Insolvenz des Arbeitgebers aus Sicht des Arbeitnehmers

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Ein Insolvenzverfahren wird auf Antrag eröffnet. Kurz zusammengefasst passiert nach dem Antrag Folgendes mit dem Arbeitgeber: Besteht ein sog. Eröffnungsgrund (Überschuldung, drohende oder eingetretene Zahlungsunfähigkeit, §§ 16 ff. InsO), so eröffnet das Gericht das Insolvenzverfahren. Es gewährt „Eigenverwaltung“ (§§ 270 ff. InsO) oder setzt einen Insolvenzverwalter ein (§ 27 InsO). Der Insolvenzverwalter ist i.d.R. uneingeschränkt zuständig, einschließlich der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über das gesamte Vermögen (d.h. inklusive der Arbeitsverträge).

Das Unternehmen kann durch das Verfahren je nach Lage des Falles saniert werden (d.h. wieder fit für den Markt gemacht werden), verkauft oder abgewickelt werden (d.h. noch vorhandenes Vermögen wird verwertet).

Was bedeutet das für die Rechte des Arbeitnehmers? Ein Überblick:

Lohnzahlung

In der Zeit ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens sind Lohn- bzw. Entgeltansprüche Masseverbindlichkeiten (§ 55 InsO), und gem. § 53 InsO vorweg zu berichtigen. Die Arbeitnehmer werden also bezahlt, bevor die Insolvenzforderungen bezahlt werden.

Allerdings: Lohn- bzw. Entgeltansprüche, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden sind, sind Insolvenzforderungen (§ 38 InsO). Insoweit müssen Arbeitnehmer zwar mit Zahlungsausfällen rechnen, haben allerdings die Möglichkeit, Insolvenzgeld zu beantragten.

Insolvenzgeld

Das Insolvenzgeld wird von der Bundesagentur für Arbeit ausgezahlt, wenn die Löhne und Gehälter wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers nicht ausgezahlt werden können. Es entspricht grundsätzlich der Höhe des Nettoarbeitsentgeltes.

Insolvenzgeld muss beantragt werden. Sofern der Arbeitnehmer zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder der Abweisung mangels Masse noch in einem Arbeitsverhältnis steht, besteht ein Anspruch auf Insolvenzgeld für die letzten drei Monate vor der Eröffnung oder Abweisung mangels Masse. Wenn das Arbeitsverhältnis zu einem früheren Termin beendet wurde, dann besteht der Anspruch für maximal drei Monate vor diesem Termin.

Kündigung und Kündigungsschutzklage

Wird das Arbeitsverhältnis gekündigt, so gelten die gesetzlichen Kündigungsschutzregeln trotz der Insolvenz (natürlich) grundsätzlich weiterhin:

  • Insbesondere gilt auch die dreiwöchige Frist ab Zugang der Kündigung für die Erhebung einer Kündigungsschutzklage (§§ 4, 7 KSchG).  
  • Zwar gelten grundsätzlich auch die Kündigungsfristen nach § 622 Abs.2 BGB, die sich nach der Dauer der Betriebszugehörigkeit richten. Allerdings kann der Insolvenzverwalter gem. § 113 InsO davon abweichen, d.h. mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Monatsende kündigen. Macht der Insolvenzverwalter davon Gebrauch, so kann dem Arbeitnehmer ein sogenannter „Verfrühungsschadensersatz“ nach § 113 S. 3 InsO zustehen (wegen einer Verkürzung der Kündigungsfrist), welcher zur Insolvenztabelle angemeldet werden kann.
  • Sollte ein Betriebsrat bestehen, ist dieser vor der Kündigung zu hören. 

Allein der Umstand, dass ein Insolvenzantrag gestellt worden ist, reicht nicht aus, um eine Kündigung aus betriebsbedingten Gründen zu rechtfertigen. Vielmehr muss der Arbeitgeber im Kündigungsschutzverfahren die Gründe darlegen, die eine Weiterbeschäftigung nicht möglich erscheinen lassen. D.h. die konkreten Gründe, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führen, müssen darlegen werden und es muss eine ordentliche Sozialauswahl erfolgt sein. Mehr zum Thema Kündigungsschutzklage

Abfindung und Aufhebungsvertrag trotz Insolvenz?

Auch in einem Insolvenzverfahren kann abhängig vom Einzelfall eine Abfindungszahlung oder ein Aufhebungsvertrag angestrebt werden.

Denn trotz der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht die Verwaltung des Vermögens weiter, d.h. beispielsweise, dass einige Arbeitnehmer weiterbeschäftigt werden können, Geschäfte abgewickelt werden, Betriebsteile verkauft werden etc.

Da der Insolvenzverwalter für die Insolvenzmasse (d.h. das verwaltete Vermögen) verantwortlich ist, kann es für ihn die Gründe geben, besser eine Abfindung zu zahlen bzw. einen Aufhebungsvertrag abzuschließen, als die Risiken einer Kündigungsschutzklage einzugehen. Das gilt umso mehr, wenn Fehler bei Aussprache der Kündigung passiert sind. Mehr zum Thema Abfindung und Abfindungsrechner

Freistellung 

Stellt der Insolvenzverwalter die Arbeitnehmer frei, so kommt er in Annahmeverzug. Die Arbeitnehmer haben daher bis zum Ablauf der Kündigungsfrist einen Entgeltanspruch.

Urlaub

Auch der Urlaubsanspruch besteht zwar weiterhin. Er kann allerdings eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO oder eine (immerhin vorab zu befriedigende) Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr.2 InsO sein.


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