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Sozialversicherungspflicht gleichberechtigter Gesellschafter-Geschäftsführer von GmbHs ​

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GmbHs mit mehreren, prozentual gleichberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführern, die jahre- oder sogar jahrzehntelang von einer Selbstständigkeit ihrer Geschäftsführer ausgegangen sind, müssen sich unter bestimmten Voraussetzungen auf unangenehme Überraschungen gefasst machen. Bei bestimmten Konstellationen ist zu erwarten, dass der Prüfdienst der Rentenversicherung für alle Gesellschafter (rückwirkend) das Bestehen einer abhängigen Beschäftigung und damit Sozialversicherungspflicht feststellt und hohe Beitragsnachforderungen erhebt.

Neue Rechtsprechung des Bundessozialgerichts

Der Grund: Das Bundessozialgericht hat in den vergangenen Jahren mit einer Reihe von Entscheidungen seine Rechtsprechung zum sozialversicherungsrechtlichen Status von GmbH-Geschäftsführern präzisiert. Diese Rechtsprechung läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass ein Gesellschafter-Geschäftsführer nur noch dann selbstständig ist, wenn er

  • entweder über die Kapitalmehrheit verfügt oder
  • als Minderheitsgesellschafter zumindest aufgrund einer sog. Sperrminorität unliebsame Beschlüsse der Gesellschafterversammlung verhindern kann.

Stichwort „Rechtsmacht“

Ausnahmen von diesem Grundsatz schließt das BSG weitestgehend aus. Zwar wurden in der Vergangenheit Fremdgeschäftsführer insbesondere von Familien-GmbHs, die aufgrund familiärer Verbindungen frei schalten und walten können und das Unternehmen nach eigenem Gutdünken faktisch beherrschen, allein aufgrund dieser dominierenden Stellung als selbstständig anerkannt. Diese „Schönwetter-Selbstständigkeit“ hat das BSG allerdings im Jahr 2012 ausdrücklich aufgegeben. In der maßgeblichen Entscheidung heißt es:

„… entscheidender Gesichtspunkt für die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden (abhängigen) Beschäftigung auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften (ist) die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Dies mag aufgrund familiärer Rücksichtnahme so lange der Fall sein, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibt. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten käme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, sodass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestünde. Eine solche „Schönwetter-Selbstständigkeit“ ist mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungs- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar. So hat das BSG in der Vergangenheit wiederholt darauf hingewiesen, dass es im Interesse aller Beteiligten, der Versicherten und der Versicherungsträger, liegt, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit schon zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil diese nicht nur für die Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten des Sozialleistungsträgers und die Leistungsansprüche des Betroffenen von entscheidender Bedeutung sein kann.“

BSG – Urteil vom 29.08.2012 (B 12 KR 25/10 R) – Link zu dieser Entscheidung: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=en&nr=12717

Ausschlaggebend ist letztlich die Rechtsmacht des Geschäftsführers, unliebsame Weisungen zu verhindern. Diese Rechtsmacht muss im Gesellschaftsvertrag verankert sein. Regelungen im Anstellungsvertrag oder sonstige privatschriftliche Stimmbindungsvereinbarungen reichen nicht aus, da sie im Krisenfall nicht kündigungsfest sind.

Die Folgen für gleichberechtigte Gesellschafter-Geschäftsführer

Handelt es sich lediglich um zwei Gesellschafter-Geschäftsführer mit je 50 % Kapitalanteil, wird man weiterhin von Selbstständigkeit ausgehen können. Denn keiner von beiden hat die Chance, sich in der Gesellschafterversammlung gegen den anderen durchzusetzen, bzw. jeder kann verhindern, dass der andere unliebsame Weisungen erteilt.

Anders jedoch, wenn mindestens drei gleichberechtigte Gesellschafter (z. B. mit je einem Drittel Kapitalanteil) vorhanden sind. Solange der Gesellschaftsvertrag für eine Beschlussfassung der Gesellschafterversammlung nur die Mehrheit der Stimmen verlangt und für keinen Gesellschafter eine Sperrminorität vorgesehen ist, hat kein Gesellschafter-Geschäftsführer die Chance, unliebsame Beschlüsse zu verhindern. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass es keine vorgegebene Mehrheit gibt bzw. die Mehrheitsverhältnisse ständig wechseln können. Zumindest hat keiner eine im Vorhinein festgelegte Rechtsmacht, ein Überstimmtwerden zu verhindern. Und nur auf diese Rechtsmacht kommt es nach der neuen Rechtsprechung des BSG an.

Grund genug, den Gesellschaftsvertrag zeitnah zu prüfen und ggf. zu ändern.

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.



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