Selbst massive Beleidigung rechtfertigt nicht immer fristlose Kündigung

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LAG Köln, Urteil vom 04.07.2019 (Az.: 7 Sa 38/19) 

Die Bezeichnung des Chefs einer kleinen Baufirma mit nicht mehr als 10 Arbeitnehmern als „Arschloch“ durch einen Bauarbeiter im Rahmen eines Streitgesprächs reicht nicht aus, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Das LAG Köln bestätigt die Rechtsprechung, wonach die Bezeichnung des Chefs als „Arschloch“ zwar eine schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung darstellt, dies aber nach Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles keine außerordentliche Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB rechtfertigt. 

Was ist passiert?

Ein Arbeitnehmer eines kleinen Kanalbauunternehmens hatte am 05.04.2018 seinen Chef (Geschäftsführer des Unternehmens) als „Arschloch“ tituliert. Dem vorausgegangen war eine wiederholend und nachhaltig geäußerte Kritik des Geschäftsführers, dass der Arbeitnehmer und sein Kollege S mit Zeitpunkt seines Erscheinens auf der Baustelle noch nicht mit der Arbeit begonnen hatten.

In diesem Zusammenhang gab es auch Meinungsverschiedenheiten aller Beteiligten darüber, wo und in welcher Weise das Firmenfahrzeug im Umfeld der Baustelle hätte geparkt werden können oder sollen. Der Geschäftsführer hatte seine Kritik darüber hinaus auch seinerseits mit körperlichem Einsatz bekräftigt, indem er sich auf den Kanaldeckel stellte, obwohl der Kollege S sich gerade angeschickt hatte, diesen zum Zwecke der Arbeitsvorbereitung zu öffnen.

Daraufhin titulierte der Arbeitnehmer den Geschäftsführer als „Arschloch“, trat gegen eine Kabeltrommel und entfernte sich von der Baustelle. Das Kanalbauunternehmen kündigte das über 10 Jahre bestehende und bis dahin beanstandungsfreie Arbeitsverhältnis fristlos. Der Arbeitnehmer erhob im Anschluss Kündigungsschutzklage. Das erstinstanzliche Arbeitsgericht Köln wies die Kündigungsschutzklage ab. Dagegen legte der Arbeitnehmer beim LAG Köln Berufung ein.

Das LAG ließ keinen Zweifel daran, dass das Verhalten des Arbeitnehmers grundsätzlich geeignet ist, eine fristlose Kündigung zu begründen. 

Im Rahmen der Abwägung und Berücksichtigung der Umstände dieses Einzelfalls kam das LAG jedoch zu dem Ergebnis, dass hier zugunsten des Arbeitnehmers zu entscheiden sei. Das LAG Köln berücksichtigte die emotionale Gesamtsituation, das beanstandungsfreie Arbeitsverhältnis und das soziale Umfeld der Baubranche mit einem gemeinhin raueren Umgangston. Deutlich wurde gemacht, dass derartige Beleidigungen z. B. unter Bankangestellten im Büro, ein anderes Ergebnis rechtfertigen könnten. 

Im vorliegenden Fall wurde die anzunehmende niedrigere Hemmschwelle im branchentypischen Berufsumfeld mildernd berücksichtigt. Weiterhin handele es sich bei dem Arbeitnehmer eher um einen „Mann der Tat“ als des differenzierten und abwägenden Wortes.

Fazit

Diese Entscheidung zeigt, dass eine fristlose Kündigung nicht nur nach der Schwere der Pflichtverletzung bewertet kann, sondern es sind immer alle Gesamtumstände des Einzelfalls detailliert in die Abwägung für eine fristlose Kündigung einzustellen. 

Hier bedarf es immer einer umfassenden anwaltlichen Prüfung der Erfolgsaussichten!

RA Schnitzmeier bearbeitet zahlreiche Kündigungsschutzverfahren vor den verschiedenen Arbeitsgerichten; sowohl auf Arbeitgeber- als auch auf Arbeitnehmerseite. 

Rechtsanwalt Dietmar Schnitzmeier

Fachanwalt für Arbeitsrecht


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