Sind Existenzgründer rechtlich als Unternehmer oder Verbraucher einzustufen?

  • 2 Minuten Lesezeit

von Dr. Marc Laukemann*



1. Warum ist die Abgrenzung so wichtig?

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 17. Mai 2023 (Az.: C-97/22) entschieden, dass bei fehlender Widerrufsbelehrung bei einem außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Dienstleistungsvertrag der Kunde nach Widerruf die bereits erbrachten Leistungen nicht bezahlen muss. Auch ein Wertersatz ist ausgeschlossen. Diese Rechtsprechung setzt voraus, dass der Kunde als Verbraucher im Sinne des § 13 BGB einzustufen ist.


Bei Existenzgründungen taucht in der Praxis immer wieder die Frage auf, ob Existenzgründer berechtigt sind, vorzeitig geschlossene Verträge unter Berufung auf verbraucherschützende Vorschriften (§§ 312 ff BGB) zu widerrufen. Diese Frage wurde bereits in einer früheren Entscheidung des Bundesgerichtshofs geklärt (BGH, Urteil vom 15.11.2007 - III ZR 295/06).


Wer diese Abgrenzung nicht kennt, kann bei Geschäften mit Existenzgründern viel Geld verlieren.


2. Rechtsgeschäfte im Rahmen der Existenzgründung

Bei der Vorbereitung einer Existenzgründung sind verschiedene Rechtsgeschäfte zu tätigen. Der BGH hat klargestellt, dass Rechtsgeschäfte, die im Rahmen einer Existenzgründung abgeschlossen werden, dem unternehmerischen Handeln und nicht dem Verbraucherverhalten zuzuordnen sind.


Beispiele unternehmerischen Handelns sind


  • die Anmietung von Geschäftsräumen
  • der Abschluss eines Franchisevertrages oder
  • der Erwerb eines Anteils an einer freiberuflichen Praxisgemeinschaft.

Diese Geschäfte sind von vornherein auf unternehmerisches Handeln ausgerichtet und unterliegen daher nicht dem Widerrufsrecht.


3. Rechtsgeschäfte zur Gründung eines Unternehmens

Nicht alle Handlungen im Zusammenhang mit einer Existenzgründung sind unternehmerisches Handeln. Es gibt auch Entscheidungen, die vorbereitend getroffen werden, um zu prüfen, ob überhaupt eine Existenzgründung erfolgen soll. Ein Beispiel hierfür ist die Erstellung und Erläuterung eines Gründungsgutachtens. Solche Handlungen sind dem privaten Bereich zuzuordnen und unterliegen daher dem Widerrufsrecht.


Beispiele für nicht unternehmerische Handlungen sind


  • die Erstellung eines Businessplans zur Überprüfung der Realisierbarkeit einer Geschäftsidee.
  • die Teilnahme an Existenzgründungsseminaren oder -workshops.
  • die rechtliche oder steuerliche Beratung im Zusammenhang mit der Existenzgründung.


Fazit: 

Das Widerrufsrecht gilt nicht in allen Fällen. Bei Rechtsgeschäften im Zusammenhang mit der Existenzgründung, die eindeutig auf eine unternehmerische Tätigkeit gerichtet sind, besteht kein Widerrufsrecht. Vorbereitende Entscheidungen zur Existenzgründung fallen dagegen unter das Widerrufsrecht. Für Unternehmer ist es wichtig, diese Unterscheidung zu kennen und die Anforderungen an das Widerrufsrecht bei Geschäften mit Verbrauchern zu beachten.


Wer Verbraucher nicht über ihr Widerrufsrecht belehrt, geht - das zeigt die Eingangs zitierte Entscheidung des EuGH - im Zweifel leer aus.




* Rechtsanwalt Dr. Marc Laukemann ist Gründungspartner von LFR Wirtschaftsanwälte München, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht sowie für gewerblichen Rechtsschutz, zertifizierter Wirtschaftsmediator (IHK) und systemischer Business Coach (IHK).



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