Pflichtteilsreduzierung: Wann besteht ein Pflichtteilsergänzungsanspruch?

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Das Pflichtteilsrecht schützt enterbte Angehörige grundsätzlich davor, dass sie leer ausgehen. Es will den Pflichtteilsberechtigten eine Mindestbeteiligung am Nachlass sichern. Der Erblasser kann den Pflichtteil aber dadurch verringern, dass er sein Vermögen schon zu Lebzeiten verbraucht oder verschenkt. Nach Schenkungen hat der Pflichtteilsberechtigte unter Umständen einen sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch.

Der Pflichtteilsergänzungsanspruch bietet Pflichtteilsberechtigten einen zeitlich begrenzten Schutz dagegen, dass der Erblasser durch Schenkungen zu seinen Lebzeiten sein Vermögen und damit den Nachlass schmälert.

Dieser Pflichtteilsergänzungsanspruch greift aber nur, wenn aus rechtlicher Sicht tatsächlich eine Schenkung vorliegt. Eine Schenkung setzt die Einigung der Vertragsparteien über die Unentgeltlichkeit einer Zuwendung voraus. 

Erhält der Schenkende eine Gegenleistung, die nur zu einem Teil dem Wert seiner Leistung entspricht und sind die Vertragsparteien sich darüber einig, dass der überschießende Betrag unentgeltlich sein soll, so spricht man von einer „gemischten Schenkung“. 

Sogenannte Anstandsschenkungen, also kleinere Schenkungen zu besonderen Ereignissen – wie etwa zu Geburtstagen oder zur Hochzeit –, sind keine ergänzungspflichtigen Zuwendungen. Auch werden sogenannte Pflichtschenkungen (also auch größere Schenkungen) nicht berücksichtigt, die sittlich geboten waren, etwa wenn der Erblasser ein Grundstück für die langjährige, aufopfernde Pflege im Alter zuwendet oder wenn er notleidende Angehörige unterstützt.

Nicht berücksichtigt werden außerdem Schenkungen, die zum Zeitpunkt des Erbfalls mehr als zehn Jahre zurückliegen. Für Schenkungen, die weniger als 10 Jahre zurückliegen, hat der Gesetzgeber seit dem 01.01.2010 ein sogenanntes „Abschmelzungsmodell“ eingeführt: Dabei wird die Schenkung für die Berechnung des Pflichtteilsergänzungsanspruchs immer weniger berücksichtigt, je länger sie zurückliegt: Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird bei der Berechnung voll, im zweiten Jahr nur noch zu 9/10, im dritten Jahr zu 8/10 usw. berücksichtigt. 

Bei der Berechnung der Zehnjahresfrist sind jedoch einige Besonderheiten zu beachten. So beginnt die Frist bei Schenkungen unter Eheleuten nicht mit dem Schenkungszeitpunkt, sondern erst mit Auflösung der Ehe. Für weiterhin Verheirate beginnt die Zehnjahresfrist also nicht zu laufen. Auch in Fällen, in denen sich der Schenker ein Wohnrecht oder einen Nießbrauch vorbehalten hat, beginnt die Frist oftmals erst bei Erlöschen dieses Rechts, also nach dem Ableben des Schenkers.

In jedem Fall empfiehlt es sich, fachlichen Rat einzuholen. Will man Pflichtteile möglichst reduzieren, so sind Verträge regelmäßig so auszugestalten, dass keine Schenkung vorliegt, sondern vielmehr ein Rechtsgeschäft mit entsprechender Gegenleistung.

Aus der Perspektive eines Pflichtteilsberechtigten ist darauf zu achten, auf welcher Rechtsgrundlage ein Vermögensgegenstand aus dem lebzeitigen Vermögen des Erblassers ausgeschieden ist.


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