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Prozessbeschäftigung nach fristloser Kündigung

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Mit dieser Thematik befasst sich ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 29. März 2023.

BAG Urt. v. 29.3.2023 – 5 AZR 255/22 (LAG Sachsen Urt. v. 1.11.2021 – 1 Sa 330/20)


Über folgenden Sachverhalt hatten die Gerichte zu entscheiden:

Der Kläger, der seit 2018 als Chief Technology Officer bei der Beklagten beschäftigt war, erhielt 2019 zunächst eine fristlose Änderungskündigung. Die Beklagte bot ihm eine andere Tätigkeit zu geringeren Bezügen an. Der Kläger lehnte das Änderungsangebot ab. Er wurde von der Beklagten zum Arbeitsantritt aufgefordert, kam dem jedoch nicht nach. Daraufhin sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger eine fristlose, verhaltensbedingte Beendigungskündigung aus. Gleichzeitig forderte die Beklagte den Kläger wiederum auf, die Arbeit wieder aufzunehmen für den Fall, dass er sich gegen die Kündigung wert. In den Kündigungsschutzprozessen wurde festgestellt, dass beide Kündigungen, die gegenüber dem Kläger ausgesprochen worden sind, unwirksam sind. Der Kläger hat anschließend ca. 20.000 € brutto abzüglich erhaltenes Arbeitslosengeld gegenüber der Beklagten eingeklagt, da sich die Beklagte aus Sicht des Klägers im Annahmeverzug befunden hat für den Zeitraum, bis der Kläger eine neue Stelle gefunden hatte. Ob sich die Beklagte in Annahmeverzug befunden hat oder nicht, war zwischen den Parteien streitig. Die Beklagte vertritt insoweit die Auffassung, dass der Kläger verpflichtet gewesen wäre, ihr Angebot nach Ausspruch der Kündigung für Sie zur arbeiten, hätte annehmen müssen und er es daher böswillig unterlassen hat, anderweitigen Verdienst zu erzielen.


Die Gerichte haben folgendes entschieden:

Das zuständige Arbeitsgericht und in der Berufungsinstanz das zuständige Landesarbeitsgericht haben beide der Beklagten Recht gegeben und die Klage des Klägers auf Zahlung des Entgelts abgewiesen. Die Revision des Klägers beim Bundesarbeitsgericht hatte dagegen Erfolg. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts hat es der Kläger nicht böswillig unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen und aus diesem Grund befand sich die Beklagte im Annahmeverzug. Grundsätzlich gerät der unwirksamen kündigende Arbeitgeber in Annahmeverzug, ohne dass es eines Arbeitsangebots des Arbeitnehmers bedarf. Fraglich war in diesem Fall, ob der Kläger auch leistungswillig gewesen ist. Denn wenn er nicht leistungswillig gewesen ist, befindet sich der Arbeitgeber auch nicht im Annahmeverzug. Insoweit reicht es nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts jedoch nicht aus, wenn der Arbeitnehmer wie hier sich weigert, bei dem kündigenden Arbeitgeber nach dem Zugang einer fristlosen Kündigung weiterzuarbeiten. Dies ist einem Arbeitnehmer nicht zuzumuten. Zwar gibt es grundsätzlich für den Arbeitgeber die Möglichkeit, innerhalb eines Kündigungsschutzprozesses dem Arbeitnehmer ein sogenanntes Prozessarbeitsverhältnis anzubieten. Dies bedeutet, dass das Arbeitsverhältnis (zunächst befristet) bis zum Ende des Gerichtsprozesses fortgeführt wird. Dies trifft jedoch vorliegend bei einer verhaltensbedingten fristlosen Kündigung nicht zu. Denn der Arbeitgeber, der das Arbeitsverhältnis fristlos verhaltensbedingt kündigt bringt damit gleichzeitig auch zum Ausdruck, dass ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht länger zumutbar erscheint. Es ist daher davon auszugehen, dass er nach dem Ausspruch der fristlosen verhaltensbedingten Kündigung dem Arbeitnehmer/Kläger nicht ernsthaft eine Weiterbeschäftigung angeboten hat. Der Kläger war daher im Ergebnis trotz der Ablehnung des Angebots der Beklagten leistungswillig, auch wenn er dieses Angebot abgelehnt hat. Er hat es in diesem Fall nicht böswillig unterlassen anderweitigen Verdienst zu erzielen. Die Beklagte befand sich daher im Annahmeverzug und muss an den Kläger das entsprechende Entgelt für den geltend gemachten Zeitraum zahlen.


Fazit:

Ein Arbeitnehmer muss, damit der Arbeitgeber nach einer Kündigung und einem entsprechenden Kündigungsschutzverfahren in den sogenannten Annahmeverzug gerät, arbeitsfähig und arbeitswillig sein. Er darf es nicht böswillig unterlassen, anderweitigen Verdienst zu erzielen. Hierzu gab es in den letzten zwei Jahren verschiedene Urteile der Landesarbeitsgerichte. Wenn allerdings, wie vorliegend, der Arbeitgeber den Arbeitnehmer fristlos verhaltensbedingt kündigt und für den Fall, dass der Arbeitnehmer sich gegen die fristlose Kündigung wehrt, ihn zur Arbeit auffordert, so bleibt der Arbeitgeber trotzdem im Annahmeverzug. Der Arbeitnehmer ist in so einem Fall in der Regel nicht verpflichtet, das Arbeitsangebot des Arbeitgebers anzunehmen. So jedenfalls hat das Bundesarbeitsgericht in diesem Fall geurteilt.


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