Regelmäßige Mieterhöhungen als Voraussetzung für eine Mieterkündigung?

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Eine erstaunliche Entscheidung hat das Landgericht Osnabrück (1 S 117/19, Urteil vom 29.01.2020) getroffen. Danach ist eine Verwertungskündigung nicht möglich, wenn der Vermieter über Jahrzehnte hinweg die Miete nicht erhöht hatte.

Worum ging es?

Der Vater des Mieters hatte im Jahr 1953 von der Gemeinde eine Dachgeschosswohnung in einem Gebäude mit ursprünglich vier Wohnungen gemietet. Nach seinem Tod trat dessen Sohn in das Mietverhältnis ein. Die ursprüngliche Miete hat die Gemeinde zuletzt in den 1950er Jahren auf – umgerechnet – vierzig Euro erhöht.

Alle anderen Mieter sind inzwischen ausgezogen. Die übrigen drei Wohnungen stehen leer. Der Mieter hat allerdings eigenmächtig die Mauer zur Nachbarwohnung durchbrochen und nutzt die andere Dachgeschosshälfte ebenfalls.

Sanierungsmaßnahmen am Gebäude hat die Gemeinde seit Jahrzehnten nicht durchgeführt. Das Haus weist einen erheblichen Sanierungsstau auf. Der Mieter hatte zu keiner Zeit je Mängel reklamiert oder Reparaturmaßnahmen verlangt.

Im Jahr 2016 will die Gemeinde die Immobilie für 60.000 Euro verkaufen. Das sei die einzig sinnvolle Nutzung. Die Kosten einer Sanierung seien bei der geringen Miete unwirtschaftlich. Sie kündigt deshalb das Mietverhältnis (sogenannte Verwertungskündigung), weil die Immobilie nur verkauft werden könne, wenn alle Wohnungen frei seien. Der Mieter lehnt den Auszug ab. Die Gemeinde klagt auf Räumung.

Das Landgericht Osnabrück weist die – in erster Instanz erfolgreiche – Klage ab. Die geringe Rendite beruhe letztlich auf Versäumnissen der Gemeinde als Vermieterin. Die habe seit mehr als fünfzig Jahren die Miete nicht erhöht, obwohl dies möglich gewesen wäre. Zudem habe sie das Haus jahrzehntelang verfallen lassen, statt die Immobilie laufend instand zu halten. Dazu sei die Gemeinde als Vermieterin verpflichtet gewesen, wie sich aus § 535 BGB ergebe – auch bei ausgebliebenen Mieterreklamationen.

Empfehlungen

Die Entscheidung betrifft sicher einen Extremfall. Man kann auch geteilter Meinung sein, ob sie richtig oder falsch ist. Jedenfalls lehrt sie exemplarisch, dass Vermieter ihre Mieten auf einem auskömmlichen Stand halten müssen, so Rechtsanwalt Anton Bernhard Hilbert, Waldshut-Tiengen. Andernfalls können dem Vermieter ruinöse Rechtsnachteile drohen. Wirtschaftlich ist es ohnehin geboten, die eigenen Mieten regelmäßig an die ortsübliche Vergleichsmiete anzupassen, empfiehlt der Experte.



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