Scheinselbständigkeit - auch Arbeitnehmern drohen sechstellige Nachforderungen

  • 2 Minuten Lesezeit

Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.

Die sogenannte „Scheinselbständiogkeit“ war bisher nur eine Schlangengrube für Arbeitgeber. Wenn diese in das Visier von Zollfahndung, Deutsche Rentenversicherung und Strafverfolgern kamen, drohten hohe, meist sechs- bis siebenstellige, Nachzahlungen, Strafverfahren und auch Haft.

Wurde vom Arbeitsgericht bzw. der Deutschen Rentenversicherung ein sozialversicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis festgestellt, genießt der Scheinselbständige die Rechte eines Arbeitnehmers. Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, bezahlter Urlaub, ggf. Kündigungsschutz usw. Der Arbeitgeber muss die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen. Die Arbeitgeber- und die Arbeitnehmeranteile.

Nun hat das Bundesarbeitsgerichts aber entschieden, dass auch der Arbeitnehmer mit nachteiligen finanziellen Folgen einer Scheinselbständigkeit rechnen muss (BAG, Urteil vom 26. Juni 2019, Az.: 5 AZR 178/18).

Der Sachverhalt

Der Beklagte war hier bei der Klägerin jahrelang als freier IT-Mitarbeiter mit einem Stundensatz von EUR 60,00 netto tätig

In einem eingeleiteten Statusfeststellungsverfahren hat die Deutsche Rentenversicherung dann eine sozialversicherungspflichtige abhängige Beschäftigung („Scheinselbständigkeit“) bei der Klägerin festgestellt. Die Klägerin musste für den Beklagten die Sozialversicherungsbeiträge nachzahlen.

In einem solchen Fall ist ein Regress des Arbeitgebers beim Arbeitnehmer grundsätzlich nicht möglich.

Mit einer Klage vor den Arbeitsgerichten verlangte die Klägerin aber die Rückzahlung „zuviel“ geleisteter Honorare in Höhe von EUR 106.603,38.

Die Klägerin argumentierte, die Vergütung als freier Mitarbeiter habe deutlich über der üblichen Vergütung eines vergleichbaren Arbeitnehmers gelegen. Die über diese übliche Vergütung hinausgehenden Honorarzahlungen sowie die darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge habe der Beklagte ohne Rechtsgrund erlangt und deshalb zurückzugewähren.


Die Entscheidung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat letztinstanzlich wie folgt entschieden:

Der Arbeitgeber kann nach § 812 BGB die Rückzahlung überzahlter Honorare verlangen, wenn rückwirkend der Arbeitnehmerstatus eines vermeintlich freien Mitarbeiters festgestellt wird.

Mit einer solchen Feststellung steht zugleich fest, dass ein Rechtsgrund für die Honorarzahlungen nicht bestand, soweit die im Arbeitsverhältnis übliche Vergütung niedriger ist, als die für das freie Dienstverhältnis vereinbarte Vergütung.

Es kann in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass die für freie Mitarbeit vereinbarte Vergütung der Höhe nach auch für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer vereinbart worden sei. Denn die Vergütung des freien Mitarbeiters soll typischerweise Risiken abdecken, welche dieser selbst trägt.

Der Rückzahlungsanspruch der Klägerin ist nicht nach § 814 BGB ausgeschlossen.
 .

Während das Risiko einer Scheinselbständigkeit bislang nahezu ausschließlich den Arbeitgeber getroffen hat und ein Regress beim Arbeitnehmer nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich war, muss nun auch der Arbeitnehmer mit nachteiligen Folgen im Falle der Feststellung eines Arbeitsverhältnisses bzw. einer abhängigen Beschäftigung rechnen.

Denn nicht selten werden in der Praxis die an einen Selbständigen gezahlten Honorare deutlich über dem liegen, was einem Arbeitnehmern für eine vergleichbare Tätigkeit gezahlt wird.

Wenn ein freier Mitarbeiter vor den Arbeitsgerichten ein Arbeitsverhältnis geltend macht oder ein Anfrageverfahren nach § 7a SGB IV zur Statusfeststellung durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung einleitet, kann der Schuss für ihn also im Ergebnis auch nach hinten losgehen.

Weitere Infos finden Sie unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin und Strafverteidigerin Christina Glück

Beiträge zum Thema