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Sozialversicherungspflicht von Gesellschafter-Geschäftsführern bei gleichen Anteilen und Stimmrechten

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Der sozialversicherungsrechtliche Status von Gesellschafter-Geschäftsführern bei GmbHs bleibt ein Dauerbrenner. Nicht selten gehen Geschäftsführer irrtümlich davon aus, selbstständig tätig zu sein, während die Betriebsprüfer der Sozialversicherungsträger das Gegenteil feststellen und Sozialversicherungsbeiträge einfordern. Häufig sogar zu Recht. Denn in vielen Fällen unterliegen die Betroffenen einem Irrtum darüber, welche Kriterien sozialversicherungsrechtlich den Ausschlag geben. 

In den letzten Wochen ist das Problem der Sozialversicherungspflicht von Geschäftsführern kleiner Start-ups aufgetaucht, bei denen alle Gesellschafter im Interesse eines demokratischen Miteinanders exakt gleiche Anteile halten, gleiche Stimmrechte haben und gemeinsam zu Geschäftsführern bestellt sind. In den Anstellungsverträgen finden sich gut gemeinte Klauseln, wonach jeder für sein Aufgabengebiet alleinverantwortlich ist und eine Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB besteht etc. Einen Betriebsprüfer wird dies nicht beeindrucken. Auch die Rechtsprechung der Sozialgerichte ist in diesem Punkt noch nicht gefestigt. Das Bayerische Landessozialgericht und das LSG Baden-Württemberg haben in mehreren Urteilen entschieden, dass bei exakt gleichen Anteils- und Stimmverhältnissen Selbstständigkeit besteht. Der für die Arbeitslosenversicherung zuständige 11. Senat des Bundessozialgerichts ist dagegen in mehreren Parallelentscheidungen vom 04.07.2007 (u.a. B 11a AL 5/06 R) zu einem gegenteiligen Ergebnis gekommen.

Die Grundregeln

Die Frage eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses von Gesellschafter-Geschäftsführern bestimmt sich nach der Rechtsprechung der Sozialgerichte danach, ob der Geschäftsführer als Gesellschafter einen maßgeblichen Einfluss auf die Gesellschaft hat. Die Größe des Einflusses wird in der Rechtsprechung nach der Höhe des Geschäftsanteils des Gesellschafters bestimmt. Grundsätzlich ist ein Geschäftsführer, der gleichzeitig Mehrheitsgesellschafter ist, also über die Hälfte des Stammkapitals der Gesellschaft oder mehr verfügt, selbstständig tätig. Unter Umständen genügt auch schon ein geringerer Kapitalanteil, insbesondere wenn er über eine Sperrminorität einen beherrschenden Einfluss ausüben kann, der sich unter anderem darauf erstreckt, unerwünschte Weisungen gerade hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort der Tätigkeit zu verhindern.

Allerdings darf daraus nicht umgekehrt geschlossen werden, dass mangels eines auf Kapitalbeteiligung beruhenden beherrschenden Einflusses auf die Gesellschaft regelmäßig ein Abhängigkeitsverhältnis anzunehmen ist. In solchen Fällen hängt das Vorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses wesentlich davon ab, ob der Geschäftsführer nach dem Gesamtbild seiner Tätigkeit einem Weisungsrecht der GmbH unterliegt, das seine persönliche Abhängigkeit begründet. Auch wenn der geschäftsführende Gesellschafter nicht über eine Mehrheit am Stammkapital und auch nicht über eine Sperrminorität verfügt, kann eine abhängige Beschäftigung weiter dann ausgeschlossen sein, wenn es ihm sein tatsächlicher Einfluss auf die Willensbildung der GmbH gestattet, nicht genehme Weisungen der genannten Art zu verhindern (BSG – 14.12.1999 – B 2 U 48/98 R).

Die Rechtsprechung der Landessozialgerichte bei gleichen Anteilen

Das Bayerische Landessozialgericht hat in einem Urteil vom 18.5.2005 (L 5 KR 213/04) in einem Fall, in dem es um 3 gleichmäßig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer ging, festgestellt, dass diese nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu der Gesellschaft stehen. Das Bayerische LSG stützt sich in dieser Entscheidung auf einen Aufsatz eines Mitarbeiters der Grundsatzabteilung der deutschen Rentenversicherung Bund, worin ebenfalls die Ansicht vertreten wird, dass gleichmäßig beteiligte Gesellschafter-Geschäftsführer in aller Regel nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH stehen (Andreas Menthe, „Sozialversicherungsrechtliche Beurteilung von Gesellschafter-Geschäftsführern einer GmbH“, in: Die Angestelltenversicherung, Heft 3/05 S. 129). Darin wird u.a. folgende Auffassung vertreten: „Gesellschafter-Geschäftsführer, die – in etwa – zu gleichen Teilen (zum Beispiel mit jeweils 33 1/3 % oder 25 % bzw. mit 31 %, 34 % und 35 %) an einer GmbH beteiligt sind und aufgrund der Vereinbarungen im Gesellschaftsvertrag – Herbeiführung der Gesellschafterbeschlüsse durch einfache Mehrheit – jeweils keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft nehmen können, stehen in aller Regel nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur GmbH. Sie sind nicht nur die alleinigen Geschäftsführer, sondern zugleich die alleinigen Gesellschafter der GmbH, so dass ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer dieselben Personen als Gesellschafter gegenüberstehen und daher ein – für ein Arbeitnehmer-Arbeitgeber Verhältnis typischer – Interessengegensatz kaum denkbar erscheint. Eine solche Identität legt vielmehr den Schluss nahe, dass die Geschäftsführer im „eigenen“ Unternehmen tätig und damit im Sinne der Sozialversicherung Selbstständige sind.“ Der Autor Andreas Menthe war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung Mitarbeiter im Referat Versicherungs- und Beitragsrecht (Inland)/Abt. Grundsatz der BfA. In einem weiteren Urteil vom 24.1.2006 (L 5 KR 99/05) hat das Bayerische Landessozialgericht dieselbe Rechtsauffassung für die Konstellation einer GmbH mit zwei zu jeweils 50 % gleichermaßen beteiligten Gesellschafter- Geschäftsführern vertreten.

Die bisherige Rechtsprechung des BSG

Der (allerdings nicht für die Rentenversicherung zuständige) 11. Senat des Bundessozialgerichts hat in der o.g. Entscheidung vom 04.07.2007 die Gegenposition eingenommen und entschieden, dass in einem solchen Fall in der Regel von abhängiger Beschäftigung auszugehen sei. Die Vorinstanz LSG Baden-Württemberg hatte dagegen mit ähnlichem Wortlaut wie das Bay. Landessozialgerichts festgestellt, dass eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Das BSG ist jedoch der Auffassung, dass eine Abhängigkeit auch bei Geschäftsführern anzunehmen sei, die zwar zugleich Gesellschafter sind, jedoch weder über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile noch über eine so genannte Sperrminorität verfügen. Auch für diesen Personenkreis sei im Regelfall von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Eine hiervon abweichende Beurteilung komme wiederum nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände des Einzelfalls den Schluss zulassen, es liege keine Weisungsgebundenheit vor. Ob sich der für die Rentenversicherung zuständige 12. Senat des BSG bei der Überprüfung eines Betriebsprüfungsergebnisses dieser Auffassung anschließen würde, ist offen.

Für die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen ist in solchen Fällen deshalb anzuraten, durch zusätzliche Regelungen eine Weisungsfreiheit ausdrücklich abzusichern.

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


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