Pflichtteil

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Der Pflichtteil ist eine grundsätzlich unentziehbare und bedarfsunabhängige wirtschaftliche Mindestbeteiligung am Nachlass (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 19.04.2005, Az. 1 BvR 1644/00 und 1 BvR 188/03), die den Abkömmlingen, den Eltern und dem Ehegatten zusteht (§ 2303 BGB).

Die Pflichtteilsberechtigung gibt einen schuldrechtlichen Zahlungsanspruch in der Höhe der Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Pflichtteilsberechtigte werden also nicht Eigentümer an den jeweiligen Nachlassgegenständen.


Wem steht der Pflichtteil zu?

Einen Pflichtteilsanspruch können Abkömmlinge (Kinder, Enkel, Urenkel usw.), Eltern und der Ehegatte des verstorbenen Erblassers haben. Dabei sind jedoch entferntere Abkömmlinge und Eltern insoweit nicht berechtigt, als ein Abkömmling vorhanden ist, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann oder das ihm Hinterlassene annimmt (beispielsweise gehen Kinder den Enkeln vor).


Pflichtteil und Testierfreiheit 

Der Erblasser kann grundsätzlich frei entscheiden, wen er zu seinem Erben beruft. Die Testierfreiheit ist ebenfalls grundrechtlich geschützt und gibt dem Erblasser auch die Möglichkeit, enge Verwandte zu enterben. Das Pflichtteilsrecht begrenzt daher zwar die Testierfreiheit wirtschaftlich, in dem es die Erbmasse mit einen Zahlungsanspruch belastet, den der Erbe erfüllen muss. Dennoch geht die Erbmasse direkt auf den Erben über, d.h. insbesondere die einzelnen Erbschaftsgegenstände, so dass der Pflichtteilsberechtige daran keine Rechte erhält

Beispiel: In der Erbschaft mit Wert 100.000,00 € ist ein Sammlerfahrzeug PKW Porsche Oldtimer enthalten. Ein Freund des Erblassers ist als Alleinerbe eingesetzt, der Sohn als einzig in Betracht kommender gesetzliche Erbe ist enterbt. Der Sohn hat damit einen Pflichtteilsanspruch auf Zahlung von 50.000,00 €, aber das Fahrzeug geht in das Eigentum des Freundes über.

Gründe, von der gesetzlichen Erbfolge abzuweichen, kann es viele geben. So kann das Verhältnis zerrüttet sein, oder Ehegatten wollen sich einfach gegenseitig durch ein sog. Berliner Testament absichern, wodurch die Kinder in der Erbfolge des Erstversterbenden enterbt werden.

Der Pflichtteilsanspruch ist zwingendes Recht. Er kann mit einer sog. Pflichtteilsklausel belegt werden, die einen Abkömmling von der Ausübung seines Pflichtteilsanspruches abhalten soll, beispielsweise in einem Berliner Testament: „Sollte eines unserer Kinder nach dem Tod des Erstversterbenden den Pflichtteil fordern, so erhält es beim Tode des Letztversterbenden ebenfalls nur den Pflichtteil." Ist eine solche Klausel in einem Testament enthalten, sollten Pflichtteilsberechtigte ihr Vorgehen sorgfältig abwägen.

Bspw. Unternehmer können den Übergang ihres Unternehmens durch Erbfolge regeln (sog. Unternehmertestament) oder jedenfalls teilweise auch außerhalb der Erbfolge (z.B. durch Gesellschaftsvertrag oder anderweitige Übergabe zu Lebzeiten).


Wie hoch ist der Pflichtteil?

Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs.1 S.2 BGB).

Beispiel: Der Erblasser hinterlässt zwei Kinder. Gesetzlicher Erbteil wäre für jedes Kind ½, der Pflichtteil beträgt für jedes Kind die Hälfte daraus, somit ¼.


Ansprüche auf Auskunft, Wertermittlung und Zahlung

Der Nachlasswert ist oft unklar, wenn ein Erbfall eintritt, d.h. die gesetzlich vorgegebene „Hälfte des Wertes“ muss in der Regel erst ermittelt werden. Daher hat der Pflichtteilsberechtigte neben seinem Zahlungsanspruch auch Hilfsansprüche auf Auskunft und Wertermittlung:

Der Pflichtteilsberechtigte kann vom Erben die Vorlage eines privatschriftlichen oder notariellen Nachlassverzeichnisses verlangen. Dieses Nachlassverzeichnis muss Auskunft über die Aktiva und Passiva des Nachlasses geben (§ 2314 BGB).

Darüber hinaus kann der Pflichtteilsberechtigte vom Erben auch Auskunft darüber verlangen, welche Schenkungen der Erblasser getätigt hat, i.d.R. bezogen auf Schenkungen innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Erbfall.

Befinden sich Immobilien, Unternehmensbeteiligungen oder werthaltige Gegenstände (z.B. Kunst oder Schmuck) im Nachlass, deren Wert nicht unmittelbar beziffert werden kann, hat der Pflichtteilsberechtigte gegenüber den Erben auch Anspruch auf eine Wertermittlung. Er kann vom Erben die Vorlage eines Sachverständigengutachtens verlangen, damit er den Wert einschätzen kann.

Der (bereinigte) Nachlasswert ergibt sich, in dem Passiva von den Aktiva in Abzug gebracht werden. Daraus kann der Pflichtteilsberechtigte dann nach seiner jeweiligen Pflichtteilsquote seinen Pflichtteil berechnen.

Der Pflichtteilsanspruch verjährt nach drei Jahren. 

Wie wird der Pflichtteil geltend gemacht?

Das Nachlassgericht wird nicht von selbst tätig: Pflichtteilsberechtigte sind selbst dafür verantwortlich, den Pflichtteilsanspruch geltend zu machen, in der Regel schriftlich gegenüber dem Erben.


Bei der Geltendmachung und Durchsetzung des Pflichtteilsanspruchs ist es sinnvoll anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Schon die Geltendmachung des Pflichtteils kann vor dem Hintergrund eines Testaments rechtliche Fallstricke enthalten, und auch bei der Durchführung des Auskunftsanspruches, der Prüfung von enthaltenen Einzelpositionen und der anschließenden Durchsetzung eines Pflichtteilsanspruches sollten Ihrer Rechte professionell ausgeführt werden.

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