Rückforderungsansprüche von Schiffsfonds: Sanieren oder Aussteigen?

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In diesen Tagen bekamen die Anleger der MT „ARCTIC BREEZE” und der MT „ARCTIC BLIZZARD” Beteiligungsgesellschaft mbH & Co.KG einen Informationsbrief. Mitgeteilt wurde, dass die Bank zu keinen weiteren Zugeständnissen mehr bereit sei. Es ist ein Brief wie viele Briefe aus dem Bereich der Schiffsfonds. Wörtlich heißt es hierzu in dem Schreiben:

„ARCTIC BREEZE + ARCTIC BLIZZARD” Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG
Außerordentliche Treugeber- und Gesellschaftsversammlung - Vorstellung und Anstimmung über ein Betriebsfortführungskonzept

Sehr geehrte Damen und Herren,

zuletzt haben wir Sie im Rahmen der Treugeber- und Gesellschaftsversammlung vom 02.09.2010 über die aktuelle Situation Ihrer Beteiligungsgesellschaft ARCTIV BREEZE + ARCTIC BLIZZARD Beteiligungsgesellschaft mbH & Co. KG informiert. Dabei wurde u. a. zum Tilgungsstand berichtet, dass bereits zu diesem Zeitpunkt seitens der Bank 3 Quartalstilgungsraten je Einschiffgesellschaft bis Anfang 2012 gestundet wurden. In Anbetracht gesunkener Einnahmen und damit weiterer erforderlicher Tilgungsstundungen wurden zwischenzeitlich - wie angekündigt - diesbezüglich erneut Verhandlungen mit der Bank aufgenommen. Diese war allerdings zu weiteren Zugeständnissen nicht bereit.

Dies bedeutet, dass die Einschiffgesellschaften ohne entsprechende Finanzierungshilfen in Kürze zahlungsunfähig wären. Dies hätte unmittelbare Auswirkung auf die Dachfondsgesellschaft.

Um dieses abzuwenden, kommen nur zwei Handlungsalternativen in Betracht: Der sofortige Schiffsverkauf oder die Umsetzung des nachfolgend näher beschriebenen Betriebsfortführungskonzeptes.

Bei einem sofortigen Schiffsverkauf in der aktuell noch andauernden Krise würden die Gesellschafter ihr Schiffsvermögen zu einem Preis unterhalb des langfristigen Mittelwertes auflösen. Der nach heutigem Ermessen erzielbare Veräußerungserlös würde nach Ausgleich aller Drittverbindlichkeiten für den Gesellschafter der Dachfondsgesellschaft einen Kapitalverlust von rd. 72 % seiner Einlage bedeuten (siehe Seiten 4 +5). [...]

Das Betriebsfortführungskonzept

Zur Umsetzung des nachfolgend erläuterten Konzeptes bedarf es eines persönlichen finanziellen Engagements der Gesellschafter. Um hierfür entsprechende Anreize zu schaffen, werden die bereitzustellenden Gesellschaftermittel mit Vorzugskonditionen ausgestattet.

Das Konzept zum Weiterbetrieb der Schiffe bildet einen Zeitraum bis 2019 ab. Ausgehend von einer erwarteten Poolrate für 2011 in Höhe von USD 15.750 wird für die Folgejahre von einem allmählichen Anstieg der Einnahmen bis hin zu USD 20.165 pro Tag ab dem Jahr 2015 ausgegangen. Alle wesentlichen Annahmen, die dem Konzept zugrunde gelegt sind, entnehmen Sie bitte auch der Anlage Seite 1 und 2 sowie der Anlage Seite 6. [...]

Erfahrungsgemäß beteiligen sich etwa 65 % der Kommanditisten an einem Betriebsfortführungskonzept, da nicht alle Anleger in der Lage sind, ihrer Gesellschaft zusätzliches Kapital zur Verfügung stellen. Dies unterstellt, entsprechen die erforderlichen Gesellschaftermittel einer Beteiligungsquote von ca. 17 % der ursprünglichen Zeichnungssumme im Dachfonds. Gleichwohl sind auch individuell höhere oder niedrigere Quoten möglich. Sofern dabei der Kapitalbedarf überzeichnet werden sollte, werden die Mehrbeträge im Verhältnis der überquotalen Bereitstellungsbeträge zueinander auf eine einheitliche Quote zurückgeführt.

Die zusätzlichen Gesellschaftermittel sind in einer Tranche (100 % zum 28. Februar 2011) auf ein insolvenzfestes Treuhandkonto einzuzahlen. [...]

Der direkte Kapitalbedarf besteht bei den Einschiffgesellschaften und nicht in der Dachfondsgesellschaft. Daher kann die Bereitstellung zusätzlicher Gesellschaftermittel nur durch eine unmittelbare Kapitalerhöhung bei den Einschiffgesellschaften MT „ARCTIC ‚BREEZE" Tankschifffahrtsgesellschaften mbH & Co. KG und MT „ARCTIC BLIZZARD" Tankschifffahrtsgesellschaft mbH & CO. KG zu gleichen Teilen erfolgen. Dies bedeutet: zusätzlich zu Ihrer Gesellschafterstellung in der ARCTIC BREEZE + ARCTIC BLZZARD Beteiligungsgesellschaft mbH Co. KG (Dachfonds) werden Sie bei der Teilnahme am Betriebsfortführungskonzept mit jeweils der Hälfte des von Ihnen zur Verfügung gestellten Betrages Gesellschafter der beiden Einschiffgesellschaften. Hieraus erwachsen Ihnen neben den oben dargestellten Ansprüchen auf Vorabgewinne weitere Rechte, wie z. B. ein Stimmrecht in Gesellschafterversammlungen der beiden Einschiffgesellschaften und eine gesonderte Teilnahme am Liquidationserlös des jeweiligen Schiffes in Höhe von 5 % der nach Begleichung sämtlicher Verbindlichkeiten sowie Auszahlung der rechnerisch vorgetragenen Vorabgewinne und Rückzahlungen des ggf. noch nicht zurückgeführten Vorzugskapitals verbleibenden Liquidität. Weitere Details hierzu entnehmen Sie bitte dem beigefügten Betriebsfortführungskonzept. Eine Kapitalbeteiligung an der Dachfondsgesellschaft und entsprechende Weiterleitung der liquiden Mittel in die Einschiffgesellschaften ist nicht möglich.

Nach derzeitiger Rechtsauffassung sind die Vorabgewinne aufgrund der in den Einschiffgesellschaften anfallenden Tonnagesteuer nahezu steuerfrei. Eine endgültige steuerliche Betrachtungsweise durch das Betriebsstättenfinanzamt bleibt allerdings dem Ergebnis der steuerlichen Außenprüfung vorbehalten. [...]

Die Umsetzung des Betriebsfortführungskonzeptes ist nur mit Zustimmung der Gesellschafter möglich. Ohne eine Zustimmung von mindestens 75 % aller vorhandenen Stimmen wäre das Betriebsfortführungskonzept nicht umsetzbar und hätte zur Vermeidung der drohenden Insolvenz den sofortigen Verkauf der des Schiffe(s) zur Folge. Gleiches gilt, wenn nicht genügend Gesellschaftermittel verbindlich zugesagt werden. Der tatsächlich erzielbare Verkaufserlös ist derzeit ungewiss. Durch den Verkauf der Schiffe zu einem unterstellten Veräußerungspreis von jeweils USD 32 Mio. würden zurzeit die Drittverbindlichkeiten abgelöst werden und weniger als ein Drittel der ursprünglichen Kapitaleinlage zurückgehalten werden können, so dass der Kapitalverlust der Gesellschafter rd. 72 % der Einlage betragen würde."

Soweit der Informationsbrief. Die Rechtslage zur Frage von Nachforderungen gegenüber den Anlegern gestaltet sich nach Einschätzung der Rechtsanwälte Robert, Kempas, Segelken, Bremen, in einfachen Worten wie nachstehend:

1) Sanieren oder aussteigen - das Nichtzahlen reicht nicht

Die Frage für den Anleger stellt sich hier, ob er mit sanieren oder aussteigen will. Das ist die Entscheidung. Wenn er nicht zahlen will, muss auch ausscheiden. Das bloße Nichtzahlen reicht nicht aus. Man muss den im Regelfall wertlosen Anteil kündigen. Wenn ein Wert vorhanden wäre, bräuchte der Fond kein Geld.

Eine Erhöhung der Beitragspflicht nur mit Zustimmung der beteiligten Mehrheitsgesellschafter ist nicht möglich. Eine Obergrenze muss sein. Sonst ist der Mehrheitsbeschluss nicht möglich.

Die Nachschusspflicht muss nach oben begrenzt sein, im BGH-Urteil vom 23.1.2006, (II ZR 306 / 04) ist zu § 707 BGB ausgeführt: Nachträgliche Beitragspflichten können auch in einer Publikumsgesellschaft nur dann durch Mehrheitsbeschluss begründet werden, wenn die gesellschaftsvertragliche Bestimmung eindeutig ist und Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzliche Belastung erkennen lässt. Dies erfordert die Festlegung einer Obergrenze oder sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen (II ZR 306 / 04, so auch Senatsurteil vom 14. Juli 2005 - II ZR 354 / 03).

§ 707 BGB hat allerdings mit § 739 BGB nicht zu tun. § 739 BGB regelt die Haftung für den Fehlbetrag. Reicht der Wert des Gesellschaftsvermögens zur Deckung der gemeinschaftlichen Schulden und der Einlagen nicht aus, so hat der Ausscheidende den übrigen Gesellschaftern für den Fehlbetrag nach dem Verhältnis seines Anteils am Verlust - bei Vorliegen der sonstigen Bedingungen - aufzukommen.

2) Hinreichende Bestimmtheit bei Nachschusspflicht erforderlich

Nach dem BGH-Urteil vom 15.1.2007 (II ZR 245 / 07) muss die Abweichung vom gesellschaftsrechtlichen Einstimmigkeitsprinzip, die die Mehrheitsklausel legitimiert, dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprechen. Dieser verlangt nicht nur eine Auflistung der betroffenen Beschlussgegenstände, Grund und Tragweite der Legitimation, sondern eine Auslegung. Ob der konkrete Mehrheitsbeschluss wirksam getroffen worden ist, ist auf einer zweiten Stufe zu prüfen.

3) Haftungssituation des Kommanditisten

Die Haftungssituation des Kommanditisten ohne Insolvenz gegenüber dem Dritten ergibt sich aus den §§ 161, 105 ff. HGB unter Bezug auf seine Einlagepflicht. Ein Wiederaufleben der Außenhaftung des Kommanditisten ist möglich unter den Voraussetzungen des §§ 171, 172 Abs. 4 HGB.

Bei einer Scheinauslandsgesellschaft werden die Gesellschafter behandelt wie in einer OHG. In diesen Fällen haften die Kommanditisten mit ihrem Privatvermögen. Dieses spielt bei Schiffsfonds eine Rolle, etwa, wenn wesentliche Teile der Verwaltung aus Kostengründen im Ausland gebunden sind. Hier ist die Dramatik zu sehen, dass der einzelne für die Schiffsschulden in Millionenhöhe haften kann.

4) Rückforderung von Gewinnvorabs sehen

In dem Urteil des BGH vom 20.04.2009 (ZIP 2009, 1222 f.) ist ausgeführt, dass der Gewinn im Sinne des § 172 Abs. 5 HGB nur derjenige sein kann, der aufgrund eines ordnungsgemäß erstellten Jahresabschlusses und eines ordnungsgemäßen Gewinnverwendungsbeschlusses als Gewinn ausgeschüttet worden ist. Gewinnvorauszahlungen und Gewinngarantiezahlungen gehören dazu nicht. Ob der Kapitalanteil eines Kommanditisten unter den Betrag der Haftungseinlage infolge der Ausschüttung gemindert worden ist, richtet sich nach dem Inhalt der ordnungsgemäß erstellten Bilanz und nicht nach dem guten Glauben des Kommanditisten.

Die Kausalität zwischen erzieltem Gewinn und Ausschüttung muss ebenfalls lückenlos gegeben sein, ohne durch andere Zuflüsse beeinträchtigt worden zu sein. Ansonsten droht dem Treuhandkommanditisten eine Rückzahlungspflicht.

Die Außenhaftung des Kommanditisten bleibt in dem Umfange der Einlagenhaftung bestehen, solange noch nicht alles eingezahlt worden ist oder solange die Einzahlungen durch unzulässige Ausschüttungen an den Kommanditisten gemindert worden sind.

Die Ergebnisse in der Rechtsprechung sind recht unterschiedlich: Das OLG Köln sieht wegen des § 242 BGB den Vorrang des Gläubigerschutzes durch Erhaltung und bejaht die Anlegerzahlung (ZRG 2009, 543), während das verbraucherfreundliche OLG Karlsruhe zumindest bei einem Treuhandkommanditisten die Erhaltungspflicht jedenfalls nicht bei dem nicht eingetragenen Kommanditisten sieht (NZG 2009, 1107, 2208).

5) Gewinnvorabs können aber auch bedingte Rückforderungen sein

Werden künftige Gewinnforderungen aus der Beteiligung an einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts verpfändet, so ist für die Anfechtung des Pfandrechts der Zeitpunkt des Entstehens der gepfändeten Gewinnforderung maßgeblich (BGH-Urteil vom 14. Januar 2010 - IX ZR 78 09 = 2010, 335).

Gewinnvorabs sind hiernach bedingte Forderungen. Die Auszahlung ist bei Vorliegen der entsprechenden Vertragsbedingungen kongruent. Es besteht möglicherweise ein Widerspruch zum dem obigen Urteil BGH-Urt. v. 20.04.2009 (II ZR 88 08). Gemeint ist, dass die Gewinnvorabs mit späteren Gewinnen verrechnet werden können.

Bei den Schiffsfonds wurden häufig Gewinnvorabs aus dem Eigenkapital (Kommanditanteil) (rück)gezahlt. Die laufenden Gewinne wurden meist gegen Abschreibungen verrechnet. Die echten Anlegergewinne sollten erst beim Verkauf des Schiffes entstehen. Da die Schiffe dann aber abgeschrieben waren, stellt der verbleibende Schiffswert eine stille Reserve dar. Er taucht in der Bilanz nicht auf. Und vermutlich ist er auch ohne Wert.

Die folgenden Schiffe sind in die Krise geraten:

1. Castor Kapital Westerland
2. Dr. Peters Cape Banks
3. Dr. Peters Cape Byron
4. Elbe Emissionshaus Blankenese
5. Embdena Atlantic Star
6. Embdena Eaststar
7. Fondshaus Hamburg Vega Turmalin
8. Fondshaus Hamburg Tampa Bay / Turtle Bay
9. GEBAB Buxfavourite
10. GEBAB San Fernando
11. GHF Herrentor
12. Hanse Capital HC "Container-Flotten-Fonds"
13. HCI Capital HCI 1100 TEU Schiffsfonds I
14. HCI Capital Antje Schulte
15. Hamburger Emissionshaus Daniela
16. Hansa Treuhand Bravo
17. Hansa Treuhand Chief
18. K & S - Frisia Caribbean Sina
19. König & Cie Agaman
20. König & Cie Stadt Lübeck
21. Lloyd Fonds Emilia Schulte
22. Lloyd Fonds Wehr Weser
23. MPC Capital "Santa-A"-Serie (4 Schiffe)
24. MPC Capital Rio Valiente / Rio Verde
25. Nordcapital Hanse Twinfeeder
26. Nordcapital E.R. Sydney
27. OwnerShip K-Breeze
28. OwnerShip Mar Campania
29. Premium Capital Ines
30. Renta / Löwer Margareta
Interessenten können sich der Interessensgemeinschaft Schiffsfonds anschließen (http://www.anwalt-a.de/html/vertretungsformular.html)


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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