Vermeidung der Vorfälligkeits- bzw. Nichtabnahmeentschädigung (auch) ohne Darlehenswiderruf - Update 06.02.2021

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Zum Urteil des OLG Frankfurt vom 01.07.2020 

Eine bislang kaum beachtete erfolgsträchtige Möglichkeit für Darlehensnehmer, sich gegen Ansprüche auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung (VfE)  zur Wehr zu setzen bzw. die Rückzahlung einer bereits gezahlten VfE durchzusetzen, ohne den Darlehensvertrag widerrufen zu müssen, ist durch ein Urteil des OLG Frankfurt a. M. vom 01.07.2020 (Az.: 17 U 810/19) in den Fokus der öffentlichen Berichterstattung geraten.

Der Sachverhalt

Das OLG Frankfurt hatte die Commerzbank zur Rückzahlung der von einem Darlehensnehmer entrichteten VfE   von über 20.000 € für zwei im November 2016 abgeschlossene und 2018 im Zuge der Veräußerung der Immobilie vorzeitig abgelöste Immobiliendarlehensverträge verurteilt. Das Urteil stützt sich auf die Feststellung, dass die Commerzbank den Darlehensnehmer im Rahmen des Darlehensvertrags nicht hinreichend klar und nachvollziehbar über die Berechnungsweise der VfE informiert habe.  Die rechtliche Grundlage für den Rückzahlungsanspruch liegt in der ab dem 21.03.2016 für Immobiliendarlehensverträge gültigen Vorschrift des  § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB. Gemäß dieser Vorschrift ist im Falle der vorzeitigen Zurückzahlung des Darlehens der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung ausgeschlossen, wenn „im Vertrag die Angaben über die Laufzeit des Vertrags, das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend sind“.

Der Darlehensvertrag, über den das OLG Frankfurt entschieden hat, beinhaltete den folgenden Passus:

„7. Voraussetzungen und Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung bei vorzeitiger Rückzahlung des Darlehens (…)

Zunächst ermittelt die Bank unter Berücksichtigung etwa vertraglich vereinbarter Sondertilgungsrechte wann und in welcher Höhe Zahlungen vom Darlehensnehmer zu entrichten gewesen wären, wenn das Darlehen fortgeführt worden wäre. In einem weiteren Schritt ermittelt die Bank, welchen Betrag sie zum vorgesehenen Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung anlegen muss, damit der Bank der vereinbarte Betrag zum vorgesehenen vertraglichen Fälligkeitstermin der jeweiligen ausstehenden Rate zur Verfügung stehen würde. Dabei differenziert die Bank wie folgt: Soweit Pfandbriefe mit entsprechenden fristen-kongruenten Laufzeiten vorhanden sind, legt die Bank für die Verzinsung des vorzeitig zurückgezahlten Darlehenskapitals die Zinssätze der entsprechenden am Kapitalmarkt verfügbaren Hypothekenpfandbriefe zugrunde. Die Summe der so ermittelten Anlagebeträge abzüglich des noch nicht zurückgezahlten Darlehensbetrages stellt die Ausgangssumme der Vorfälligkeitsentschädigung dar“

Das OLG Frankfurt gründete seine Feststellung einer unzureichenden Information darauf, dass es die Commerzbank unterlassen habe, darüber aufklären, wie die Berechnung erfolgt, wenn Hypothekenpfandbriefe nicht vorhanden sind wie bpsw. im Falle unterjähriger Laufzeiten.

Anwendungsbereich des Urteils

Das Urteil des OLG Frankfurt betrifft zwar unmittelbar lediglich Immobiliendarlehensverträge der Commerzbank, die das betroffene Vertragsformular durchgängig verwendet hat. Allerdings enthalten auch die Verträge einer Reihe anderer Kreditinstitute unklare Angaben zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. So ergab eine Stichprobe der IG Widerruf, dass mit Ausnahme der Unicredit/Hypovereinsbank  sowohl bei Sparkassen, Volksbanken, als auch bei INGDIBA, DSL Bank, Sparda und der Deutschen Bank Fehler in den einschlägigen Informationen zu finden sind.

Weitere einschlägige Fehlerquellen

Es exstieren eine Reihe weiterer Fehler, die möglicherweise gemäß der Regelung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB einen Anspruch der Bank auf eine Vorfälligkeitsentschädigung entfallen lassen können, z.B.:

Fehlinformation über das Kündigungsrecht bei Verträgen mit längerer Zinsbindung als 10 Jahren

In vielen Verträgen findet sich die Information, dass Kreditnehmer ihr Darlehen vor Ablauf der Zinsbindung bei Vorliegen eines „berechtigten Interesses“ nur gegen Vorfälligkeitsentschädigung zurückzahlen dürfen. Dies trifft jedoch dann nicht zu, wenn die Zinsbindung mehr als zehn Jahre beträgt. Derartige  Darlehen sind vielmehr gem. § 489 BGB unter Einhaltung einer Kündigungsfrist  von 6 Monaten ohne Entschädigung kündbar, sobald zehn Jahre seit Vollauszahlung verstrichen sind. Die Bank darf ihren Zinsverlust dann  entsprechend nur bis zum erstmöglichen Kündigungstermin berechnen.

Renditen von Pfandbriefen

Verträge von Genossenschaftsbanken enthalten mitunter den Hinweis, dass für die Berechnung des Zinsschadens die Renditen von „Kapitalmarkttiteln öffentlicher Schuldner“ maßgeblich sind, z.B. von Bundesanleihen. Gemäß BGH-Rechtsprechung (BGH, Urteil vom 07.11.2000 - XI ZR 27/00) sind hingegen die höheren Renditen für Hypothekenpfandbriefe anzusetzen.

Sondertilgung

Teilweise fehlt in Kreditverträgen auch der Hinweis, dass vereinbarte Sondertilgungsrechte oder eine Ratenerhöhung zugunsten des Kunden zu berücksichtigen sind. Dadurch fällt die Vorfälligkeitsentschädigung meist deutlich niedriger aus als bei Krediten mit starrer Tilgung.

Einer Bank nutzt es in solchen Fällen nichts, wenn sie die Entschädigung bei der Ablösung des Kredites gleichwohl korrekt berechnet. Derartige Informationsfehler im Darlehensvertrag kann die Bank später nicht mehr heilen. Wenn die Angaben über die Berechnung der VfE  unzureichend sind, entfällt der Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung.

Zusammenfassung:

Dementsprechend lässt sich festhalten, dass von der Regelung des § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB alle Darlehensnehmer profitieren können, bei denen folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Abschluss der Immobilienfinanzierung als Verbraucher (gilt nicht für Unternehmerdarlehen) mit Abschlusszeitpunkt ab dem 21.03.2016.
  • gilt nach überwiegender Auffassung entsprechend auch, wenn eine Nichtabnahmeentschädigung gezahlt wurde oder eine solche von der Bank verlangt wird. (abweichend allerdings ein nicht rechtskräftiges Urteil des LG Köln v. 27.02.2020, Az. 15 O 379/19, das die analoge Anwendung von § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf die Nichtabnahmeentschädigung verneint).
  • Der Vertrag enthält einen unklaren oder fehlerhaften Hinweis zur Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung  bzw. eine Fehlinformation über das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers oder eine unzureichende Angabe zur Vertragslaufzeit.
  • Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung erfolgte noch nicht oder erst nach dem 31.12.2016. Verjährungsfrist seit Zahlung der VfE (3 Jahre zum Jahresende) Beispiel: Zahlung der VfE 01.07.2017 - Verjährungseintritt 31.12.2020.

Hinweise zum rechtlichen Vorgehen 

Da die Commerzbank gegen das Urteil des OLG Frankfurt Nichtzulassungsbeschwerde beim BGH eingelegt hatte, hatten sich die Banken  bei dieser speziellen Fallkonstellation zunächst überwiegend nicht auf außergerichtliche Verhandlungen eingelassen, die ohnehin nur Aussicht auf Erfolg haben, wenn diese von einem fachlich versierten Anwalt geführt werden. Die Verhandlungsbereitschaft der Banken hat jedoch deutlich zugenommen,  seit sich das Landgericht Dortmund mit einer Entscheidung vom 11.09.2020 (3 O 542/19 = BeckRS 2020, 39188) der Rechtsprechung des OLG Frankfurt angeschlossen hat.  Die anwaltlich betreute Durchsetzung des Widerrufs kann deshalb nunmehr auch Darlehensnehmern empfohlen werden, die über keine eintrittspflichtige Rechtsschutzversicherung verfügen.

Verstoß gegen Kreditwürdigkeitsprüfung führt ebenfalls zum Verlust der VFE

Auch ein Verstoß gegen die nach § 505a BGB erforderliche Kreditwürdigkeitsprüfung kann Erfolg bringen, denn ein solcher Verstoß führt nach § 505 d Abs. 1 Satz 3 BGB zum Verlust der Vorfälligkeitsentschädigung für den Darlehensgeber.

Alternative Option: Keine  Vorfälligkeitsentschädigung bei wirksamem Widerruf des Darlehensvertrags

Unberührt von dieser Option besteht die alternative Möglichkeit, der Zahlung einer VfE zu entgehen bzw. eine bereits geleistete VfE zurückzufordern, falls der Darlehensvertrag wegen einer fehlerhaften Widerrufsbelehrung bzw. wegen der Nichterteilung von vertraglichen Pflichtangaben widerrufen werden kann. Darüber informiert mein Anwalts-Tipp vom 03.04.2019 „Zur Aktualität des Widerrufsjokers bei Immobiliendarlehensverträgen“

Kostenlose Erstberatung 

Meine Kanzlei bietet im Rahmen einer kostenlosen Erstberatung eine Einschätzung der Möglichkeiten der Vermeidung oder Rückforderung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Für eine Prüfung werden die betroffenen Kreditverträge benötigt. Unterlagen können per E-Mail (ra-dr-kroells@email.de), Fax (040-880 981 55) oder Post zur Prüfung eingereicht werden.

 

 




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