden beruhen, jedenfalls ohne dass erkennbar ist, um wen es sich dabei konkret handelt, bei einer Entscheidung zugrunde zu legen. An dieser Stelle wird dem Antragsgegner nochmals ausdrücklich die Durchführung eines – transparenten – Hausbesuches, wie er in diesen Fällen normalerweise stattfindet, dringend angeraten.“

Schlussbemerkung

Es bleibt zu hoffen, dass Observationen nunmehr endlich aufhören und der Datenschutz und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen beachtet werden.


Ergänzung zum Schluss (Jan. 2021)

Nachdem nun auch das Jobcenter in dem inzwischen beendeten Verfahren eingesehen hat, dass die Herstellung und die Speicherung der Bildaufnahmen unzulässig waren, erhielt ich die Mitteilung, dass über den Betroffenen SGB II-Empfänger eine elektronische Akte geführt werden müsse und ein endgültiges Löschen von Dateien aus dieser Akte technisch nicht möglich sei. Es bleibt weiterhin spannend.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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