Sittenwidrige Mithaftung in Darlehensverträgen

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BGH bekräftigt Rechtsprechung zur sittenwidrigen Mithaftung in Darlehensverträgen

Der BGH hat sich in seiner Entscheidung XI ZR 32/16vom 15.11.2016 erneut mit der Frage der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung bei Vorliegen einer krassen finanziellen Überforderung befasst und seine bisherige Rechtsprechung zum Thema bekräftigt. 

Bei Darlehensbewilligung bestehen die Banken in der Regel auf eine Mithaftung des Ehegatten oder sonstiger Familienangehöriger. Dabei ist jedoch nicht jeder, der im Darlehensvertrag als „Darlehensnehmer“ bezeichnet wird, wie ein solcher zu behandeln. Nach der zitierten Rechtsprechung ist der Wortlaut im Vertrag nicht entscheidend, sondern es ist auf die Interessenlage der Vertragspartner abzustellen. Demnach hängt die rechtliche Qualifizierung als eigene Darlehensschuld oder als reine Mithaftung davon ab, ob der Angehörige als gleichberechtigter Vertragspartner neben dem Darlehensnehmer einen Anspruch auf Auszahlung der Darlehensvaluta haben und im Gegenzug zur Rückzahlung des Darlehens verpflichtet sein soll, oder ob er ausschließlich zu Sicherungszwecken mithaften soll. Mitdarlehensnehmer ist daher nur derjenige, der ein eigenes sachliches und persönliches Interesse an der Kreditaufnahme hat und gleichberechtigt über die Auszahlung bzw. Verwendung der Darlehensvaluta mitentscheiden darf. Ein Anhaltspunkt kann dabei z. B. sein, ob der Mithaftende einer Immobilienfinanzierung als Miteigentümer im Grundbuch eingetragen ist.  

Soweit es sich bei der – in die Finanzierung hereingenommenen – Person nur um einen Mithaftenden handelt, ist nach der Rechtsprechung weiter zu prüfen, ob dessen Mithaftung sittenwidrig ist. Dies wäre der Fall, wenn der Mithaftende bei Aufnahme des Darlehens von Anfang an in finanziell krasser Weise überfordert war. Es gilt dann zugunsten des Mithaftenden die tatsächliche Vermutung, dass dieser die ruinöse Mithaftung allein aus emotionaler Verbundenheit zum Darlehensnehmer übernommen und die Bank dies sittenwidrig ausgenutzt hat. 

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH (u. a. XI ZR 121/02 vom 14.10.2003; XI ZR 325/03 vom 25.01.2005; XI ZR 330/05 vom 25.04.2006; XI ZR 539/07 vom 16.06.2009), ist von der Sittenwidrigkeit der Mithaftungserklärung dann auszugehen, wenn der Hauptschuldner dem Mithaftenden persönlich besonders nahesteht. Dann kann nach der allgemeinen Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, dass der Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig belastende finanzielle Verpflichtung allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner eingegangen ist und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat. Ob eine krasse finanzielle Überforderung vorliegt, ist daran zu bewerten, ob der Mithaftende im Zeitpunkt des Zinsbeginns des Darlehens die Zinslast aus eigenem Einkommen aufbringen kann. Ist dies nicht der Fall, etwa weil der Ehegatte gar nicht oder nur geringfügig beruflich beschäftigt ist, wird von einer krassen finanziellen Überforderung des Mithaftenden und dessen sittenwidriger Mitverpflichtung auszugehen sein. In der Konsequenz sollte in diesen Fällen bei der Bank eine Haftungsentlassung des Mitverpflichteten aus dem Darlehensvertrag beantragt werden. 

Rechtsanwältin Sabine Burges

Fachanwältin für Bank- und Kapitalmarktrecht

Frankfurt


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