Sektorale Heilpraktiker-Erlaubnis muss erteilt werden

  • 3 Minuten Lesezeit

Das Verwaltungsgericht Braunschweig hat am 21.1.2015 zum Aktenzeichen 1 A 32/14 entschieden, dass ein Rechtsanspruch aus Art. 12 Grundgesetz in Verbindung mit § 1 Heilpraktikergesetz einen Anspruch auf Erteilung einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis besteht.

Zwar sehen das HeilPrG und seine 1. DVO-HeilPrG für Heilpraktiker eine solche gegenständlich beschränkte Erlaubnis nicht vor. Daraus folgt jedoch bei zweckentsprechender Auslegung des Gesetzes kein diesbezügliches Verbot, dies auch und gerade vor dem Hintergrund, dass das Bundesverwaltungsgericht seine dahingehende Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben hat. Zwar betraf diese Entscheidung das Berufsbild des Psychotherapeuten, doch können die tragenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf dieses Tätigkeitsfeld beschränkt bleiben.

BVerwG 21.01.1993 - 3 C 34/90 –, BVerwGE 91, 356

Es weist in jener Entscheidung ausdrücklich darauf hin, dass sich die Berufsbilder auf dem Sektor der Heilberufe seit dem Erlass des Heilpraktikergesetz in damals nicht voraussehbarer Weise ausdifferenziert hätten, so dass Anlass bestehe, das Heilpraktikergesetz im Wege der Auslegung an die gegenwärtigen Gegebenheiten anzupassen. Aus dieser Formulierung wird deutlich, dass eine Anpassungsnotwendigkeit in diesem Sinne nicht nur in dem gerichtlich entschiedenen Einzelfall anzunehmen ist, sondern überall dort besteht, wo der Anwendungsbereich des Heilpraktikergesetz mit Normkomplexen in Beziehung zu setzen ist, durch die heilkundliche Berufe nachkonstitutionell verfasst worden sind.

Dies gilt auch für die im Gesetz über die Berufe in der Ergotherapie beschriebenen Aufgabenfelder.

Wer den Anforderungen dieses Gesetzes und der auf seiner Grundlage erlassenen Ausbildungs- und Prüfungsverordnung genügt, hat damit Zutritt zu einem hinreichend definierten und abgegrenzten heilkundlichen Aufgabenfeld, das der Heilpraktikererlaubnis insgesamt aber auch in Teilen zugänglich ist, weil seine Materien sich dazu eignen, selbständig und eigenverantwortlich durch den Ergotherapeuten bearbeitet zu werden.

Hinzu kommt, dass der Beruf des Ergotherapeuten geregelt und als Beruf gesetzlich anerkannt ist. Weiterhin ist die Ergotherapie ein nach § 124 Abs. 1 SGB V neben der Sprachtherapie und der Physiotherapie anerkanntes, abgrenzbares Heilmittel, deren Maßnahmekatalog in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von Heilmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Heilmittel-Richtlinien) enthalten ist. Die genannten Bestimmungen reichen damit aus, um die Aufgaben des Ergotherapeuten genau zu definieren und sie von anderen Aufgaben hinreichend abzugrenzen. Eine Grenzziehung ist daher möglich und auch aufgrund der überragenden Bedeutung des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG geboten.

VG Stuttgart 10.04.2008; VG Oldenburg 04.07.2008; Bayerisches VG Ansbach 09.07.2008

Die streitgegenständlich begehrte Entscheidung ist als ein weiterer Schritt der grundgesetzkonformen Modernisierung des Berufsrechts des Heilpraktikers erforderlich, weil insoweit eine zu füllende Lücke besteht. Es ist zwingend notwendig auf die Wandlung der Funktion des HeilPrG zu reagieren, die sich von einer repressiven Ausnahmevorschrift, die ursprünglich auf die Beseitigung des Heilpraktikerstandes gerichtet war, hin zu einer anspruchsbegründenden Norm verändert hat.

Eine verfassungskonforme Reduktion des Regelungsgehaltes des § 2 Abs. 1 Buchst. i) 1. DVO-HeilPrG ist zunächst im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit schon deshalb angezeigt, weil die Kenntnisse und Fähigkeiten der Klagepartei auf den durch den Genehmigungsvorbehalt erfassten Gebieten bereits Gegenstand entsprechender Staatsprüfungen waren. Unter diesen Umständen ist ein Festhalten an der Eignungskontrolle durch das Gesundheitsamt, wie sie hier in Rede steht, nur dann verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, wenn der Zweck dieser Überprüfung anderweitig nicht oder nicht vollständig erreichbar ist.

Bei der von der Klagepartei angestrebten eingeschränkten Heilpraktikererlaubnis ist eine solche Substituierbarkeit jedoch gegeben. Die von den Ergotherapeuten abzulegende Staatsprüfung geht über den spezifischen Erkenntniswert der Überprüfung in § 2 Abs. 1 Buchst. i) 1. DVO-HeilPrG weit hinaus. Ihr Bestehen dokumentiert nämlich, dass der Prüfungskandidat den beruflichen Anforderungen in Theorie und Praxis vollauf gewachsen ist und sich bei seiner Tätigkeit nicht von medizinischen Fehlvorstellungen leiten lässt.

OVG Rheinland-Pfalz 21.11.2006; VG Oldenburg 04.07.2008

Diese Entscheidung ist richtungsweisend und bestätigt Urteil aus anderen Bundesländern.

Aufgrund dieser Entscheidung hat das niedersächsische Ministerium seine zunächst ablehnende Meinung geändert und die beantragte sektorale Heilpraktikererlaubnis erteilt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt RA StB FA Michael F. Eulerich

Beiträge zum Thema

Ihre Spezialisten