Sozialversicherungsbetrug: Was Sie als Arbeitgeber wissen müssen

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Sozialversicherungsbetrug ist hier in dem Sinne gemeint, dass Sie als Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge für Ihre Arbeitnehmer entweder gar nicht oder nicht rechtzeitig oder nicht vollständig an die Krankenkasse abgeführt haben sollen. Das Gesetz nennt dies „Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt“.

Sie sind Arbeitgeber und haben eine unangenehme Überraschung erlebt: Der Zoll hat Ihr Unternehmen geprüft, Ihre Wohn- und Geschäftsräume durchsucht oder Ihnen per Schreiben mitgeteilt, dass ein Strafverfahren gegen Sie eingeleitet wurde. Dem Zoll wurde vor einigen Jahren die Aufgabe übertragen, solche Prüfung und Ermittlungen im Rahmen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit zu übernehmen. Die Zollbeamten der Finanzkontrolle Schwarzarbeiten prüfen bestimmte Branchen schwerpunktmäßig. Solche Branchen sind insbesondere das Baugewerbe, die Gastronomie und das Wach- und Sicherheitsgewerbe.

Was bedeutet das für Sie und wie sollten Sie sich verhalten?


Sozialversicherungsbetrug – Welche Strafe droht?

Sozialversicherungsbetrug ist ein Delikt, das der Steuerhinterziehung ähnelt. Es handelt sich um eine Straftat, die mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden kann. In besonders schweren Fällen, zum Beispiel wenn ein Arbeitgeber in großem Ausmaß oder fortgesetzt Beiträge vorenthalten hat, können sogar bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe drohen.

Sozialversicherungsbetrug liegt vor, wenn Sie als Arbeitgeber der Einzugsstelle (in der Regel der Krankenkasse) Beiträge des Arbeitnehmers zur Sozialversicherung (Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung) vorenthalten. Das bedeutet, dass Sie die Beiträge nicht oder nicht in voller Höhe abführen, obwohl Sie dazu verpflichtet sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob Sie das Arbeitsentgelt, also den Nettobetrag, an die Arbeitnehmer ausgezahlt haben oder nicht.

Sozialversicherungsbetrug kann auch vorliegen, wenn Sie der Einzugsstelle unrichtige oder unvollständige Angaben über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen machen oder diese pflichtwidrig verschweigen. Zum Beispiel, wenn Sie die Anzahl Ihrer Beschäftigten, die Höhe des Arbeitsentgelts oder die Art des Beschäftigungsverhältnisses falsch angeben oder verändern.

Sozialversicherungsbetrug ist eine Vorsatztat. Das heißt, Sie gewusst habe, dass Beiträge anfallen und dass diese an die Krankenkasse zu melden und abzuführen gewesen wären. Ein Versehen oder eine Fahrlässigkeit reichen nicht aus, um eine Strafbarkeit zu begründen. Allerdings ist es regelmäßig schwierig, eine Verteidigung allein auf den fehlenden Vorsatz zu stützen.

Neben der strafrechtlichen Seite eines solchen Verfahrens müssen Sie damit rechnen, dass die – angeblich zu Unrecht nicht gezahlten Beiträge – nun nachträglich festgesetzt werden und zu zahlen sind. Insofern kommt auf einen Arbeitgeber neben den Strafverfahren auch noch eine erhebliche finanzielle Belastung aus der Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen einschließlich der in diesen Fällen erhobenen Säumniszuschläge zu.


Wen sieht der Zoll als Arbeitgeber und mutmaßlichen Täter des Sozialversicherungsbetrugs an?

Arbeitgeber ist der Unternehmer, der Mitarbeiter beschäftigt, die in seine Arbeitsorganisation eingebunden sind, und denen gegenüber er arbeitsrechtliche Weisungen erteilen kann. In Konstellationen eines Hauptauftraggebers und verschiedener Subunternehmer, die insbesondere in der Baubranche häufig vorkommen, kann es mitunter schwierig sein, die beteiligten Arbeitgeber richtig zu bestimmen.

Arbeitgeber kann beispielsweise auch eine GmbH sein, da der jeweilige Arbeitsvertrag dann zwischen der GmbH und dem Arbeitnehmer besteht. Das Strafverfahren richtet sich dann gegen den Geschäftsführer der GmbH, weil dieser persönlich dafür Sorge tragen muss, dass die Beiträge richtig angemeldet und abgeführt werden. Das muss er zwar jeweils nicht eigenhändig machen, aber er muss sein Unternehmen so organisieren, dass keine Rechtsverstöße stattfinden.

Die Beitragsnachzahlung richtet sich jedoch nicht gegen den Geschäftsführer persönlich, sondern gegen die GmbH. Allerdings haftet oftmals nach einer strafrechtlichen Verurteilung der Geschäftsführer persönlich für die Beiträge, wenn die GmbH diese nicht vollständig zahlen konnte und Insolvenz anmelden musste. Durch das Begehen der Straftat hat sich der Geschäftsführer dann auch für die Beiträge, die mit dieser Straftat zusammenhängen persönlich angreifbar gemacht. Insofern erlangt die strafrechtliche Verteidigung sozusagen doppelte Bedeutung.


Wie läuft ein Strafverfahren wegen Sozialversicherungsbetrug ab?

Die erste Phase eines Strafverfahrens wegen Sozialversicherungsbetrug ist das Ermittlungsverfahren. Die Strafverfolgungsbehörde, also in der Regel der Zoll, ergreift Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen, um festzustellen, ob und in welcher Höhe Sozialversicherungsbeiträge hätten abgeführt werden müssen und ob diese tatsächlich pünktlich und vollständig abgeführt wurden.

Dazu muss der Zoll feststellen, wer Arbeitgeber ist, wie viele Arbeitnehmer dieser beschäftigt hat und welches Arbeitsentgelt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in dem jeweiligen Monat zahlen musste. Daraus können dann die richtigen Sozialversicherungsbeiträge berechnet und mit den tatsächlich gezahlten Beiträgen verglichen werden.

Solche Prüfungs- und Ermittlungsmaßnahmen können sein:

  • Angekündigte oder unangekündigte Betriebsprüfungen auf Baustellen, um Restaurant oder ähnliches
  • Schriftliche Prüfungsanfragen
  • Bekanntgabe der Einleitung eines Strafverfahrens mit der Möglichkeit der Stellungnahme
  • Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen mit richterlichem Durchsuchungsbeschluss
  • In schwerwiegenden Fällen die Festnahme des Beschuldigten und Unterbringung in Untersuchungshaft

Wenn das Ermittlungsverfahren beendet ist, kommt die Strafverfolgungsbehörde zu dem Ergebnis, dass Beweise für eine strafbare Handlung vorliegen oder nicht. Wenn keine Beweise gegen Sie vorliegen oder sich auf andere Weise Ihre Unschuld ergeben hat, wird das Strafverfahren eingestellt.

Weiterhin kann das Strafverfahren entweder mit oder ohne Geldauflage eingestellt werden, wenn eine Verurteilung wegen Art und Umfang des Strafvorwurfs oder der sonstigen Umstände aus Sicht von Zollbehörde bzw. Staatsanwaltschaft und Gericht nicht erforderlich erscheint.

Wenn das Verfahren nicht eingestellt wird, kommt es entweder zu einer Anklage oder einem Strafbefehl. Mit der Anklageschrift geht das Verfahren dann in ein gerichtliches Verfahren. In diesem Fall wird in mündlicher Hauptverhandlung vor Gericht geklärt, ob eine Straftat als beweisen festgestellt werden. Ist das der Fall, erfolgt eine Verurteilung zu einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe. Die Freiheitsstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn sie höchstens zwei Jahre beträgt. Ergibt das Gerichtsverfahren keinen Beweis einer Straftat, wird der Angeklagte freigesprochen.

Wenn anstelle der Anklage ein Strafbefehl erstellt wird, wird in diesem Strafbefehl eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr auf Bewährung ausgesprochen, ohne dass eine Gerichtsverhandlung stattgefunden hat. Wenn Sie einen Strafbefehl erhalten, können Sie jedoch innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen, um ein Gerichtsverfahren herbeizuführen.

Wie kann ich mich als Arbeitgeber verteidigen?

Als Beschuldigter in einem Strafverfahren wegen Sozialversicherungsbetrug haben Sie das Recht zu schweigen. Von diesem Recht sollten Sie zunächst auch unbedingt Gebrauch machen. Auch wenn die Zollbeamten freundlich und wohlwollend erscheinen, können spontane Äußerungen von Ihrer Seite zu erheblichen Nachteilen bei der Verteidigung führen.

Zunächst sollten Sie einen Rechtsanwalt mit Ihrer Verteidigung beauftragen. Dieser Anwalt hat dann ein Recht auf Akteneinsicht. Die Akteneinsicht ist in nahezu allen Fällen der erste Schritt zur Vorbereitung einer effektiven Verteidigung.

Der Verteidiger darf und sollte Ihnen den Inhalt der Akte auch zur Verfügung stellen, so dass Sie selbst auch Kenntnis von allen Informationen und Beweismitteln haben, die gegen Sie vorliegen. Ich selbst handhabe es so, dass ich die Akte meinen Mandanten als pdf-Dokument zur Verfügung stelle und wir einen Termin vereinbaren, in dem wir den Inhalt der Akte gemeinsam analysieren. Erst wenn sowohl Sie als auch Ihr Anwalt die Akte kennen, kann der richtige Weg der Verteidigung besprochen werden.

Dann kann festgelegt werden, ob Sie eine Aussage machen oder nicht. Ob eine Aussage sinnvoll ist, hängt von dem gewählten Verteidigungsziel ab. In der Regel ist eine Aussage nur dann sinnvoll, wenn das Verteidigungsziel ist, eine einvernehmliche Einstellung des Verfahrens (in diesen Fällen dann meistens gegen Zahlung einer Geldauflage) ist.

Wenn die Vorwürfe insgesamt für unzutreffend gehalten werden, ist eine Aussage in vielen Fällen nicht sinnvoll. Die Verteidigung ist dann eher über Einwände, Beweisanträge oder ähnliches durch den Verteidiger zu führen, während Sie als Beschuldigter in diesen Fällen weiterhin Ihr Schweigen durchhalten müssen. Dies ist eine Herausforderung, die man nicht unterschätzen sollte. Gerade in einem langen Verfahren, in dem hauptsächlich um Sie geht und in dem Vorwürfe gegen Sie erhoben werden, die Sie für unzutreffend halten, erfordert es immense Selbstdisziplin selbst zu schweigen und den Verteidiger für sich sprechen zu lassen. Ob Sie dieser Herausforderung gewachsen sein werden, ist ein maßgeblicher Punkt bei der Festlegung des Verteidigungsziels.

Insofern kann man grob zusammenfassen, dass Sie sich als Beschuldigter wie folgt verhalten sollten, wenn Ihnen Sozialversicherungsbetrug vorgeworfen wird:

  • Zunächst auf keinen Fall eine Aussage machen
  • Einen kompetenten Anwalt als Strafverteidiger beauftragen
  • Akteneinsicht des Verteidigers abwarten
  • Gemeinsame Besprechung der Akte zwischen Ihnen und Ihrem Verteidiger
  • Festlegung von Verteidigungsziel und Verteidigungsstrategie
  • Umsetzung der Verteidigungsstrategie, z.B. durch Ihre Aussage oder durch Verteidigungsmaßnahmen Ihres Rechtsanwalts

Bedeutung des Sozialversicherungsbetrugs

Die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Zolls erstellt jedes Jahr einen Tätigkeitsbericht, in dem die Anzahl der Prüfungen, der eingeleiteten Strafverfahren und der festgestellten finanziellen Schäden für die Sozialversicherung genannt werden.

Jahr202020212022
Anzahl Prüfungen44.70048.00053.100
Anzahl Strafverfahren105.000120.300111.500
Aufgedeckter Schaden in EUR816.000.000790.000.000686.000.000

Wie Sie sehen, haben diese Verfahren eine erhebliche Bedeutung, erst recht natürlich für Sie, wenn Sie als Arbeitgeber beschuldigt werden.

Wenn Sie auf der Suche nach einem Rechtsanwalt sind, der Ihnen in diesem Verfahren zur Seite stehen kann, wenden Sie sich gerne an mich.

Ich bin Rechtsanwalt, Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachanwalt für Strafrecht und Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (Fernuni Hagen) und auf Verfahren wegen Sozialversicherungsbetruges und Steuerhinterziehung spezialisiert. Als Steuerberater verfüge ich zudem auch über die erforderlichen Kenntnisse über die Finanz- und Lohnbuchhaltung, um die Vorwürfe zu prüfen und mit Ihnen gemeinsam den besten Weg der Verteidigung zu suchen.

Rufen Sie mich an, schreiben Sie mir eine E-Mail oder hinterlassen Sie mir gleich hier eine Nachricht.

Foto(s): HSP RECHT Raddatz & Leifeld Rechtsanwaltsgesellschaft mbH

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